UNO ruft zur dringenden Hilfe für Tadschikistan auf
21. Februar 2008Den Aufruf der UNO an internationale Geldgeber teilte am 18. Februar in Duschanbe der UNO-Hilfskoordinator für Tadschikistan, Michael Jones, mit. Er sagte, die Lage im Lande sei äußerst kritisch, besonders bei der Lebensmittelversorgung, im Gesundheitswesen und im Energiesektor. Man gehe davon aus, dass bis zum Frühling die Stromproduktion auf unter 40 Prozent des Bedarfs sinken werde. Die begrenzte Stromversorgung bleibe somit vorerst aufrechterhalten. Zurzeit haben die Bewohner Duschanbes jeweils fünf Stunden am Morgen und am Abend Strom. Weite Landesteile sind allerdings ganz ohne Elektrizität. In vielen Orten haben die Menschen weder Licht, Wärme noch Wasser.
"In weniger als 60 Tagen hat die Wirtschaft Tadschikistans schweren Schaden genommen. Mit Beginn des Frühlings könnten neue Katastrophen die Lage noch verschlimmern – Überschwemmungen und Erdrutsche. 25 Millionen Dollar sind nötig, um mit ersten Maßnahmen dem leidenden tadschikischen Volk zu helfen. Das Geld soll unter anderem für Lebensmittel, Brennstoffe, Generatoren, Heizgeräte, Medikamente und Kleidung verwendet werden. Die internationale Gemeinschaft muss alle zur Verfügung stehenden Ressourcen einsetzen, um die Folgen des strengen Winters abzumildern", sagte der UNO-Hilfskoordinator für Tadschikistan, Michael Jones.
Regierung erwartet gewaltigen Gesamtschaden
Der größte Teil der Hilfsgelder soll für Lebensmittel ausgegeben werden. Nach Schätzungen von UNO-Experten braucht die Hälfte der tadschikischen Bevölkerung eine Lebensmittelhilfe. "Mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen geben die Tadschiken für Lebensmittel aus. Und die ärmsten Bevölkerungsschichten geben für Lebensmittel fast ihr gesamtes Einkommen aus. Die Lebensmittelpreise steigen weiter. Die Menschen geben immer mehr Geld aus und essen immer weniger. Fast die Hälfte der Bevölkerung Tadschikistans leidet unter Lebensmittelmangel. Die Lage wird immer schlimmer", sagte Zlatan Milisic, Vertreter des Welternährungsprogramms der UNO in Tadschikistan. Ihm zufolge leiden mehr als 550.000 Menschen an Unterernährung. 260.000 von ihnen benötigen dringend Hilfe.
Für die Beseitigung der Kälteschäden und der Folgen der Energiekrise wurde in Tadschikistan eine Regierungskommission gebildet, unter Leitung des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung und Handel, Gul Bobosod. Er sagte, die bei internationalen Geldgebern angeforderten 25 Millionen Dollar würden nur für erste humanitäre Bedürfnisse bis Anfang März reichen. Es sei nicht genug Geld, um den Schaden zu beseitigen, den die Kälte der Wirtschaft und der Gesellschaft zugefügt habe. Die Kommission bemühe sich derzeit, den Gesamtschaden festzustellen. Nach vorläufigen Schätzungen beläuft er sich auf Hunderte Millionen von Dollar, mit steigender Tendenz, denn seit fast einem Monat stehen fast alle Industriebetriebe still.
"Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes im Januar 2007 betrug im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres 5,1 Prozent. Im Januar dieses Jahres erreichte es im Vergleich zum Januar 2007 nur 1,5 Prozent. Es ist also ein Wachstumsrückgang um das Vierfache zu beobachten. Bekanntlich ist dies darauf zurückzuführen, dass wir, um der Bevölkerung zu helfen, gezwungen waren, die Stromlieferungen an Industriebetriebe einzuschränken. Deutlichen Schaden hat auch die gesamte Infrastruktur genommen", sagte Gul Bobosod.
Menschen leiden unter Hunger und Krankheiten
Ernsten Schaden hat auch die Landwirtschaft genommen, die auf eine Kälte von –25 Grad Celsius nicht vorbereitet war. Die Verluste im Agrarsektor sind so gewaltig, dass der tadschikischen Bevölkerung in naher Zukunft Hunger droht, wenn nicht bald Maßnahmen ergriffen werden.
"Fast 50 Prozent der Kartoffelvorräte sind verloren. Etwa 80 Prozent der Zwiebelsaat ist vom Frost vernichtet. Ebenso wird es in Tadschikistan dieses Jahr einen Mangel an Weizen geben. Die Kälte war auch ein Schlag für die Viehzucht: die Milch-, Fleisch- und Eierproduktion geht zurück. Die Tiere, die überleben, werden schwach und unproduktiv sein. Übrigens braucht Tadschikistan auch Hilfe bei Futtermitteln für Vieh und Geflügel. Dringend werden 10.000 Tonnen Futter für Tiere benötigt", so Bernhard Schelhas von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).
Experten gehen davon aus, dass dieses Jahr für die Tadschiken eines der schwersten wird. Der Energiemangel führte dazu, dass sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung verschlechterte. Verdoppelt hat sich der Zahl der Fälle von Lungenentzündungen und anderen Infektionserkrankungen. Wegen fehlenden Stroms und der Kälte gibt es Probleme bei der Wasserversorgung. Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser sind ohne Strom, Wärme und Wasser. Deswegen wenden sich viele Menschen nicht mehr an medizinische Einrichtungen, sondern behandeln sich selbst. Ärzte befürchten, dass viele Menschen sterben werden, weil sie nicht die entsprechende Hilfe bekommen. Es bleibt nur, auf wärmere Tage zu hoffen, wenn die Flüsse wieder Wasserkraftwerke versorgen können und die Stromproduktion steigt. Aber die humanitären und wirtschaftlichen Auswirkungen der Winter-Krise werden noch lange zu spüren sein.
Nigora Buchari-sade Duschanbe, DW-Zentralasien