Ukraine: Leben zwischen den Fronten
Unter nächtlichem Geschützfeuer leben Tausende älterer und verarmter Zivilisten in der "Grauen Zone" der Ukraine zwischen den Fronten. Diego Cupolo berichtet aus Donezk.
Gefangen im Kriegsgebiet
Täglich kurz vor Sonnenuntergang beginnt der Beschuss. Die Bewohner an der Front zwischen dem ukrainischen Militär und den Kämpfern der pro-russischen Separatisten sind ihm schutzlos ausgesetzt. Auch Ivan Polansky wohnt in dieser Zone. Immer wieder nimmt er die Schäden an seinem Haus in Augenschein.
Warten auf Schutz
Bewohner von Zhovanka in der sogenannten "Grauen Zone", einem schmalen Streifen zwischen den Fronten, warten auf einen mobilen, einmal wöchentlich erscheinenden Arzt. "Man stellt sich jeden Tag darauf ein, dass eine Rakete dein Haus trifft", sagt Ludmila Studerikove. "Aber man weiß nie, wann sie kommt."
Ohne Strom und Heizung
Das Örtchen Zhovanka war einst Heimat von rund 1000 Menschen. Inzwischen leben nur noch 200 Menschen dort. Seit drei Monaten haben die Bewohner weder Strom noch Gas. "Manchmal habe ich nachts solche Angst, dass ich im Bett zittere", sagt Studerikove. "Aber mein Mann ist an meiner Seite und hält meine Hand."
Ohne Fluchtmöglichkeit
Viele Bewohner harren selbst den Winter über in ihren halb zerstörten Häusern aus, sagt Olexander Voroshkov, Programmkoordinator von SOS Kramatorsk. In den umliegenden Städten seien die Mieten so stark gestiegen, dass sie sich dort keine Wohnung leisten könnten. "Die Mieten in Kramatorsk sind inzwischen ähnlich hoch wie in Kiew. Aber die Löhne sind viel niedriger."
Abhängig von humanitärer Hilfe
Frauen in Zhovanka stellen sich für Medizin und Vitaminpräparate an. Nahrung und humanitäre Güter werden von Hilfsorganisationen in die Stadt gebracht. Wenn die Bewohner den Ort verlassen wollen, müssen sie häufig einen ganzen Tag an den Checkpoints warten. "Wir hatten alles hier", sagt Bewohnerin Vera Sharovarova. "Jetzt haben wir nur noch die Kälte."
Angst vor den Bomben
Vera Anoshyna unterhält sich mit Nachbarinnen in Spartak, einer Stadt nahe der sogenannten "Volksrepublik Donezk". Man könne sich an vieles anpassen, sagt sie. "Wenn man kein Wasser hat, findet man welches. Hat man keinen Strom, findet man eine Lösung. Aber man weiß nie, wo die nächste Bombe fallen wird."
Sechs gebrochene Rippen
Svetlana Zavadenko steht vor ihrem Haus in Spartak. Bei einem Beschuss stürzten die Wände ihres Hauses über ihr ein. Nachbarn gruben sie aus und brachten sie in ein Krankenhaus. Dort diagnostizierte man sechs gebrochene Rippen und einen Leberriss. Sie raucht Zigaretten der Marke "Minsk". Fragt man sie, was sie über den Krieg denkt, lacht sie nur.
"Wir haben die Hoffnung verloren"
Svetlana Zvadenko ist inzwischen genesen. Sie lebt allein, in Gesellschaft einiger Haustiere. Weil sie weder Strom noch Gas hat, bereitet sie ihr Essen auf einem Grill zu. Brennholz holt sie aus einer aufgegebenen Möbelfabrik. "Letzten Winter dachten wir noch, der Krieg höre auf", sagt sie. "Aber inzwischen haben wir die Hoffnung verloren."
Vage Aussicht auf Waffenstillstand
Am Rande von Donezk sind die Bewohner vor Bomben sicher. Trotz vergeblicher Versuche, den Krieg deeskalieren zu lassen, ist nach Verhandlungen in Berlin nun ein neuer Waffenstillstand denkbar. Präsident Petro Poroschenko erklärte, er sei bereit, die Feindseligkeiten in der östlichen Ukraine einzustellen und seine Truppen aus der Region zurückzuziehen.
Zu viele Opfer, um aufzuhören
Auch wenn sich beide Seiten auf einen Waffenstillstand verständigen, müssen sie mit Widerstand ihrer jeweiligen Truppen rechnen. "Wir haben zu viele Soldaten verloren, um jetzt aufzuhören", sagt Vladimir Parkhamovich, Kommandant der 81. Luftbrigade des ukrainischen Heers. "Wenn sie uns den Befehl zum Waffenstillstand geben, werden wir sie als Verräter betrachten."