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Überforderte Schlichter?

13. Februar 2012

Die Arabische Liga fordert den Einsatz von Blauhelmsoldaten in Syrien. Aber wie effektiv und sinnvoll sind die Einsätze der UN-Friedenstruppen überhaupt? Eine Bilanz.

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Foto: dpa
Zu schwach für den Frieden? UN Blauhelme auf den GolanhöhenBild: picture-alliance/dpa

Wenn UN-Friedenstruppen ins Feld geschickt werden, dann nicht, um Feindesland zu erobern oder feindliche Truppen zu "eliminieren" - sondern um den Frieden zwischen kriegführenden Parteien zu sichern und Menschenleben zu schützen. Dennoch sind die Blauhelme durch die Tragödien in Somalia (1993), Ruanda (1994) und Srebrenica (1995) in Verruf geraten. Wie steht es also um die Friedenstruppen der Vereinten Nationen: erfüllen sie ihre Verantwortung als globale Friedenssicherer oder ist ihr Mandat gegenüber ruchlosen kriegführenden Milizen einfach zu schwach?

Friedenstruppen vor und nach dem Kalten Krieg

Die UN-Blauhelme sind seit 1948 in den verschiedenen Konfliktregionen in aller Welt im Einsatz, also praktisch seit der Gründung der Vereinten Nationen. Missionen führten sie unter anderem in den Kongo (1960–64), in die Dominikanische Republik (1964–65), nach Indonesien (1962–63), nach Pakistan und Indien (1965–66). Die Blauhelme agierten zudem als Mittler zwischen Israel und Ägypten (1956–67), im Libanon (1958) sowie im Jemen (1963–64). Für ihr Engagement zur Sicherung des Weltfriedens erhielten die UN-Soldaten 1988 sogar den Friedensnobelpreis.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion änderte sich die globale Konfliktkonstellation. Die Blauhelme mussten sich auf eine andere Art der Konfliktlösung einstellen. "Die Friedensmissionen sind wesentlich proaktiver geworden", so Matthias Dembinski vom Hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung. Die Friedensmissionen greifen stärker in die soziale und politische Struktur des Ziellandes ein. "Und sie sind umfassender geworden", so der Politologe.

"Es fängt an mit präventiven Operationen, man versucht also, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen", so Dembinski. Die Friedensmissionen leisteten außerdem Wiederaufbau, Versöhnungsmaßnahmen sowie die Eingliederung von Kämpfern in die Zivilgesellschaft nach dem Ende von Kampfhandlungen.

Schwierige Evaluation

Wie erfolgreich der Einsatz der Blauhelme ist, sei schwer zu ermitteln, so Dembinski. In einer komplexen Konfliktsituation könne man nie mit absoluter Bestimmtheit behaupten, dass die Befriedung ausschließlich den UN-Blauhelmen zu verdanken wäre.

Im Fall der Friedensmission im Libanon aber gebe es eine Reihe von Beobachtern, die ihr eine erfolgreiche Arbeit bescheinigten. "Nach dem Libanon-Krieg 2006 wurde die Mission von 1978 erneuert und mit einem robusteren Mandat ausgestattet. Seitdem herrscht dort Frieden."

Erfolg in Sierra Leone

Auch die Mission in Sierra Leone stufen zahlreiche Beobachter als erfolgreich ein. Mit dem Einsatz, der von 1999–2005 durchgeführt wurde, sollte der blutige Bürgerkrieg beendet werden, der das Land seit 1991 verwüstete.

Neben den militärischen Handlungen wurde eine Reihe von zivilen Maßnahmen umgesetzt, so zum Beispiel die Einsetzung des Sondergerichtshof für Sierra Leone zur Aburteilung von Kriegsverbrechern und einer "Wahrheitskommission" nach südafrikanischem Vorbild, um Täter und Opfer zu versöhnen. Die Friedensmission baute Schulen und errichtete Krankenhäuser. Zudem wurden die Bürger des Landes mit Bildungsinitiativen über ihre Menschenrechte informiert.

Darüber hinaus wurde mit anderen UN-Organisationen die Wirtschaft des Landes reformiert, um den entwaffneten Milizionären zügig Alternativen mit Beruf und Einkommen bieten zu können.

Dass die damals von Tony Blair mit Nachdruck betriebene Aktion in Sierra Leone von den Betroffenen als erfolgreich gewertet wurde, zeigt die Tatsache, dass viele Eltern ihre Söhne aus Dankbarkeit auf den Namen des britischen Premierministers tauften.

Die dunklen Kapitel

Im Gegensatz zu dem geglückten Einsatz in Westafrika haben die gescheiterten Einsätze der Blauhelme wohl größere Schlagzeilen gemacht. So gelang es den UN-Friedenstruppen 1993 nicht, die Bevölkerung in Somalia vor der Hungersnot und dem Bürgerkrieg zu schützen. Das Versagen in Somalia führte überdies zu einer weiteren Katastrophe: dem Völkermord in Ruanda im folgenden Jahr.

Nachdem in Somalia 18 US-Soldaten getötet worden waren und die Bilder der Schändung ihrer Leichen weltweit in den Medien zirkulierten, war die Bereitschaft der USA geschwunden, in Zentralafrika eine weitere humanitäre Mission zu starten. Die Erfolgsaussichten stufte man als gering ein. Außerdem galt Ruanda als Land ohne strategischen Wert.

Doch nicht nur die Amerikaner wollten sich aus Ruanda raushalten. Auch die Franzosen torpedierten die Mission, behaupten Kritiker. Paris unterhielt seit der Hutu-Revolution enge Kontakte zur Regierung und betrachtete Ruanda als Teil des eigenen Einflussbereichs in Afrika. Man wollte die Verbündeten nicht verprellen und ließ sie gewähren, so die Anschuldigungen.

Nachdem zehn belgische Soldaten der friedenserhaltenden UN-Mission für Ruanda getötet worden waren, wurde das UN-Truppenkontingent bei Ausbruch der Gewalt nicht gestärkt, sondern verkleinert. Bei den folgenden Gewalttaten wurden 800.000 bis 1.000.000 Menschen ermordet.

Das Massaker von Srebrenica

Der nächste Tiefschlag für die UN-Friedensmission folgte erneut ein Jahr später, während des Bosnienkrieges. Obwohl eine niederländische UN-Einheit vor Ort war, konnte das Massaker von Srebrenica nicht verhindert werden. Im Juli 1995 töteten Einheiten der serbischen Armee rund 8.000 muslimische Bosnier. Der Kommandant der UN-Blauhelme Thomas Karremanns erklärte zu seiner Verteidigung, er habe mehrfach die Hilfe von NATO-Einheiten angefordert, doch die Unterstützung blieb aus.

Von bosnischer Seite wird der Vorwurf erhoben, die UN-Blauhelme hätten die serbischen Truppen bewusst gewähren lassen. Sogar eine Anklage wegen Beihilfe zum Völkermord wurde erstattet. Die Vorgänge sind bis heute nicht vollständig aufgeklärt.

Prespektiven in Syrien

Trotz der schwierigen und gemischten Bilanz der Blauhelmeinsätze hat eine Studie des renommierten US-amerikanischen Think-Tanks „RAND Corporation“ ergeben, dass zwei von drei Friedensmissionen erfolgreich verlaufen sind. Und so möchte auch Matthias Dembinski den von der Arabischen Liga geforderten Einsatz der Blauhelme in Syrien nicht kategorisch ausschließen: "Die Lage ist so in Bewegung, dass sich die Ausgangsituation für einen Einsatz schnell ändern kann."

Wenn es einen wie auch immer gearteten Friedensschluss der Opposition mit der Regierung geben sollte, so der Experte, müsse die Frage nach der Überwachung dieses Friedens gelöst werden. Ob die Arabische Liga dazu in der Lage wäre, bezweifelt Dembinski. "Insofern könnten die UN-Blauhelme für Syrien eine Option sein, auf die am Ende keiner verzichten will."

Autor: Lewis Gropp
Redaktion: Ralf Bosen / Daphne Grathwohl

Explosion in Aleppo am 12. Januar 2012. Foto: REUTERS/
Experte Dembinski: UN-Blauhelme eine Option für SyrienBild: Reuters
Der Screenshot vom niederländischen Fernsehen zeigt holländische UN-Soldaten in Potocari vor Hunderten von moslemischen Zivilisten, die aus dem nahegelegenen Srebrenica geflüchtet sind (Archivfoto vom 11.07.1995). Foto: dpa
Niederländische Soldaten waren nicht in der Lage, das Massaker von Srebrenica zu verhindern.Bild: picture-alliance/dpa
Blauhelm in einer Pro-UN-Demonstration in Freetown, Sierra Leone, 8. Mai 2000. Foto: AP
Krankenhäuser, Schulen, Wirtschaftsreformen: Die Friedensmissionen in Sierra LeoneBild: AP
UN-Soldat in Naqoura, Libanon, 23. August 2006. Foto: AP
Erfolgreiche Mission: Ghanaischer UN-Blauhelm im LibanonBild: AP