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Umstrittenes neues Strafrecht in Bulgarien

Alexander Andreev15. Januar 2014

Bulgariens Entwurf für ein neues Strafrecht wird von Menschenrechtlern und Nichtregierungsorganisationen heftig kritisiert. Sie vergleichen ihn mit Gesetzen, die Wladimir Putin in Russland durchgesetzt hat.

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Regierungsgebäude in Sofia (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/ZB

Der Entwurf für ein neues Strafgesetz sorgt in Bulgarien für viel Aufregung: Zum Beispiel beinhaltet er eine restriktive Regelung zum Fotografieren von öffentlichen Personen. Darauf reagieren bulgarische Medien besonders gereizt. Menschenrechtler sind über einen Paragrafen empört, der besagt: "Ein bulgarischer Staatsbürger, der sich einem fremden Staat oder einer fremden Organisation oder einer Organisation, die unter fremder Kontrolle steht, dienlich macht und mit seinen Handlungen der Republik Schaden zufügt, wird mit einer Haftstrafe von zwei bis acht Jahren bestraft.“

Willkürliche Auslegung

Vorgesehen sei "eine harte Bestrafung auf einer willkürlichen Rechtsbasis", sagt Krassimir Kanev, Vorsitzender des Bulgarischen Helsinki-Komitees, einer internationalen Nichtregierungsorganisation, die sich für Menschenrechte einsetzt und in vielen europäischen Ländern präsent ist. "In dem Entwurf bleiben die Begriffe ohne Erklärung. Was heißt zum Beispiel 'fremde Organisation' oder 'unter fremder Kontrolle'? Was ist unter 'sich dienlich machen' oder 'der Republik Schaden zufügen' zu verstehen?"

Krassimir Kanev, Helsinki-Komitee Bulgarien (Foto: privat)
Kanev: "Harte Bestrafung auf willkürlicher Rechtsbasis"Bild: BGNES

Der Menschenrechtler glaubt, der Paragraf könnte gerade das Helsinki-Komitee und andere bulgarische Nichtregierungsorganisationen treffen, die zum Beispiel mit Amnesty International oder Reporter ohne Grenzen zusammenarbeiten.

"Meine Mitarbeiter können sich strafbar machen"

Auch Daniel Kaddik, Leiter des Südosteuropa-Projekts der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, ist von dem Paragrafen irritiert: "Der Text klingt für mich absurd. Wie werden die Eckdaten definiert, auf deren Grundlage eine Straftat nachgewiesen werden kann?" Die Friedrich-Naumann-Stiftung arbeite in Bulgarien mit regierungskritischen Nichtregierungsorganisationen zusammen, "die ja gerade deswegen strafbar werden können. Selbst meine Mitarbeiter im Büro in Sofia sind gefährdet, falls dieser Paragraf im Gesetzentwurf bleiben sollte."

Die Regierung gibt nach

Doch dazu kommt es vielleicht doch nicht. Die bulgarische Justizministerin und Vizeregierungschefin Zinaida Zlatanova erklärt im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Die Juristen und die Fachleute können eindeutig bestätigen, dass der Paragraf 305 nur für Kriegszeiten vorgesehen ist". Wenn man den Paragrafen aus dem Zusammenhang nehme, komme man zu falschen Schlussfolgerungen. "Ich kommentiere es ungern. Die Behauptungen allerdings, der Paragraf ziele auf eine bestimmte Nichtregierungsorganisation, finde ich absurd." Trotzdem habe sie veranlasst, den umstrittenen Paragrafen für die Endfassung des Gesetzes umzuformulieren.

Bulgariens Justizministerin Zinaida Zlatanova (Foto: BGNES)
Justizministerin Zlatanova: "Als Regierung die Stimme der Öffentlichkeit hören"Bild: BGNES

"Entwurf erinnert an Gesetz aus dem Land Putins"

Doch allein die Tatsache, dass der Entwurf mit dem umstrittenen Paragrafen vom Rechtsausschuss des bulgarischen Parlaments abgesegnet worden ist, sei problematisch, gibt Krassimir Kanev zu bedenken. Es gebe weltweit keine ähnlichen Gesetze. "Er erinnert nur an ein Gesetz aus dem Land Putins. Dort wurde nämlich eine Pflichtregistrierung der Nichtregierungsorganisationen mit Auslandsfinanzierung als 'Auslandsagenten' eingeführt. Der bulgarische Gesetzentwurf ist aber noch schlimmer - weil er Haftstrafen vorsieht", so Kanev.

Doch Justizministerin Zlatanova sieht die kontroverse öffentliche Diskussion positiv - und sagt, sie habe sie als Ministerin "geradezu provozieren wollen". Es sei beispiellos für Bulgarien, "dass zu einem Gesetzentwurf so viele unterschiedliche Meinungen geäußert worden sind", so Zlatanova im DW-Interview. "Diese Debatte ist ein praktischer Beweis dafür, dass wir als Regierung die Stimme der Öffentlichkeit hören wollen." Außerdem erklärte die Ministerin im Gespräch mit bulgarischen Medien, dass auch der Paragraf über das Fotografieren von öffentlichen Personen umformuliert werden soll.

Das bulgarische Kabinett hat sich am Mittwoch (15.01.2014) mit dem Entwurf beschäftigt und ihn dann zur Abstimmung im Parlament freigegeben. Der bulgarische Präsident Rosen Plevneliev, der ursprünglich aus den Reihen der heutigen Opposition kommt, hat bislang die Frage offen gelassen, ob er ein Veto einlegen würde.