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Undurchsichtige Dschihadis

Ranty Islam12. September 2007

Nach den vereitelten Anschlägen in Deutschland haben die Behörden usbekische Hintermänner im Visier. Doch über die Gruppe zirkulieren kaum greifbare Informationen, manche Experten zweifeln an ihrer Existenz.

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Schwarz vermummte Kämpfer mit Waffen vor schwarzem Transparent (Quelle: dpa)
Mutmaßliche Selbstdarstellung im Internet: Wer hinter der Islamischen Dschihad Union steckt, bleibt sprichwörtlich im DunklenBild: dpa - Bildfunk

Seit am 4. September drei Männer festgenommen wurden, die massive Bombenanschläge in Deutschland geplant haben sollen, sehen die Behörden die Bundesrepublik fest im Visier des internationalen Terrorismus. Schnell waren Bundesanwaltschaft und Polizei in der Lage, die verhinderten Bombenleger einzuordnen. Demnach waren die drei Festgenommenen Mitglieder des deutschen Ablegers der in Usbekistan beheimateten "Islamischen Dschihad Union" (International Jihad Union, IJU).

Karte von Usbekistan
Karte Usbekistan

Die zügige Zuordnung verwundert – gemessen an den spärlichen Informationen über die Gruppe, die bislang von den Ermittlern an die Öffentlichkeit gelangten: Die Struktur der Organisation ist unklar, führende Köpfe bleiben unbenannt, die Zahl der Mitglieder unbekannt, ihre Sponsoren liegen im Dunklen und der Aktionsradius der Gruppe ist nicht deutlich einzugrenzen. Über Verbindungen der IJU mit anderen Gruppen wissen die Behörden vieles im Allgemeinen aber nichts im Besonderen. Würde das Bundeskriminalamt ein Fahndungsplakat für die Gruppe veröffentlichen, dann entspräche dies gegenwärtig kaum mehr als einem weißen Blatt Papier mit einem großen Namen darauf.

Kaum genaue Erkenntnisse

Militärtransportflieger auf Flugplatz (Quelle: AP)
Militärtransportflieger auf dem deutschen Stützpunkt in Termez (Archivbild)Bild: AP

Die begrenzten Kenntnisse über die Ziele der Gruppe und ihre Urheberschaft der versuchten Attentate in Deutschland stützen sich auch auf eine Bekennerbotschaft im Internet. Die Experten im "Gemeinsamen Internetzentrum der Bundessicherheitsbehörden" (GIZ) halten die Erklärung nach Angaben des Innenministeriums für authentisch, weil "die Bekennung der IJU […] sich in die bisherige Erkenntnislage der Strafverfolgungsbehörden einfügt". Auf Anfrage bestätigte das Ministerium gleichwohl, dass die Internetbotschaft weder weitere Hinweise auf die vereitelten oder andere geplante Anschläge noch auf andere in Deutschland aktive IJU-Kader enthalte. Im Prinzip also nichts, was man in Usbekistan durch aufmerksame Lektüre deutscher Medien in der vergangenen Woche auch hätte wissen können.

In der "Bekennung" wird laut Innenministerium erklärt, dass die Anschläge gegen den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, sowie US-amerikanische und usbekische Konsulareinrichtungen in Deutschland gerichtet gewesen seien. Als Ziel habe die Gruppe die Schließung des durch Deutschland genutzten Luftwaffenstützpunktes in Termez/Usbekistan genannt. Unter Hinweis auf laufende Ermittlungen wollen die Sicherheitsbehörden weitere Erkenntnisse über die IJU nicht preisgeben – falls es die denn gibt. Und genau da könnte das Problem liegen, wenn man internationalen Experten glaubt.

Existenz zweifelhaft

Islam Karimow (Quelle: AP)
Usbekistan ist im eisernen Griff von Islam Karimow (Archivbild)Bild: AP

Die IJU könnte es geben, oder auch nicht, schreibt Craig Murray, ehemaliger britischer Botschafter in Usbekistan und entschiedener Gegner westlicher Kooperation mit dem diktatorischen usbekischen Regime von Präsident Islam Karimow. Doch außerhalb der vielzitierten Sicherheitskreise scheine niemand jemals von der Gruppe gehört zu haben. "Selbst die Islamische Bewegung Usbekistans (IBU), von der sich die IJU abgespalten haben soll, bezieht sich niemals in irgendeiner Weise auf sie. Eine Webseite der IJU gibt es offenbar nicht. Auch unter den Usbeken im Ausland ist die Gruppe völlig unbekannt." Bis letzte Woche habe niemand auch nur ein Mitglied, geschweige denn einen Anführer nennen können.

Auch für Bombenanschläge in der usbekischen Hauptstadt Taschkent 2004 gebe es zwar Bekennerbotschaften der IJU. Darüber hinaus stützten sich westliche Geheimdienst-Informationen zu diesen Anschlägen fast ausschließlich auf "Erkenntnisse" des usbekischen Geheimdienstes, so Murray. Insbesondere auf Betreiben der USA – damals noch ein enger Verbündeter der usbekischen Regierung – war die IJU 2005 auf die UN-Liste der Terror-Organisationen gehoben worden.

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IJU eine "Marke"?

Nicht alle usbekischen Extremistengruppen sind so schwer fassbar. Bekannt sind die Aktivitäten der Islamischen Bewegung Usbekistans – ehemals ein Sammelbecken der islamisch fundamentalistischen Opposition gegen Diktator Karimow. Nach einem "Friedensschluss" mit dem Karimow-Regime Mitte der 1990er Jahre, habe sich die IBU weitgehend aufgelöst, sagt Yuri Fedorow, vom Russland und Eurasia-Programm am renommierten Chathamhouse in London. "Einzelne kleine Ex-IBU-Gruppen haben dann von den Taliban in Afghanistan Unterstützung bekommen. Nach dem Sturz der Taliban sind die ehemaligen IBU-Kämpfer anschließend weiter in die Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan gezogen." Jene Region, in der die drei deutschen Bombenleger mutmaßlich Terrorcamps besucht haben sollen.

Doch auch Fedorow hat von der IJU, einer angeblichen IBU-Abspaltung, nur selten gehört – durch die Bekennerbotschaften nach den Anschlägen unter anderem auf US-Einrichtungen in Taschkent 2004. Doch ob die IJU wirklich existiert oder nicht, sei nicht der Punkt, sagt er. Die Organisations-Strukturen islamischer Extremisten wandelten sich ständig. Mehrere disparate Gruppen gäben sich zuweilen unter einem Namen zu erkennen und manchmal agierten einzelne Extremisten mal unter einem Gruppennamen mal unter einem anderen. In dem Sinne ist die "Islamische Dschihad Union" mehr eine Marke – vortrefflich geeignet, um die westliche Öffentlichkeit auf den Plan zu rufen, inklusive ihrer Sicherheitsbehörden, aber mit wenig oder keinem Bezug zu den zugrunde liegenden Strukturen, über die wenig bekannt ist.

"Ob es die IJU wirklich gibt, ist kaum feststellbar", sagt auch Anna Matveeva, Zentralasien-Expertin von der London School of Economics. Die meisten Informationen über tatsächliche oder vermeintliche extremistische Oppositionsgruppen kommen zumeist von den usbekischen Behörden selbst und beruhen auf Aussagen, die in Folterungen erpresst wurden. Die Wahrheit bleibt dabei auf der Strecke.