UN-Sicherheitsrat berät erneut über Syrien
13. August 2011Zehntausende von Menschen sind in syrischen Städten am Freitag (12.08.2011) wieder zu neuen Großkundgebungen gegen das Regime von Präsident Baschar al Assad auf die Straßen gegangen. Syriens regierungstreue Armee reagierte prompt. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten setzten Soldaten in mehreren Landesteilen ihre brutalen Einsätze gegen die Protestbewegung fort. Insgesamt sollen dabei mindestens zwanzig Menschen getötet worden sein.
Bei einer Razzia in der Protesthochburg Homs wurden nach Mitteilung von Augenzeugen drei Menschen getötet, in der nördlichen Provinz Idlib mindestens zwei Menschen. Das Militär sei im Morgengrauen, bereits Stunden vor den für die Zeit nach dem Freitagsgebet angekündigten Kundgebungen, mit dutzenden Panzern in Kahn Scheichun im Norden eingerückt, hieß es. Mehrere Menschen wurden nach Angaben von Aktivisten bei Vorstößen gepanzerter Einheiten in Ortschaften nahe der libanesischen Grenze getötet. In der Stadt Deir Essor eröffneten den Meldungen zufolge regimetreue Sicherheitskräfte das Feuer auf Tausende Demonstranten. Die Oppositionellen berichteten, das Militär gehe rücksichtslos gegen die Demonstranten vor. Haus für Haus sei Deir al Sur von Soldaten durchsucht worden. Die Geschäfte der Familien prominenter Regierungsgegner sollen niedergebrannt worden sein.
Clinton setzt auf wirtschaftlichen Druck
US-Außenministerin Hillary Clinton forderte die europäischen Länder auf, den wirtschaftlichen Druck auf Staatschef Assad zu verstärken. Es sei wichtig, dass nicht allein die USA deutlich machten, dass Assad jegliche Legitimität verspielt habe, sagte Clinton in einem Interview des US-Fernsehsenders CBS-News. Notwendig seien Sanktionen gegen die Öl- und Gasindustrie des Landes. "Und wir wollen sehen, dass Europa mehr Schritte in diese Richtung unternimmt."
Auch China, Russland und Indien müssten mehr unternehmen. Das Ziel wirtschaftlicher Restriktionen müsse der Energiesektor werden, da dieser von der Familie Assad kontrolliert werde und zudem der syrische Staat damit die meisten Devisen einnehme. Von Russland verlangte Clinton zudem, die Rüstungsexporte an Syrien zu stoppen. Sie betonte auch die Notwendigkeit einer organisierten Opposition in Syrien, die es zurzeit nicht gebe. Die USA seien bemüht, eine Konsolidierung der Oppositionsfront zu unterstützen.
EU will weitere Sanktionen prüfen
Bundesaußenminister Guido Westerwelle und sein niederländischer Ressortkollege Uri Rosenthal reagierten grundsätzlich positiv auf den US-Vorstoß. Die Bundesregierung schließe Sanktionen gegen die syrische Öl- und Gasindustrie nicht aus. Man werde entsprechende Forderungen von US-Außenministerin Clinton prüfen, kündigte Westerwelle an. Rosenthal zufolge könnte die Europäische Union ihre Sanktionen gegen Syrien bereits auf einem informellen Ministertreffen am 2. September in Polen auf die Bereiche Telekommunikation, Bankwesen und Energie ausweiten. "Wir müssen dem Regime über seine profitablen öffentlichen Unternehmen den Sauerstoff abstellen", sagte Rosenthal.
Sicherheitsrat plant Sondersitzung
Die USA haben wie die EU wegen der brutalen Unterdrückungspolitik des Assad-Regimes bereits Sanktionen gegen die syrische Führung verhängt, die aber bisher offensichtlich ohne Wirkung blieben. China, Russland und Indien sind bislang gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrates zur Verurteilung der Gewalt in Syrien.
Angesichts der andauernden Gewalt in Syrien kommt der Sicherheitsrat in der kommenden Woche erneut zu einer Sondersitzung zusammen. Dabei werden die UN-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay und die stellvertretende Generalsekretärin für humanitäre Angelegenheiten, Valerie Amos, über die aktuelle Lage berichten. Das teilte die französische UN-Vertretung in der Nacht zu Samstag mit. Die europäischen Mitglieder des höchsten UN-Gremiums hatten die Sitzung beantragt. Sie wollen auf diesem Weg den Druck auf Assad aufrecht erhalten.
Menschenrechtsaktivist in Damaskus festgenommen
Bereits am Donnerstag wurde mit Abdel Karim Rihawi einer der führenden syrischen Menschenrechtler festgenommen, wie syrische Aktivisten aus ihrem Exil im libanesischen Beirut berichteten. Der 43-Jährige ist Vorsitzender der Syrischen Liga zur Verteidigung der Menschenrechte. Mit ihrem Netz an Mitgliedern in vielen syrischen Städten ist die Nichtregierungsorganisation eine wichtige Informationsquelle über die Protestbewegung in dem Land, in das Journalisten seit Ausbruch der Unruhen kaum Zugang haben. Rihawi wurde von Sicherheitskräften während eines Interviews in einem Innenstadt-Café der Hauptstadt Damaskus verhaftet.
Autorin: Ulrike Quast (rtr, dpa, dapd, afp)
Redaktion: Martin Schrader