Deutlich mehr zivile Opfer
9. Juli 2014Die Zahl der in Afghanistan getöteten oder verletzten Zivilisten ist nach Angaben der Vereinten Nationen im ersten Halbjahr 2014 drastisch gestiegen. Von Januar bis Juni seien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 24 Prozent mehr zivile Opfer gezählt worden, teilte die UN-Mission in Afghanistan (Unama) mit. Demnach wurden von Anfang Januar bis Ende Juni 1564 Zivilisten getötet. Das entspreche einer Zunahme um mehr als 17 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013. Die Zahl der verletzten Zivilisten stieg dem Bericht nach um 28 Prozent auf 3289.
Überproportional angestiegen ist die Zahl der getöteten Kinder und Frauen. So seien im Berichtszeitraum 295 Kinder getötet werden, 64 oder 27,8 Prozent mehr als 2013. Die Zahl der verletzten Kinder stieg noch drastischer, nämlich um fast 47 Prozent. Bei den Frauen verzeichnete Unama einen Anstieg der Todesopfer um dramatische 40 Prozent, bei den Verletzten ein Plus von gut 21 Prozent.
Bodenkämpfe verheerend für Zivilisten
Für 74 Prozent der zivilen Opfer machte Unama Aufständische wie die Taliban verantwortlich, für acht Prozent afghanische Sicherheitskräfte. Ein Prozent verantworteten demnach ausländische Truppen, der Rest konnte keiner Konfliktpartei zugeordnet werden.
Als Hauptursache für den Anstieg der Opferzahlen unter Zivilisten nannte Unama den Wechsel der Kampftaktik. So seien nicht mehr Sprengfallen oder Selbstmordanschläge der Hauptgrund für zivile Opfer, sondern Bodenkämpfe, bei denen Zivilisten zwischen die Fronten gerieten, sagte de UN-Gesandte für Afghanistan, Jan Kubis. Die Auswirkungen für Zivilisten seien verheerend. So habe sich die Zahl der von Aufständischen getöteten Zivilisten verdoppelt, die der von regierungsfreundlichen Kräften verantworteten zivilen Opfer habe sich dagegen in etwa halbiert.
Mehr Geld für zivile Projekte
Die neue Zahlen unterstreichen die schwierige Sicherheitslage in Afghanistan kurz vor Ende des internationale Kampfeinsatzes. Die USA und ihre NATO-Verbündeten wollen bis Ende des Jahres alle Kampftruppen aus dem Land abziehen.
Der deutsche Entwicklungsminister Gert Müller bedauerte in einem Interview der "Leipziger Volkszeitung", dass immer wieder zu viel Geld für militärische Kriseneingriffe aufgewendet werde, aber zu wenig Mittel in die zivile Stabilisierung fließe. "Man muss die Investitionen immer vom Ende her denken", so der Minister.
Es geht auch ohne Bundeswehr
Nach Auffassung des für Afghanistan zuständigen Landesdirektors der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Peter Palesch, ist die zivile Zusammenarbeit nicht an die Anwesenheit der Bundeswehr gebunden. Das zeigten die gut laufenden Entwicklungsprojekte in den Nordprovinzen Faizabad und Kundus, sagte Palesch im selben Blatt. Im Norden arbeite man jetzt schon in vielen Gebieten, in denen keine internationalen Truppen mehr stationiert seien.
"Für uns das Wichtigste ist die Akzeptanz der Bevölkerung. Das ist unser bestes Sicherheitskonzept", so der GIZ-Koordinator. Den Medien in Deutschland hielt er vor, sie verbreiteten gerne negative Nachrichten aus Afghanistan. "In unserer praktischen Arbeit stellen wir dagegen fest, dass trotz der schwierigen Grundstimmung, die es gibt, sehr gute Wirkungen erzielen können", so Palesch weiter. Die einheimische Bevölkerung sei an der deutschen Zusammenarbeit weiterhin sehr interessiert. "Wäre es anders, könnten wir in schwierigen Sicherheitslagen gar nicht weiter arbeiten", sagte Palesch.
gmf/SC (afp, dpa, kna)