UN-Report gibt dem Klimawandel eine Chance
27. November 2018Der Bericht des Weltklimarates zum 1,5-Grad-Ziel sei der "globale Feueralarm", sagt Joyce Msuya, stellvertretende Direktorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. "Die Regierungen müssen schneller und mit größerer Dringlichkeit vorgehen. Derzeit heizen wir das Feuer weiter an während unsere Löschmittel in Reichweite sind", beschreibt Msuya die globale Situation.
Msuya stellte in Paris den Emissions Gap Report 2018 vor. Demnach ist es noch möglich die globale Erwärmung auf unter zwei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zu halten. Allerdings würden die technischen Möglichkeiten, die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu halten, ohne entschiedenes Handeln schwinden.
Laut Report sind die nächsten Jahre bis 2030 entscheidend. Um die Erwärmung zu bremsen, müssten die Emissionen weltweit erheblich schneller sinken als von den Ländern bisher zugesagt.
Es droht ein sehr anderer Planet als wir ihn jetzt kennen
Bleibt es bei den zugesagten Emissionsminderungen der Länder im Rahmen des Klimaabkommens von Paris, so würde demnach die globale Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts - im Vergleich zur vorindustriellen Zeit - um rund 3,2 Grad steigen. Und auch danach setzte sich der Temperauranstieg fort.
Das wäre dann "ein sehr anderer Planet als wir ihn jetzt kennen", warnt Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Mitglied im Weltklimarat, vor allem dann, wenn die Menschheit so weiter mache wie bisher, "wir ungebremst weiter Treibhausgase emittieren und weitere Zunahmen wie in den letzten Jahrzehnten erlauben. Dann werden wir bis Ende des Jahrhunderts mindestens vier Grad globale Erwärmung erleben", sagt Rahmstorf im DW-Interview. Durch die weitere Erwärmung würde die Temperatur dann "in weiteren 100 Jahren noch auf sieben, acht Grad ansteigen. Ich glaube nicht, dass die menschliche Zivilisation das überleben würde."
Mehr dazu: Weltklimarat: 1,5-Grad-Ziel nur mit enormen Anstrengungen noch möglich
Klimaschutz braucht ambitionierte Politik
Bislang steigen die Emissionen aber weiter: Laut UN-Report wurden 2017 weltweit insgesamt 53,5 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Treibhausgase freigesetzt. Das sind 0,7 Gigatonnen (Gt) mehr als 2016.
Bei dieser Zahl handelt es sich um die Summe aller Treibhausgase. Neben CO2 haben auch Methan (CH4), Lachgas (N2O) und der Verlust von Wäldern und Böden als Kohlenstoffspeicher einen Treibhauseffekt. Wissenschaftler rechnen alle Effekte zusammen, die Angaben erfolgen dann in "CO2 Äquivalent" (CO2e).
Der UN-Report zeigt auf, wie groß die Handlungslücke ohne Trendwende wird: Halten sich die Staaten lediglich an ihre freiwillig gemachten Zusagen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens, so werden die Treibhausgase bis 2030 auf 59 Gt CO2e steigen. Um den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen, müssen die Treibhausgasemissionen weltweit jetzt sehr schnell sinken - von rund 53,5 Gt CO2e (2017) auf rund 40 Gt CO2e im Jahr 2030.
Für das 1,5-Grad-Ziel wäre die erforderliche Emissionsreduktion noch drastischer: Im Vergleich zu heute müssen sich die globalen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 mehr als halbieren auf nur noch rund 24 Gt CO2e.
Klimaanstrengungen müssen vervielfacht werden
Die Analyse der Autoren macht deutlich, dass die Klimaschutzpläne der Regierungen nicht ausreichen werden, um die in Paris vereinbarte Begrenzung der Erderwärmung zu erreichen.
Die erhöhten Emissionen und verzögerte Maßnahmen führten dazu, dass die Kluft zur erforderlichen Reduktionsminderung sogar weiter gewachsen ist. "Jetzt mehr denn je müssten alle Staaten ihre Klimaschutzanstrengungen erhöhen", sagt Mitautor Niklas Höhne vom New Climate Institut der Deutschen Welle.
Die Staaten müssten Ihre Ambitionen um das Dreifache erhöhen, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen und um das Fünffache für die Begrenzung auf 1,5 Grad, lautet ein Fazit des Reports.
Mehr dazu: Treibhauskonzentration erklimmt Allzeithoch
Engagement und Maßnahmen auf allen Ebenen
"Die Art von drastischen, umfangreichen Maßnahmen, die wir dringend benötigen ist noch nicht bekannt", sagen die Klimaexperten in dem Report. Zugleich skizzieren die Autoren erforderliche Maßnahmen für die Umsetzung und sehen viele Potentiale auf Ebene der Städte, Kommunen, Unternehmen, Hochschulen, der Zivilgesellschaft und im Finanzsektor. Für die Transformation und für mutige Klimaschutzmaßnahmen werden diese Institutionen "zunehmend als Schlüsselelement für die Erreichung der globalen Emissionsziele anerkannt".
Ein noch größeres Potential zur Emissionsminderung sehen die Autoren in einer sorgfältig konzipierten Finanzpolitik. "Um die Emissionslücke zu schließen, ist eine nachhaltige Finanzreform ein entscheidender Baustein", sagt Mitautorin Brigitte Knopf vom Mercator Reseach Institute for Global Commons and Climate Change.
"Neben dem Abbau von fossilen Subventionen muss eine solche Reform einen wirksamen CO2-Preis beinhalten. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung können dazu verwendet werden, andere Steuern zu senken, sie für Investitionen in nachhaltige Infrastruktur aufzuwenden oder einkommensschwache Haushalte zu kompensieren", erklärt Knopf. "Derzeit sind allerdings die Hälfte der Energieemissionen unbepreist. Diese Politiklücke muss schnell geschlossen werden, wenn die Pariser Klimaziele noch erreichbar bleiben sollen."
Mehr dazu: Mit einem CO2-Preis die Klimaziele von Paris erreichen
Klimalücke noch schließbar
"Es klafft weiter eine fatale Lücke zwischen Worten und Taten, zwischen den von den Staaten vereinbarten Zielen der Stabilisierung unseres Klimas und den Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele", sagt Mitautor Gunnar Luderer vom PIK zum Fazit des Reports. "Jetzt mehr den je müssten alle Staaten ihre Klimaschutzanstrengungen erhöhen", ergänzt Mitautor Höhne. Zugleich sieht er "in allen Sektoren gute Beispiele von politischen Maßnahmen, die heute erfolgreich Treibhausgasemissionen reduzieren. Wenn alle diesen Beispielen folgen würden, wäre die Lücke schon zur Hälfte geschlossen."
Viel Schub und Potential für den Klimaschutz gebt es laut Bericht auch durch die Entwicklung der erneuerbaren Energien. "Seit das Pariser Klimaabkommen verabschiedet wurde sind die Kosten für erneuerbare Energien um grob ein Drittel weiter gesunken", erklärt Höhne. "Dadurch ist heute mehr machbar als damals möglich erschien."
Mehr dazu: Wie lässt sich die Welt zu 100 Prozent mit Erneuerbaren Energien versorgen?