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Assads tödliche Taktik

14. Februar 2012

Der UN-Sicherheitsrat ist in der Syrien-Frage blockiert. Dafür hat die UN-Menschenrechtsbeauftragte Pillay die Verbrechen des Assad-Regimes jetzt umso deutlicher benannt, meint Daniel Scheschkewitz.

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Symbolbild Kommentar

Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay ist eine mutige Frau, die deutliche Worte nicht scheut. In der UN-Vollversammlung hat sie das Vorgehen des syrischen Regimes von Baschar al-Assad als "Todesschuss-Taktik" bezeichnet und damit eine ungeschminkte Wahrheit formuliert. Die Führung in Damaskus lässt seit Monaten gezielt auf unbewaffnete Regimegegner schießen und geht mit Panzern, Artillerie und Scharfschützen gegen wehrlose Menschen vor. Vor allem in Homs bricht sich der Tötungswillen des Regimes ungebrochen Bahn. Während die Vetomächte Russland und China den UN-Sicherheitsrat in der Syrienfrage mit ihrer Blockadepolitik in Geiselhaft genommen haben, hat Pillay die Dinge beim Namen genannt und das Menschen verachtende Vorgehen Assads auf den Punkt gebracht.

Ungeschminkte Wahrheit

Sie berichtete dem hohen Gremium von Verhaftungswellen im ganzen Land, bei denen die Schergen Assads sogar Kinder hinter Gitter sperren. Pillay hielt dem Regime einen Spiegel vor und gleichzeitig benannte sie die Mitschuldigen an diesem humanitären Drama: die Regierungen in Moskau und Peking, die ihre schützende Hand über Assad halten und den Sicherheitsrat damit zur Untätigkeit verdammen. Die Anklage der Menschenrechtsbeauftragten wiegt schwer, weil sie aus berufenem Munde kommt. Sie gibt der UN ein Stück von der Würde zurück, die durch den schamlosen Machtpoker im Sicherheitsrat um die Syrienresolution verspielt wurde.

DW-Redakteur Daniel Scheschkewitz
DW-Redakteur Daniel ScheschkewitzBild: DW

Assad wiegt sich in Sicherheit

Diese klaren Worte von berufener Stelle waren umso notwendiger, weil ein Einlenken der Russen und Chinesen im Sicherheitsrat weiterhin nicht in Sicht ist. Die Aufforderung der Arabischen Liga mit einer UN-Blauhelmmission in Syrien die Gewaltorgie zu beenden, hat - solange das Assad-Regime an der Macht ist - keinerlei Chance auf Realisierung. Ein solcher Einsatz wäre auf die Zustimmung der Regierung in Damaskus angewiesen. Nur so ließe sich derzeit ein Konsens im Sicherheitsrat herstellen. Der wiederum wäre aber die unabdingbare Voraussetzung für ein solches, auch in seiner praktischen Umsetzung heikles Mandat.

Selbst in den USA scheint man derzeit kaum bereit, den Sanktionen und der verbalen Drohkulisse gegenüber Assad militärisch etwas hinzuzufügen. Auch Großbritannien und Frankreich schrecken – anders als im Falle Libyens – vor einer bewaffneten Intervention zurück. Dem Westen scheinen aus vielerlei Gründen die Hände gebunden. Selbst Waffenlieferungen an die Deserteure der Freien Syrischen Armee erscheinen derzeit nicht opportun. Stattdessen ruft im Internet Bin Laden-Nachfolger Ayman al-Zawahiri in typisch islamistisch verquaster Rhetorik zu einer Unterstützung der syrischen Opposition auf.

Al-Kaidas große Chance?

Wenn die internationale Staatengemeinschaft sich auf keinen praktikablen Weg verständigt, wie der brutalen Unterdrückungsmaschinerie Assads Einhalt geboten werden kann, könnten sich Teile der Opposition in Syrien in ihrer Verzweiflung tatsächlich über diese Kanäle Waffen besorgen. Das wäre fatal! Damit würden die Dschihadisten über den syrischen Umweg endlich den Einfluss gewinnen, den sie sich seit dem Beginn der Umbrüche in der arabischen Welt erhofft hatten. Schon jetzt wollen Geheimdienstkreise in einigen der jüngsten Sprengstoffanschläge in Syrien die Handschrift von Al-Kaida-Terroristen erkannt haben. Wenn sich der Aufstand in Syrien aber tatsächlich zu einem Krieg religiöser Fundamentalisten gegen ein säkulares Regime entwickeln sollte, wäre das ein hoher Preis für die Passivität der internationalen Staatengemeinschaft in Syrien.

Die klaren Worte der UN-Menschenrechtsbeauftragten haben von daher Appellcharakter. Russland muss seinem Einfluss auf Baschar al-Assad endlich Geltung verschaffen. Nur wenn Moskau den Druck auf ihn erhöht, indem es ein Ende der eigenen Blockadepolitik signalisiert, kann eine diplomatische Lösung vielleicht doch noch gefunden werden. In das machtpolitische Vakuum eines lang anhaltenden Bürgerkriegs könnten sonst Andere stoßen, die bislang niemand auf seiner Rechnung hatte. Darin liegt die zurzeit vielleicht größte Gefahr.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Thomas Kohlmann