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Konflikte

UN-Sicherheitsrat warnt vor Erstarken des IS

16. Oktober 2019

Zum zweiten Mal seit dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien hat der UN-Sicherheitsrat über die Folgen beraten. Diesmal zeigt er sich besorgt über die humanitäre Lage und die Risiken durch geflüchtete IS-Kämpfer.

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USA New York UN Sicherheitsrat tagt zu Syrien | Russischer Vertreter Vasily Nebenzya
Der russische UN-Botschafter Vasily Nebenzya informiert die Presse nach der Sitzung des UN-SicherheitsratesBild: Getty Images/D. Angerer

In einer kurzen gemeinsamen Erklärung brachten die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ihre große Sorge zum Ausdruck, dass sich die humanitäre Situation in der Region weiter verschlechtern könnte. Zudem verwiesen sie auf das Risiko entflohener Dschihadisten, ohne die türkische Offensive gegen kurdische Milizen in Syrien zu benennen. Das teilte der südafrikanische UN-Botschafter Jerry Matjila in New York nach der Sitzung mit. Südafrika steht dem Gremium im Oktober vor. Deutschland hatte die Gespräche über den Konflikt im Namen der fünf EU-Mitgliedsländer des Rates beantragt.

Kurz zuvor hatten Deutschland und Frankreich die militärischen Aktivitäten der Türkei im Norden Syriens verurteilt. Die Regierungen der beiden Länder riefen in Toulouse in einer gemeinsamen Erklärung die Türkei zur Abkehr von ihrem Kurs auf. Sie erinnerten die Türkei an ihre Verpflichtungen nach internationalem Recht, einschließlich des humanitären Völkerrechts. Die neuerlichen bewaffneten Feindseligkeiten im Nordosten hätten das Potenzial, die Stabilität in der Region zu untergraben. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Mitglieder ihres Kabinetts waren nach Toulouse zu deutsch-französischen Konsultationen gereist.

Kurden stoppen Anti-IS-Kampf

Angesichts der türkischen Offensive haben die kurdischen Streitkräfte und ihre Verbündeten nach eigenen Angaben die Kampfeinsätze gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vollständig ausgesetzt. "Wir haben all unsere Aktivitäten gegen den IS eingefroren", sagte der Chef der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, dem kurdischen Fernsehsender Ronahi. Die SDF sind ein Bündnis der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) mit kleineren arabischen Milizen.

Gespräche mit Pence und Putin

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigt sich unbeeindruckt vom massiven Druck aus den USA und Europa und schließt eine Waffenruhe in Nordsyrien aus. Kurz vor dem Besuch von US-Vizepräsident Mike Pence in Ankara erklärte Erdogan, man werde nicht mit den Gegnern von der Kurdenmiliz YPG verhandeln. Die Türkei setze sich nicht mit "Terroristen" an einen Tisch. Mit Pence, den US-Präsident Donald Trump als Vermittler schickt, will er an diesem Donnerstag aber zumindest sprechen. Die USA hoffen, bei den Gesprächen einen Waffenstillstand zu erreichen zwischen der Türkei und den Kurdenmilizen. Die USA hatten unter anderem zwei türkische Ministerien und drei Minister mit Strafmaßnahmen belegt.

Parallel will der russische Präsident Wladimir Putin mit Erdogan bei einem persönlichen Gespräch klären, wie sich eine direkte Konfrontation syrischer und türkischer Truppen in dem Bürgerkriegsland vermeiden lässt. Bei den Gefechten in Syrien kämpften nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte erstmals auch syrische Regierungstruppen an der Seite von Kurdenmilizen gegen die von der Türkei unterstützten Rebellen. Die türkische Militäroffensive in Nordsyrien läuft seit einer Woche. Sie richtet sich gegen die Kurdenmiliz YPG, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation.

Informationsembargo gegen Ankara

Die USA haben das türkische Militär wegen der Invasion einem Medienbericht zufolge inzwischen weitgehend aus der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ausgeschlossen. Die Türkei erhalte im Hauptquartier auf dem Luftwaffenstützpunkt im katarischen Al-Udeid keinerlei Aufklärungs- oder Operationsdaten der Allianz, berichtet Spiegel Online. Das US-Verteidigungsministerium habe dies bereits am 9. Oktober angeordnet, als das türkische Militär die ersten Luftangriffe im Norden Syriens flog und kurdische Stellungen mit Artillerie beschoss. Aus deutschen Militärkreisen wurde der Schritt am Mittwoch bestätigt. Die Türkei nehme auch nicht mehr an Besprechungen und Planungskonferenzen teil, wurde der Deutschen Presse-Agentur erklärt. Hintergrund der Maßnahme sind Befürchtungen des Pentagon, dass Ankara die Aufklärungsergebnisse der Koalition für die Planung der eigenen Militäreinsätze gegen kurdische Stellungen im Norden Syriens nutzt.

"Anschluss nicht erlauben"

Erdogan zeigte sich auch unbeeindruckt von der Einschränkung deutscher Rüstungsexporte und spottete über Bundesaußenminister Heiko Maas. "Wenn du etwas von Politik verstehen würdest, würdest du nicht so sprechen", sagte Erdogan an Maas gewandt, und bezeichnete ihn als "politischen Dilettanten". Deutschland hatte als bisher einzige Sanktion seine Rüstungsexporte an die Türkei teilweise gestoppt. Rüstungsgüter, die nicht in dem Konflikt genutzt werden können, dürfen aber weiter exportiert werden.

Seit Beginn des türkischen Einmarschs in Nordsyrien vor einer Woche wurden Aktivisten zufolge mehr als 70 Zivilisten getötet, darunter 21 Kinder. In den Reihen der von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) seien mehr als 160 Kämpfer getötet worden und auf Seiten der von der Türkei unterstützten Rebellen fast 150 Kämpfer, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Bei einem Angriff durch die türkische Armee und deren Verbündete seien zudem zwei Soldaten der syrischen Armee getötet worden.

kle/djo (dpa, afp, rtr)