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Umstritten: American Sniper

Jochen Kürten26. Februar 2015

Der Film spaltet das Publikum: Clint Eastwoods "American Sniper" über einen US-Scharfschützen im Irak-Krieg hat in den USA eine heftige Debatte ausgelöst. Nun startet der Film in den deutschen Kinos.

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American Sniper Filmszene (Foto: Warner Bros)
Bild: Courtesy of Warner Bros. Pictures

Für die einen erzählt "American Sniper" die Geschichte eines modernen US-Kriegshelden, für die anderen ist der Film die dumme Glorifizierung eines Soldaten mit naiver Weltsicht. Über keinen anderen Hollywood-Film wird derzeit so heftig debattiert wie über das Irak-Drama der amerikanischen Schauspieler- und Regielegende Clint Eastwood. Ab Donnerstag (26.02.2015) ist der Film auch in den deutschen Kinos zu sehen.

"American Sniper" beruht auf den Memoiren des US-Soldaten Chris Kyle, der zwischen 2003 und 2009 insgesamt viermal im Kriegseinsatz im Irak war. In dieser Zeit erschoss er 160 Gegner. Damit wurde der Scharfschütze, der vor allem den Einsatz seiner Kameraden im Häuserkampf mit gezielten Schüssen aus der Entfernung absicherte, zur Legende. Über seine Erfahrungen schrieb Kyle nach seiner Rückkehr ein Buch, das zum Bestseller avancierte. Seine irakischen Gegner bezeichnet er dort als "das schiere, unbeschreiblich Böse“.

Mörder des Kriegshelden verurteilt

Schon seit Wochen führt das Kriegsdrama in den USA die Kinocharts an. Für sechs Oscars war der Film nominiert. Bei der Oscar-Verleihung am vergangenen Sonntag durfte Clint Eastwood aber nur eine der begehrten Trophäen für den Tonschnitt mit nach Hause nehmen. Die Diskussionen um das Kriegsepos gehen unterdessen weiter, denn seit Dienstag (24.2.) sorgt der Schuldspruch im Mordprozess um den berühmten Scharfschützen für Aufsehen.

American Sniper Filmszene (Foto: Warner Bros.)
Bradley Cooper (Mitte) verkörpert im Film den TitelheldenBild: Courtesy of Warner Bros. Pictures/Keith Bernstein

Vor zwei Jahren wurde Chris Kyle in seiner texanischen Heimat selbst erschossen – von einem US-Veteranen, der ebenfalls im Irak gedient hatte und der an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt. Ein Gericht in Texas sah es als erwiesen an, dass der 27 Jahre alte Angeklagte das einstige Mitglied der "Navy-Seals"-Eliteeinheit und dessen Freund im Februar 2013 kaltblütig ermordet hatte.

Kritische Rezeption in Deutschland

In den USA ist um dem Film ein regelrechter "Kulturkampf" entbrannt. Auf der einen Seite verteidigen konservative Politiker wie Sarah Palin und Newt Gingrich Eastwoods Film, bezeichnen ihn als modernes Heldenepos amerikanischer Prägung. Kritische Linke wie der Filmemacher Michael Moore oder auch Regisseur Seth Rogan ("The Interview") halten dagegen und argumentieren, die Geschichte des Scharfschützen Kyle sei alles andere als eine Heldenstory, der Hype um "American Sniper" ähnele Nazi-Propaganda.

Die Reaktionen aus Deutschland vor dem Filmstart lassen vermuten, dass ein Großteil der Kritik eher dem liberalen Lager in den USA zustimmen wird. So urteilte der US-Korrespondent der Fachzeitschrift "Film-Dienst", Clint Eastwoods Drama sei eine technisch perfekte, aber einseitig orientierte und repetitive Biografie des 'tödlichsten Scharfschützen der amerikanischen Kriegsgeschichte'. "Der Spiegel" bezeichnet die literarische Vorlage des Films als "Buch, das die Lust am Töten feiert." Und die "Süddeutsche Zeitung" bilanziert: "Die Debatte über Amerikas Krieg gegen den Terror schrumpft zu einer zwar banalen, aber für jedermann nachvollziehbaren Frage: Was ist wichtiger? Job oder Familie?"

Der Sniper mit Filmpartnerin (Foto: Warner Bros.)
Der Sniper hat auch eine weiche SeiteBild: Courtesy of Warner Bros. Pictures/Keith Bernstein

Beschäftigung mit Gewalt im Kino

Der Streit über den neuen Clint-Eastwood-Film lässt sich besser verstehen, wenn man das frühere Werk des inzwischen 84-jährigen Schauspielers sowie die exzessive Beschäftigung des US-Kinos mit dem Thema Gewalt unter die Lupe nimmt. Eastwood, bekennender Republikaner, hat sich als Darsteller wie auch als Regisseur seit jeher mit Gewalt in Gesellschaft und Krieg auseinandergesetzt.

Berühmt wurde er in den 1960er Jahren als Darsteller der Sergio Leone-Western "Für eine Handvoll Dollar" und "Zwei glorreiche Halunken". Mit der Rolle des eiskalten Pistolenschützen Joe legte er die Basis für seinen heutigen Kultstatus.

Arbeiten am Western-Mythos

"In den USA gibt es den nationalen Mythos der 'Frontier', also der Grenze zum Westen, die lange Zeit über verschoben wurde, wobei zum Teil Gewalt angewendet wurde", sagt Sven Kramer, der sich vor kurzem in dem Buch "Transformationen der Gewalt im Film" mit dem Phänomen auseinandergesetzt hat: "Die damit verbundenen Bilder des auf sich selbst gestellten Mannes, der sich in einer feindlichen Umwelt behauptet, gehört zum Grundbestand der US-Bilderwelten."

In "Dirty Harry" machte Eastwood 1971 selbst Jagd auf einen Sniper, als zynischer und rücksichtsloser, gleichwohl höchst effektiver Cop. In späteren Filmen wie "Pale Rider", "Unforgiven" oder "Gran Torino" spielt Eastwood gebrochenere Protagonisten: facetteneiche Charaktere, die ihm auch jenseits des konservativen und actionorientierten Publikums Bewunderung einbrachten.

Clint Eastwood (Foto: AP)
US-Star Eastwood gibt sich auch als Regisseur gern patriotischBild: AP

Manche Themen bleiben ausgespart

Auch in "American Sniper" treten diese beiden Seiten Eastwoods zutage. So zeigt der Regisseur den engstirnigen und rachsüchtigen Soldaten Kyle, verschweigt aber nicht, dass die aus dem Irak zurückkehrenden Soldaten psychisch schwer angeschlagen sind.

Diese beiden Seiten aufzuzeigen, das macht den Film diskussionswürdig. So ist auch zu erklären, dass es in den USA zwei Lesarten des Films gibt: die eines tumben Kriegsfilms, der Gewalt und Rache propagiert ebenso wie die eines Antikriegsfilms, der vor den Spätfolgen eines Krieges für den einzelnen Soldaten warnt. Was Clint Eastwood allerdings nicht in Frage stellt, ist die Überlegung, ob der Einsatz der USA in Ländern wie dem Irak überhaupt zu rechtfertigen ist. Und noch ein anderes großes Thema wird in "American Sniper" zwar behandelt, aber nicht kritisch hinterfragt: der exzessive Umgang der US-Amerikaner mit Schusswaffen.

"American Sniper" von Chris Kyle ist in Deutschland beim Verlag "riva" soeben als Taschenbuch erschienen. Das Buch von Sven Kramer "Transformationen der Gewalt im Film" kam 2014 beim Verlag "Bertz + Fischer" heraus.