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PolitikAfrika

UN: Wie Afrika um Mitbestimmung kämpft

Chrispin Mwakideu
29. September 2022

Afrika will bei den Vereinten Nationen endlich den Platz, der ihm zusteht - inklusive ständigem Sitz im Sicherheitsrat. Und nicht nur das: Auch abweichende Meinungen müssten dabei respektiert werden.

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UN-Vollversammlung in New York | Treffen Macron mit Tshisekedi und Kagame
Bild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Regelmäßig werben die Afrikanische Union (AU) und ihre Mitgliedsländer um Reformen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. So auch bei der vor Kurzem zu Ende gegangenen UN-Vollversammlung. "Die Zentralafrikanische Republik bekräftigt ihre Unterstützung für den gemeinsamen Standpunkt der Afrikanischen Union", sagte Faustin Archange Touadera, Präsident der Zentralafrikanischen Republik, bei dem Treffen in New York.

Die AU fordere tiefgreifende Reformen der Vereinten Nationen und die Erweiterung der Sitze der Mitglieder des Sicherheitsrates, um eine gerechtere Beteiligung und eine bessere Repräsentation aller Kontinente zu erreichen, hieß es. Das Ziel: Dem Kontinent eine stärkere Stimme in dem wichtigen Gremium geben, dem immer wieder eine Schlüsselrolle in der Lösung internationaler Konflikte zukommt. Die fünf ständigen Ratsmitglieder - Frankreich, die Vereinigten Staaten, Russland, China und das Vereinigte Königreich - leisten dort nach Ansicht der AU keinen ausreichenden Beitrag, um die Belange Afrikas nach vorne zu bringen.

Diskussion um Afrikas "Neutralität" im Ukraine-Krieg

Ein Beispiel für den Konflikt verschiedener Perspektiven ist der Krieg in der Ukraine, der erhebliche Auswirkungen auch auf den afrikanischen Kontinent hat. Die Treibstoff- und Getreidepreise sind in die Höhe geschnellt, aber viele afrikanische Länder haben sich entschieden, in dem anhaltenden Krieg nicht Partei zu ergreifen.

USA New York | Macky Sall | Präsident von Senegal und Leiter der Afrikanische Union
Macky Sall warb bei der UN-Vollversammlung auch um das Recht auf die eigene PositionBild: Mary Altaffer/AP/picture alliance

Laut Senegals Präsident Macky Sall, der den turnusmäßigen Vorsitz der Afrikanischen Union innehat, geht es darum, dass Afrika "nicht der Nährboden eines neuen Kalten Krieges sein" will. Sall spielt damit auf den zunehmenden Druck auf afrikanische Staats- und Regierungschefs an, sich für eine Seite in dem Konflikt zu entscheiden.

"Afrika hat genug unter der Last der Geschichte gelitten und will nicht der Ort eines neuen Kalten Krieges sein, sondern ein Pol der Stabilität und der Chancen, der all seinen Partnern zum gegenseitigen Nutzen offen steht", sagte Sall. Er forderte Russland und die Ukraine auf, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, um einen größeren globalen Konflikt zu vermeiden.

Infografik UN Abstimmung gegen Russland in Afrika DE

Ein Multilateralismus, der Afrika vergisst

In seiner ersten Rede auf einer UN-Vollversammlung forderte Kenias frisch gewählter Präsident William Ruto die führenden Politiker der Welt auf, das multilaterale System in Bezug auf Afrika zu überdenken. "Von Völkermorden und Bürgerkriegen bis hin zur landwirtschaftlichen Entwicklung und Pandemien - immer wieder muss der afrikanische Kontinent die Hauptlast der schwachen Solidarität und des desaströsen Versagens des Multilateralismus tragen", sagte Ruto.

"Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Afrika das letzte Mal während der Berliner Konferenz von 1884 bis 1885 im Fokus eines starken und effektiven Multilateralismus stand." Der 55-Jährige sprach von einem "Versagen der Menschheit": Schon oft habe das System des Multilateralismus in Krisen die Menschen Afrikas außer Acht gelassen und jegliche moralische Bedenken mit Blick auf Afrika über Bord geworfen.

Gleichberechtigter Partner auf der Weltbühne werden

Eine Kritik, die auch jenseits der politischen Führungskreise geäußert wird. "Ich glaube nicht, dass der Westen die besten Interessen für Afrika hat", sagt etwa Ciku Kamau, ein Schuhhändler in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, im DW-Interview. "Wenn das so wäre, könnte Afrika heute so weit entwickelt sein, wie es die Länder des Westens sind." Kamau ruft Afrika dazu auf, sich als Kontinent zu vereinen: "Wir könnten viel weiter sein, wenn wir nicht bloß tun würden, was der Westen will."

Zeichnung der Teilnehmer der Kongokonferenz 1884 Flash-Galerie
Bei der "Berliner Kongo-Konferenz" diskutierte Europa 1884 über - nicht mit Afrika

Die Unternehmerin Cristina Petro pflichtet Kamau bei: "Deutschland oder Frankreich sollten auf keinen Fall wichtiger sein als Nigeria oder Ghana", sagt sie der DW in Nairobi. "Auf globaler Ebene steht Afrika an der Spitze. Unsere Rolle und die Rolle all dieser anderen Länder sollte auf globaler Ebene dieselbe sein."

Petro appelliert an die afrikanischen Staats- und Regierungschefs, sich stärker auf panafrikanische Themen zu konzentrieren und weniger darauf, den Ansprüchen der internationalen Gemeinschaft zu genügen. Denn "dann werden wir gemeinsam stärker".

Vereint durch Handel

Tatsächlich konnte der Kontinent im Bestreben um eine größere Einheit zuletzt wichtige Schritte machen. Einer davon war 2018 die Gründung der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA), der inzwischen 54 afrikanische Länder angehören. Sie ist nach der Welthandelsorganisation die nach Mitgliedsstaaten größte Freihandelszone der Welt.

 East African Community Headquarters in Arusha, Tanzania
In den Regionalbündnissen - hier der Sitz der Ostafrikanischen Gemeinschaft in Arusha - erprobt Afrika das ZusammenwachsenBild: Veronica Natalis/DW

Allerdings stehen elf Ratifizierungen derzeit noch aus, und auch sonst läuft bei Weitem nicht alles rund: Die größte Schwäche auf dem afrikanischen Kontinent sei noch heute die Behinderung des innerafrikanischen Handels durch hohe Zölle, erklärt der außenpolitische Experte Elijah Munyi, Dozent an der United States International University in Nairobi, im DW-Gespräch. "Ich denke, der ostafrikanische Fall ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es ist. Aber die Ostafrikanische Gemeinschaft hat Fortschritte gemacht, was einige dieser Engpässe angeht", sagt Munyi - und zeigt sich überzeugt: Wenn es Afrika gelänge, seine eigenen bürokratischen Hürden zu überwinden, könnte es seine Sichtbarkeit auf der Weltbühne verbessern.

Mitarbeit: Andrew Wasike und George Okachi

Aus dem Englischen adaptiert von Martina Schwikowski.