Ukraine: Krim fest im Visier der ukrainischen Armee?
12. August 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Weitere Angriffe auf die von Russland annektierte Krim
- Die EU schickt der Ukraine Mörsergranaten, Raketen und Panzergeschütze
- US-Experten sehen "bedeutende Fortschritte" der Ukraine
- Das Weiße Haus ist offen für die Ausbildung ukrainischer Piloten
- Kiew arbeitet an Exportrouten für Getreide
An der Brücke von Kertsch zwischen dem russischen Festland und der völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat es abermals Explosionen gegeben. Die russische Luftabwehr habe am Samstagmittag zwei feindliche Raketen abgeschossen, teilte der von Moskau eingesetzte Statthalter der Halbinsel, Sergej Aksjonow, auf Telegram mit. "Die Krim-Brücke ist nicht beschädigt", schrieb er. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Bilder in sozialen Netzwerken zeigten mehrere Rauchsäulen über der für Russland strategisch wichtigen Verbindung aufsteigen.
Russland hatte zuvor gemeldet, es seien 20 ukrainische Drohnen über der Krim zerstört worden. 14 Drohnen seien durch Luftabwehrsysteme zerstört und sechs weitere durch elektronische Kriegsführung ausgeschaltet worden, teilte das russische Verteidigungsministerium im Onlinedienst Telegram mit. Es habe keine Opfer oder Schäden gegeben, hieß es. Nach den ukrainischen Angriffen auf russisch-kontrollierte Brücken zwischen der Schwarzmeer-Halbinsel Krim und dem Gebiet Cherson sehen US-Experten Moskaus Militärtransporte in der Region erschwert.
EU liefert rund 224.000 Artilleriegeschosse
Die EU hat im Rahmen ihres Plans zur Bereitstellung einer Million Artilleriegeschosse - zur Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg - seit März erst 223.800 Geschosse geliefert. Wie EU-Sprecher Peter Stano weiter mitteilte, haben die Mitgliedsstaaten "Panzergeschütze, präzisionsgelenkte Langstreckenmunition, Mörsergranaten und 2300 Raketen aller Art" geschickt.
Die 27 EU-Mitglieder hatten im März vereinbart, der Ukraine mehr Munition zu liefern und sich auf ein Zwei-Milliarden-Euro-Paket aus EU-Mitteln geeinigt. Damit soll der Ukraine aus Lagerbeständen einzelner Staaten und gemeinsamen Bestellungen der EU eine Million Schuss Artilleriemunition innerhalb eines Jahres zur Verfügung gestellt werden.
Mit der aktuellen Lieferung sind die EU-Länder noch weit von ihrem Ziel entfernt. Für den zweiten Teil des Lieferplans verhandelt die EU-Verteidigungsagentur EDA über gemeinsame Beschaffungsverträge mit europäischen Herstellern für 155-mm-Haubitzengranaten und -raketen.
Insgesamt haben Brüssel und die EU-Länder nach eigenen Angaben seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 rund 20 Milliarden Euro für Waffenlieferungen aller Art an die Ukraine ausgegeben.
Ukrainische Fortschritte an Front in Saporischschja?
US-Experten haben der ukrainischen Armee Erfolge bei der Gegenoffensive im Gebiet Saporischschja bescheinigt. Ukrainische Truppen hätten am Freitag "taktisch bedeutende Fortschritte" im Westen Saporischschjas erzielt, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien ISW. Aufnahmen zeigten, dass die Ukrainer die nördlichen Außenbezirke der Siedlung Robotyne erreicht hätten, die rund zehn Kilometer südlich von der Stadt Orichiw liegt. Zugleich war in dem Bericht von verstärkten russischen Angriffen bei Kupjansk im Charkiwer Gebiet die Rede.
Das britische Verteidigungsministerium wiederum berichtete, dass Russland angesichts des ukrainischen Drucks weitere Truppen nach Saporischschja schicke. Die Russen hätten wahrscheinlich Luftlandetruppen aus der Region Cherson in die Gegend um Orichiw verlegt, teilte das Ministerium in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update mit. Möglich sei, dass die Ankunft dieser Truppen letztlich erlaube, Teile zweier Motorschützenregimenter an der Front zur Ruhe und Erholung zurückzuziehen, schrieben die Briten. Die Verlegung schwäche Russland jedoch in der Nähe des Ostufers des Flusses Dnipro, wo es zunehmend von ukrainischen Amphibienangriffen bedrängt werde.
Weißes Haus offen für Ausbildung ukrainischer Piloten an F-16
Die USA sind offen für eine Ausbildung ukrainischer Piloten an F-16-Kampfjets in den Vereinigten Staaten. Wenn in Europa die Kapazität für eine solche Ausbildung erreicht sei, könnten die USA das Training übernehmen, sagt der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby. Washington sei bestrebt, die Ausbildung voranzutreiben. Die Regierung in Kiew fordert von den westlichen Bündnispartnern Kampfjets vom Typ F-16, um sich besser gegen die angreifenden russischen Streitkräfte verteidigen zu können.
Kiew arbeitet an Exportrouten für Getreide
Wegen der Blockade der Schwarzmeerhäfen durch Russland arbeitet die Ukraine nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj intensiv am Ausbau alternativer Exportrouten für Getreide. "Wir tun alles, was möglich ist, damit die Ukraine weiter ein Garant für Ernährungssicherheit ist", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Auch brauche die Bevölkerung der Ukraine Zugang zu den Weltmärkten.
Der Präsident berichtete in Kiew, er habe mit den Chefs von Armee, Geheimdienst und Marine sowie Regierungsvertretern über dieses Thema beraten. Russland war Mitte Juli aus dem Getreideabkommen mit Kiew ausgestiegen und hatte seine Sicherheitsgarantien für ukrainische Getreideausfuhren über das Schwarze Meer zurückgezogen.
Mit Luftangriffen auf Häfen wie Odessa versuchten russische Truppen anschließend, die Infrastruktur für solche Exporte zu zerstören. Auch ukrainische Häfen an der Donau, durch die eine Ausweichroute läuft, wurden angegriffen.
Belarus will Kontakt zu polnischer Regierung aufnehmen
Inmitten wachsender Spannungen zwischen Polen und Belarus hat der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko angekündigt, Kontakt mit Warschau aufnehmen zu wollen. "Wir müssen mit den Polen reden. Ich habe den Ministerpräsidenten angewiesen, sie zu kontaktieren", erklärte Lukaschenko der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge. Beide Länder seien Nachbarn und "man kann sich seine Nachbarn nicht aussuchen", fügte er hinzu.
Am Donnerstag hatte die polnische Regierung mitgeteilt, zur "Abschreckung" tausende zusätzliche Soldaten - insgesamt 10.000 - an die östliche Grenze zu Belarus zu entsenden. Bereits mehrfach hat das NATO-Mitglied Polen vor einer Bedrohung durch belarussische "Provokationen" und vor Gefahren durch die dort inzwischen ansässigen Kämpfer der russischen Privatarmee Wagner gewarnt. Auch beschuldigt Warschau Belarus und Russland, wieder zunehmend Grenzübertritte von Migranten in die Europäische Union zu organisieren, um die Region zu destabilisieren.
Auf Lukaschenkos Vorstoß reagierte Polen entsprechend kühl. Es gebe einen "sehr einfachen Weg" die Beziehungen beider Länder zueinander zu verbessern, sagte der stellvertretende Außenminister Pawel Jablonski. Lukaschenko müsse lediglich "aufhören, unsere Grenze zu attackieren, mehr als eintausend politische Gefangene freilassen" sowie "diese Hasskampagne, diesen hybriden Krieg gegen Polen beenden".
se/ack/pg/cwo/qu/uh (afp, dpa, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.