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UNICEF organisiert psychologische Betreuung der Kinder von Beslan

4. Oktober 2004

- Warnung vor weiterer Gewalt im Kaukasus

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Bonn, 1.10.2004, DW-RADIO, Sabine Ripperger

Der Anschlag auf eine Schule in Beslan in Nord-Ossetien vor genau einem Monat markierte eine neue Dimension des Terrorismus. Vier Wochen nach dem schrecklichen Ende des Geiseldramas, bei dem bis zu 338 Menschen ums Leben kamen, unter ihnen mindestens 130 Kinder, steht die ganze Region weiterhin unter Schock. Die Überlebenden brauchen nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch langfristige psychologische Unterstützung. Das gilt insbesondere für die Kinder. Keines der Kinder aus der Schule Nr. 1 in Beslan geht bisher wieder zur Schule. In den übrigen Schulen der Stadt besuchen zur Zeit nur etwa 80 Prozent der Kinder den Unterricht. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF, das bereits kurz nach Ende der blutigen Auseinandersetzung in Beslan Antibiotika, Schmerzmittel, Medikamente zur Behandlung von Verbrennungen und ähnliches als Soforthilfe zur Verfügung stellte, hat am Freitag (1.10.) in Berlin ein Nothilfeprogramm zur Betreuung traumatisierter Kinder in Beslan vorgestellt. Sabine Ripperger berichtet:

Aufgrund von Erfahrungen in anderen Krisengebieten geht UNICEF davon aus, dass die meisten der rund 7.000 Kinder und Jugendlichen in Beslan langfristige psychologische Hilfe brauchen. Dazu der Geschäftsführer von UNICEF-Deutschland, Dietrich Garlichs, vor Journalisten am Freitag (1. 10.) in Berlin:

"UNICEF hat deshalb mit der russischen Nichtregierungsorganisation 'Broken Flowers' ein Hilfsprogramm zur psychosozialen Versorgung der Kinder begonnen. UNICEF und 'Broken Flowers' werden 60 bis 100 lokale Mitarbeiter von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen in speziellen Kursen ausbilden, wie sie traumatisierten Kindern helfen können. Diese Helfer werden dann zu den Kindern und zu den Familien gehen und sie mindestens ein Jahr lang begleiten."

Die russische Organisation betreute übrigens auch schon Opfer nach den Terroranschlägen auf Moskauer Wohnhäuser 1999. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Diagnose und Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen bei Kindern.

Den Anschlag auf die Kinder bezeichnete der deutsche UNICEF-Repräsentant als einen Tabubruch, der eine neue Dimension des Terrors darstellt. Damit sei auf dramatische Weise eine Hemmschwelle überschritten worden, so Garlichs, die für die Zukunft nichts Gutes bedeute. Weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit sei im Nordkaukasus eine ganze Region in Chaos und Anarchie abgeglitten, aus der dann eine Schreckenstat wie die in Beslan hervorgehen konnte.

Als Reaktion auf diese schreckliche Tat müsse die internationale Gemeinschaft endlich das Leiden der Menschen im Kaukasus zur Kenntnis nehmen und auf eine politische Lösung des Konflikts drängen, gleichzeitig aber auch die humanitäre Hilfe verstärken.

Besorgt ist UNICEF darüber, wie es nach Ablauf der 40tägigen Trauer in Beslan weitergehen werde. Die Menschen seien gezeichnet durch Trauer, Schock und Angst. Es würden immer noch Kinder und deren Angehörige vermisst. Außerdem warnte die Organisation vor der großen Gefahr von möglichen Vergeltungsmaßnahmen der christlichen Bevölkerung Nord-Ossetiens gegen die benachbarten muslimischen Inguschen und Tschetschenen nach Ablauf der Trauerperiode.

Angesichts dieser Situation hält es der Leiter von UNICEF in Russland, Carel de Rooy, für außerordentlich wichtig:

"... eine Verständigung zwischen den Kindern und Jugendlichen in den fünf nordkaukasischen Republiken zu fördern. Das ist ein Projekt, dass wir für dringend nötig halten. Wir haben die Hoffnung, dass vielleicht schon im nächsten Jahr ein günstiges Klima dafür existiert, um verschiedene Initiativen dabei zu unterstützen, Kinder zusammenzubringen, dass sie zusammenarbeiten, gemeinsam etwas unternehmen, so dass sie lernen, ihre unterschiedlichen Werte und Kulturen zu respektieren."

Der UNICEF-Leiter für Russland sprach aus langjähriger Erfahrung, denn er war für das Kinderhilfswerk zuvor auch schon im Irak und in Kolumbien tätig.

Die Tragödie von Beslan zeige, so der Geschäftsführer von UNICEF-Deutschland abschließend, wie wichtig es sei, nach einer politischen Lösung für diese Region zu suchen, damit dort die Kultur von Gewalt und Gesetzlosigkeit beendet werde, sonst würden Hass und Verbitterung von heute weitere Gewalt in der Zukunft hervorbringen. (lr)