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Ukraine: Wende oder Putins Manöver?

Roman Goncharenko7. Mai 2014

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Separatisten im Osten der Ukraine dazu aufgerufen, ihr für den 11. Mai geplantes Referendum zu verschieben. Die Regierung in Kiew reagierte zunächst zurückhaltend.

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Wladimir Putin (Foto: ALEXEY NIKOLSKY/AFP/Getty Images)
Bild: Alexey Nikolsky/AFP/Getty Images

Es klingt nach einer Sensation. Russlands Präsident Wladimir Putin rief die prorussischen Separatisten in der Ostukraine auf, ihr für den 11. Mai geplantes Abspaltungsreferendum zu verschieben. Das teilte der Kremlchef auf einer Pressekonferenz mit dem Vorsitzenden der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Didier Burkhalter, am Mittwoch (07.05.2014) in Moskau mit. Als Bedingung dafür nannte Putin ein Ende des Militäreinsatzes der Kiewer Regierung gegen die Separatisten. Außerdem forderte Putin beide Seiten zu einem Dialog auf.

Die Führung der selbst ernannten "Donezker Volksrepublik" reagierte prompt. Eine Verschiebung des Referendums wäre möglich, zitierte die russische Nachrichtenagentur "Interfax" einen Vertreter der Separatisten. Eine Entscheidung solle am Donnerstag (08.05.2014) fallen.

Separatisten: 11. Mai nicht zu halten

Putins überraschende Bitte kam wenige Stunden nach dem der ukrainische Geheimdienst SBU ein mitgeschnittenes Telefonat zwischen Dmitri Bojzow, einem Separatistenvertreter, und dem Anführer der rechtsextremen Bewegung "Russische nationale Einheit" in Moskau, Alexander Barkaschow, veröffentlicht hatte. "Ich sage das Referendum am 11. Mai ab, das schaffen wir nicht", erklärt darin Bojzow. Der Grund sei die ukrainische Armee, die den prorussischen Kräften in Donezk zahlenmäßig überlegen sei.

Kiew geht seit Wochen gegen bewaffnete prorussische Aktivisten im Osten vor. Die Stadt Slowjansk, die als Hochburg der Separatisten gilt, ist seit Tagen von der ukrainischen Armee und Spezialeinheiten der Polizei eingekreist.

Ukrainische Truppen in Slowjansk (Foto: REUTERS/Baz Ratner)
Ukrainische Truppen haben Slowjansk eingekreistBild: Reuters

Jazenjuk über Putins Vorschlag: "heiße Luft"

Die ukrainische Übergangsregierung reagierte zurückhaltend auf Putins jüngste Vorschläge. Der Regierungschef Arsenij Jazenjuk sprach von "heißer Luft". "Es war kein Referendum in der Ukraine am 11. Mai geplant", sagte Jazenjuk nach einer Regierungssitzung im ostukrainischen Charkiw.

Am gleichen Tag wurde jedoch überraschend der Separatistenanführer Pawlo Hubarew gegen drei Polizisten ausgetauscht. Der selbst ernannte "Volksgouverneur von Donezk" Hubarew saß seit Anfang März in Untersuchungshaft.

Kiew betrachtet das angekündigte Abspaltungsreferendum in den ostukrainischen Gebieten Donezk und Luhansk als illegal. Die Gesetzgebung sehe nur die Möglichkeit vor, ein Referendum im ganzen Land und keine regionale Abstimmung durchzuführen, so die Haltung der Regierung.

Der ukrainische Interimspräsident Olexander Turtschinow räumte vor kurzem ein, die Kontrolle über große Teile dieser Provinzen verloren zu haben. Bei dem Referendum soll es um die Unabhängigkeit der beiden Regionen von der Ukraine gehen, teilte der ehemalige Abgeordnete des ukrainischen Parlaments, Oleg Zarjow, im russischen Fernsehen mit. Zarjow sagte, dass auch in anderen Regionen der Ost- und Südukraine ähnliche Abstimmungen stattfinden sollen. Dann solle ein neuer Staat namens "Neurussland" entstehen, so der Politiker.

Kiew unter Zugzwang

Westliche Experten bewerten Putins Äußerungen vorsichtig optimistisch. "Jetzt ist offensichtlich ein Umschwung in Moskau eingetreten", sagte der Deutschen Welle Hans-Henning Schröder, Russland-Experte und bis vor kurzem bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) tätig. Putin gehe auf Forderungen ein, "eine Art runden Tisch für die Gesamtukraine zu machen". Schröder glaubt jedoch, dass es ein taktischer Schritt Moskaus sei, das offenbar weiterhin die Kontrolle über die Lage in der Ukraine behalten wolle. Ob es nun zu einer Deeskalation komme, hänge von der Reaktion der Kiewer Regierung ab.

Gerhard Mangott
Mangott: Putin setzt Kiew unter ZugzwangBild: Celia di Pauli

Ähnlich äußerte sich Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck in Österreich. Putin zeige, dass er zu Zugeständnissen bereit sei und setze "die andere Seite unter Zugzwang", so der Experte gegenüber der DW. Hintergrund sei unter anderem der Druck des Westens. "Putin nimmt denjenigen den Wind aus den Segeln, die für die Durchsetzung harter Sanktionen eingetreten sind", glaubt Mangott. Die USA haben in den letzten Tagen Russlands mehrmals mit einer Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gedroht, sollte Moskau nicht zu einer Deeskalation der Lage in der Ukraine beitragen.