Ukraine: Biden will Milliarden vom Kongress für Kiew
11. August 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Biden will erneut Milliardensumme vom Kongress für Ukraine
- Bericht: Bundesregierung prüft Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern
- Selenskyj entlässt Chefs von Rekrutierungsbüros
- Angeblicher Drohnenangriff auf Moskau vereitelt
- Ukraine öffnet Korridore im Schwarzen Meer für zivile Schiffe
In Washington haben hochrangige Regierungsbeamte angekündigt, Präsident Joe Biden werde den Kongress um die Bewilligung von insgesamt rund 13 Milliarden US-Dollar (11,8 Milliarden Euro) Militärhilfe für die Ukraine bitten. Mit dem Geld sollen auch die Bestände des Verteidigungsministeriums wieder aufgefüllt werden, aus denen ein Teil der an Kiew gelieferten Ausrüstung stammt. Offen ist, ob ein Teil des Geldes auch in die Unterstützung anderer Länder fließen soll.
Hinzu kommen 7,3 Milliarden US-Dollar (6,6 Milliarden Euro) für wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung für die Ukraine und weitere Länder, die vom Krieg betroffen sind. Zusätzliche Milliardensummen sollen etwa über die Weltbank bereitgestellt werden. Die Vereinigten Staaten gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Die USA haben seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 nach eigenen Angaben allein militärische Hilfe im Umfang von mehr als 43 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt oder zugesagt.
Bericht: Bundesregierung prüft Lieferung von Marschflugkörpern
Derzeit untersucht die Bundesregierung einem Medienbericht zufolge, wie Deutschland die Ukraine in nächster Zeit mit Marschflugkörpern vom Typ Taurus aus Beständen der Bundeswehr versorgen kann. Wie das Magazin "Der Spiegel" berichtet, erörtern Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie diese Frage. Dabei habe Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius den Taurus-Hersteller MBDA aus Bayern gebeten, die Ziel-Programmierung der Marschflugkörper zu limitieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz will demnach durch technische Modifikationen des Taurus ausschließen, dass die Ukraine mit den weitreichenden Waffensystemen Angriffe auf russischem Territorium ausführen kann. In Industriekreisen hieß es, eine solche Einschränkung des Systems sei durchaus möglich, werde aber einige Wochen in Anspruch nehmen. Wie das Magazin weiter schreibt, möchte der Kanzler die Lieferung erst genehmigen, wenn er von der technischen Modifikation überzeugt ist.
Die Bundesregierung mache zudem eine Lieferung von Marschflugkörpern aus deutschen Beständen nicht mehr abhängig von der Waffenhilfe aus den USA, berichtet der "Spiegel". Bisher hieß es in Regierungskreisen, der Kanzler wolle erst Marschflugkörper liefern, wenn die USA der Ukraine weitreichende Raketen vom Typ ATACMS zur Verfügung stellen. Aus der Regierungspartei SPD waren anfangs Warnungen vor einer Eskalation des Konflikts mit Russland laut geworden, sollte das Waffensystem geliefert werden.
Mit Bezug auf den Bericht des "Spiegel" erklärte eine Regierungssprecherin, es gebe keinen neuen Sachstand zum Thema Taurus-Marschflugkörper. "Die Bundesrepublik Deutschland konzentriert sich auf schwere Artillerie, auf gepanzerte Fahrzeuge und auf Luftverteidigungssysteme", hieß es aus Berlin.
Mit ihrer Reichweite von mehr als 500 Kilometern könnten die Taurus-Marschflugkörper von der Ukraine aus auch russisches Staatsgebiet erreichen. Die Regierung in Kiew hat allerdings zugesichert, westliche Waffen nicht für Angriffe auf russisches Gebiet einzusetzen. Großbritannien hatte im Mai als erstes westliches Land die Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow an die Ukraine angekündigt. Frankreich sagte im Juli gleichfalls diesen gemeinsam mit den Briten entwickelten Marschflugkörper zu. Seine Reichweite liegt laut Hersteller bei mehr als 250 Kilometern.
Strack-Zimmermann für Taurus-Marschflugkörper an Ukraine
Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann setzt sich dafür ein, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu überlassen. "Wir haben genug Taurus. Ein guter Teil ist sofort einsatzbereit. Die Ukraine braucht sie dringend. Und es wäre an der Zeit, grünes Licht zu geben", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses dem Fernsehsender Phoenix.
"Ich glaube, das Problem sitzt erneut im Kanzleramt", sagte die FDP-Politikerin über den Koalitionspartner SPD. Dort versuche man, das Thema nicht hochkochen zu lassen. Es sei "sehr ärgerlich, dass wir wieder eine Diskussion führen, die mich sehr an die Diskussion erinnert, Panzer zu liefern."
Sie mahnte, weiteres Warten könne man sich angesichts der Lage in der Ukraine nicht erlauben. "Es ist völkerrechtskonform, wenn die Ukraine weiß, woher sie angegriffen wird, dass dort auch präventiv zugeschlagen werden kann, um Angriffe zu unterbinden." Die Ukraine will von Deutschland Marschflugkörper vom Typ Taurus bekommen, um auch Stellungen der russischen Streitkräfte weit hinter der Frontlinie angreifen zu können.
Selenskyj entlässt Chefs von Rekrutierungsbüros
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angekündigt, dass die Leiter aller regionalen Rekrutierungsbüros entlassen werden. In einer Videoansprache hat er das mit Korruptionsfällen begründet. Nach einer Überprüfung seien 112 Strafverfahren eingeleitet worden.
Vor kurzem ist schon der Chef des Rekrutierungsbüros in der Region Odessa entlassen worden. Er soll Bestechungsgeld angenommen haben, um Männer wehrdienstuntauglich zu schreiben oder von der Einberufung zurückzustellen.
Ukrainische Truppen an vielen Frontabschnitten unter Druck
Die ukrainische Armee sieht sich an etlichen Frontabschnitten im Osten und Süden heftigen Angriffen russischer Truppen ausgesetzt. Das geht aus dem Bericht des Generalstabs in Kiew hervor. Dieser nennt die Frontabschnitte Kupjansk, Lyman, Bachmut, Awdijiwka, Marjinka und Schachtarsk. Die russische Armee begleite die Angriffe mit Artilleriefeuer und Luftangriffen. Es sei aber jeweils gelungen, die Angreifer zu stoppen, hieß es. Die Militärangaben beider Seiten sind unabhängig nicht zu überprüfen.
Der Bericht nannte indes nur zwei Abschnitte, an denen die Ukraine selbst angreife - Richtung Melitopol und Berdjansk im Süden. Dort hofft die ukrainische Armee mit ihrer Gegenoffensive, das Asowsche Meer zu erreichen und die russische Landverbindung zur völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim zu unterbrechen. In der Region haben sich die russischen Truppen aber besonders stark verschanzt. Die ukrainische Offensive läuft seit zwei Monaten, bleibt aber bisher hinter den hohen Erwartungen zurück.
Russland berichtet von vereiteltem Drohnenangriff auf Moskau
Nach Angaben der russischen Behörden ist Moskau erneut Ziel eines Drohnenangriffs geworden. Der Bürgermeister der Stadt, Sergej Sobjanin, schrieb auf Telegram, das Fluggerät sei abgeschossen worden. Trümmerteile seien nordwestlich vom Stadtzentrum niedergegangen. Es habe keine Opfer oder ernsthafte Schäden gegeben. Das Verteidigungsministerium erklärte, eine ukrainische Drohne habe ein Ziel in Moskau ins Visier genommen.
Moskau ist in den vergangenen Wochen immer wieder zum Ziel von Drohnenangriffen geworden, die teilweise bis in die Innenstadt vordrangen und dort Schäden an Gebäuden anrichteten. Hinter den Attacken wird die Ukraine vermutet, die sich in der Regel aber nicht zu derartigen Vorwürfen äußert.
Hyperschallraketen verursachen Schäden in Kiew
Auch aus der ukrainischen Hauptstadt wurden Angriffe aus der Luft gemeldet. Kiew soll den Behörden zufolge am frühen Freitagmorgen mit russischen Hyperschallraketen vom Typ "Kinschal" (Dolch) angegriffen worden sein. Auf dem Gelände eines Kinderkrankenhauses und dem Dach eines Privathauses seien Raketentrümmer gefunden worden, hieß es. In der Millionenstadt waren knapp ein halbes Dutzend Explosionen von Raketen der Flugabwehr zu hören.
Die ukrainische Luftwaffe hatte zuvor bereits mitgeteilt, dass russische Hyperschallraketen abgefeuert worden seien. Der Sprecher der Kiewer Militärverwaltung, Mychailo Schamanow, dankte der Flugabwehr im Fernsehen für den Abschuss dieser Raketen.
Ukraine öffnet Korridore im Schwarzen Meer für zivile Schiffe
Ungeachtet russischer Drohungen hat die Regierung in Kiew von mehreren Schwarzmeerhäfen aus Seewege für zivile Schiffe geöffnet. Es seien "vorübergehende Korridore" für Handelsschiffe gerichtet worden, die ukrainische Häfen "anlaufen und verlassen", teilte die ukrainische Marine mit.
Eine Begleitung durch Kriegsschiffe sei zunächst nicht vorgesehen, sagte ein Marinesprecher. Stattdessen würden die Schiffe mit für jeden sichtbaren Überwachungskameras ausgestattet, um darzulegen, dass sie "keine militärische Bedrohung" darstellten.
Im Juli war Russland aus dem internationalen Getreideabkommen ausgestiegen, das der Ukraine trotz des Krieges den Transport von Getreide über das Schwarze Meer ermöglicht hatte. Seitdem haben Angriffe beider Seiten in der Region zugenommen. Während russische Truppen verstärkt die Hafeninfrastruktur am Schwarzen Meer und an der Donau angriffen, nahm das ukrainische Militär vermehrt die russische Schwarzmeerflotte ins Visier.
Russland hatte nach dem Auslaufen des Abkommens angekündigt, alle Schiffe im Schwarzen Meer mit dem Ziel Ukraine künftig als Schiffe einzustufen, "die potenziell militärische Ladung transportieren". Die Ukraine warnte daraufhin ihrerseits, sie werde ihrerseits alle Schiffe im Schwarzen Meer mit russischen Zielhäfen als potenzielle Militärtransporte betrachten.
Ukrainische Soldaten kehren nach Ausbildung in Großbritannien zurück
In Großbritannien sind in den vergangenen Monaten etwa 900 Marinesoldaten aus der Ukraine ausgebildet worden. Nach einem sechsmonatigen Training kehrten die Soldaten nun bald zurück, meldete die Nachrichtenagentur PA. Nach einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums in London sind darunter auch Freiwillige ohne militärische Erfahrung.
Die Ukraine verteidigt sich seit anderthalb Jahren gegen einen Angriff Russlands. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 wurden nach Angaben von PA in Großbritannien mehr als 20.000 ukrainische Rekruten trainiert.
kle/AR/djo/qu (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.