Die große Kluft bleibt
19. November 2013Die SPD hatte bis zuletzt 8,50 Euro als bundesweit einheitliche Lohnuntergrenze gefordert, was von der Union und von führenden Wirtschaftsvertretern abgelehnt wird. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe betonte, dass keine Regulierung dazu führen dürfe, dass die Flexibilität am Arbeitsmarkt abnehme. Es müsse aber eine Lösung gefunden werden, die "Beschäftigung nicht gefährdet", sagte Gröhe. "Ein Arbeitsloser kriegt keinen Mindestlohn." Etwas verbindlicher als beim Mindestlohn, die Vereinbarungen bei den Maßnahmen gegen den Missbrauch von Werksverträgen und der Leiharbeit. Um Arbeitnehmer besser vor Lohndumping durch Werksverträge zu schützen, sollen die Informationsrechte der Betriebsräte ausgebaut werden.
Frauenquote, Fachkräfteoffensive und Frauenrechte
Einigkeit zeigte die Runde vor allem dort, wo bereits zuvor Konsens bestand. So bekräftigten Union und Sozialdemokraten ihren Willen, ab 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen ab einer bestimmten Größe vorzuschreiben. Zudem kündigte SPD-Generalsekretärin Nahles an, dass eine schwarz-rote Regierungskoalition eine Fachkräfteoffensive starten wolle, die vor allem jenen Jugendlichen eine zweite Chance am Arbeitsmarkt gebe, die bei schulischer und beruflicher Bildung im ersten Anlauf gescheitert sind. Weiterhin unversöhnlich dagegen die Haltung der Koalitionspartner in spe bei der Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften und ihrem Recht auf die Adoption von Kindern. Während für die SPD dies ein Kernpunkt eines zukünftigen Koalitionsvertrages ist, lehnen CDU und CSU eine Öffnung der Familienpolitik strikt ab. Dissens auch in Fragen der Rentenpolitik. Während die Unionsparteien unter dem Schlagwort der "Mütterrente" eine Gerechtigkeitslücke für alle jene Frauen schließen wollen, die vor 1992 ihre Kinder geboren haben und dadurch heute weniger Rentenansprüche besitzen, ist dies für die Sozialdemokraten keine Priorität. CSU-Generalsekretär Dobrindt sagte, Mütter aus dieser Zeit "dürften nicht bestraft werden." Und er kritisierte vor allem die SPD, die nach seiner Ansicht nach finanzielle Hürden aufbaue, um das Vorhaben zu kippen. Auch der CDU-Vertreter Gröhe betonte: "Die Mütterrente kommt."
Bei Rüstung, Außenpolitik und Menschenrechten herrscht Einigkeit
Dissens hier, ein Bild der Harmonie dort. Bereits am Vormittag traten die Verhandlungsführer der Arbeitsgruppe zur Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik vor die Presse. Statt scheinbar unüberbrückbarer Meinungsdifferenzen, wie sie der Öffentlichkeit abends präsentiert wurden, hatten die Verhandlungsführer Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Thomas de Maizière hier Lob füreinander parat. Inhaltlich gebe es "keinen offenen Punkt", sagte der geschäftsführende Bundesverteidigungsminister de Maizière. Und Sozialdemokrat Steinmeier zeigte sich besonders über die Verständigung beim Streitthema Rüstungsexporte zufrieden. Man sei gemeinsam der Überzeugung, sie aus dem "dunkel der Geheimniskrämerei" herauszuholen. Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Waffengeschäfte mit Drittstatten sollen künftig dem Parlament "und damit der Öffentlichkeit" zugänglich gemacht werden. Einen Kompromiss haben Union und SPD auch beim Umgang mit unbemannten Luftfahrzeugen, sogenannten Drohnen, gefunden. "Die Bundeswehr werde auch künftig auf derartige Fähigkeiten angewiesen sein", betonte de Maizière. Eine Bewaffnung der Drohnen sei nicht ausgeschlossen. "Völkerrechtswidrige Tötungen mit unbenannten Luftfahrzeugen lehnen wir kategorisch ab", ergänzte der Christdemokrat. Die SPD hatte sich vor Beginn der Koalitionsverhandlungen gegen die Entwicklung und Anschaffung von Drohnen ausgesprochen.
Am Ende kommt, was bezahlbar ist
Die besonders strittigen Fragen wurden allesamt auf die bevorstehende Schlusswoche der Verhandlungen vertagt. Damit wird das Gelingen der Verhandlungen zur Chefsache der Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD). Die bisher vereinbarten Kompromisse bleiben unter "Finanzierungsvorbehalt", was nichts anderes bedeutet, als dass die Parteichefs am Ende das Wünschenswerte mit dem Finanzierbaren in Einklang bringen werden müssen. Bis zum 27. November haben sich Union und SPD Zeit eingeräumt, einen gemeinsamen Koalitionsvertrag auszuhandeln. Dieser Kompromiss soll dann bis Mitte Dezember von einer SPD-Mitgliederbefragung bestätigt werden.