Ukraine aktuell: USA und Deutschland liefern Kampfpanzer
25. Januar 2023Das Wichtigste in Kürze:
- USA und Deutschland liefern Kampfpanzer in die Ukraine
- Kanzler Scholz erörtert die Entscheidungsfindung im Bundestag
- Russische Botschaft kritisiert die Panzerlieferung scharf
- Melnyk zu Panzerlieferungen: "Sollte nur erster Schritt sein"
- Leopard-Lieferungen nicht ohne Folgen für die Bundeswehr
Die USA, Deutschland und andere westliche Länder wollen die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland mit der Lieferung von Kampfpanzern stärken. US-Präsident Joe Biden kündigte an, 31 Abrams-M1-Panzer an die Ukraine zu schicken und korrigierte damit die bisherige Weigerung seiner Regierung. Bundeskanzler Olaf Scholz wiederum entschied, dass Deutschland zunächst 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard-2-A6 entsendet. Zugleich erteilte die Bundesregierung anderen Staaten wie etwa Polen die Genehmigung zur Lieferung eigener Leopard-Panzer an die Ukraine.
Scholz hatte stets betont, dass er auf ein gemeinsames transatlantisches Vorgehen pocht. Er erklärte, dass es auch künftig dabei bleiben werde und lobte besonders die enge Absprache mit Biden. Vor der US-Ankündigung hatten Biden und Scholz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Rishi Sunak und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni telefoniert. Zuvor war Scholz massiv sowohl von östlichen EU-Staaten als auch von Grünen- und FDP-Politikern kritisiert worden, dass eine deutsche Zusage so lange dauere.
Bundesregierung plant mit zwei Panzer-Bataillonen
Ziel ist es nach Angaben der Bundesregierung, rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern zusammenzustellen - diese umfassen dann je zwischen 35 und 50 Panzern. In einem ersten Schritt werde Deutschland dazu eine Kompanie mit 14 Leopard-2-A6 zur Verfügung stellen. Spanien, Finnland und die Niederlande kündigten an, dass sie sich bei der Leopard-Lieferung mit eigenem Gerät beteiligen wollten. Auch Norwegen will Panzer schicken.
Neben Deutschland verfügen unter anderem Kanada, Portugal und Finnland über modernere Leopard-2-A6, mit denen zusammen ein Bataillon gebildet werden könnte. Großbritannien hat daneben 14 Challenger-Panzer angeboten. Die US-Abrams-Panzer wiederum könnten ein eigenes Bataillon bilden.
Kanzler Scholz verteidigt Vorgehen im Panzerstreit
Im Bundestag verteidigte Scholz die Entscheidung der Bundesregierung, Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine zu schicken. Deutschland handele bei der militärischen Unterstützung der Ukraine nach dem Prinzip, das Notwendige möglich zu machen und gleichzeitig eine Eskalation zu einer Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland zu vermeiden. "Dieses Prinzip werden wir auch weiter beachten."
Scholz wies Vorwürfe zurück, Deutschland habe zu wenig für die militärische Unterstützung der Ukraine getan. "Deutschland wird immer vorne an sein, wenn es darum geht, die Ukraine zu unterstützen", versprach er. Nach seinen Angaben ist Deutschland nach den USA zusammen mit Großbritannien der größte Waffenlieferant für die Ukraine.
Die ersten Leopard-Panzer, die aus Bundeswehrbeständen kommen, könnten nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in etwa drei Monaten in der Ukraine sein. Zu dem Unterstützungspaket zählen auch Ausbildung, Logistik und Munition. Deutschland will bereits in wenigen Tagen mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten am Leopard beginnen.
CDU-Chef Friedrich Merz unterstützt die geplante Panzer-Lieferung an die Ukraine, kritisiert aber die Vorgehensweise der Bundesregierung. "Niemand von uns tut sich leicht mit einer solchen, schwerwiegenden Entscheidung", sagte der Oppositionsführer im Bundestag. Kanzler Scholz habe jedoch "die Öffentlichkeit und die Partner über Wochen und Monate im Unklaren darüber gelassen, warum er denn eine solche Entscheidung in diesem Umfang verzögert".
Selenskyj dankt den USA und Deutschland
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb auf Twitter, die Entscheidung der USA sei "ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Sieg". Zuvor hatte Selenskyj bereits erklärt, er sei dem "Kanzler und all unseren Freunden in Deutschland" sehr dankbar.
Russische Botschaft kritisiert die Entscheidung scharf
Die russische Botschaft in Berlin hat die deutsche Ankündigung zur Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine scharf kritisiert. "Berlins Entscheidung, Kiew Panzer vom Typ Leopard 2 zu liefern, ist äußerst gefährlich, weil sie den Konflikt auf ein neues Level der Konfrontation hebt", sagte Botschafter Sergej Netschajew einer Pressemitteilung zufolge. Die Entscheidung widerspreche den Ankündigungen deutscher Politiker, sich nicht in den Konflikt hineinziehen lassen zu wollen.
Deutschland und seine westlichen Partner seien nicht an einer diplomatischen Lösung des Konflikts interessiert. Vielmehr setze es auf Eskalation, kritisierte Netschajew. Die Bundesrepublik habe damit ihre historische Verantwortung gegenüber Russland aufgegeben.
Positive Reaktionen der Verbündeten
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung. Der Schritt unterstütze die von Frankreich angekündigte Lieferung von Panzern des Typs AMX10-RC, teilte das Präsidialamt mit. Auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zeigte sich erfreut über Deutschlands Entscheidung. "Danke @Bundeskanzler Olaf Scholz", schrieb Morawiecki auf Twitter. Die Lieferung von Leopard-Panzern in die Ukraine sei ein großer Schritt auf dem Weg, Russland zu stoppen.
Der britische Premierminister Rishi Sunak nannte den Entschluss Deutschlands und weiterer Länder zur Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine "die richtige Entscheidung", wie er auf Twitter schrieb.
Ukraine will mehr
Zuvor hatte der ukrainische Vize-Außenminister Andrij Melnyk die bevorstehende deutsche Entscheidung für die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern als historisch gewürdigt. Auch wenn sie mit Verspätung erfolge, sei sie "ohne jeden Zweifel ein wahrer Durchbruch sowie ein "Gamechanger für die Ukraine auf dem Schlachtfeld", sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Das wird in die Geschichte eingehen."
Dass Bundeskanzler Olaf Scholz scheinbar sogar dabei geholfen habe, die USA von der Lieferung ihrer M1-Abrams-Panzer zu überzeugen, sei sogar "ein Panzer-Doppelwumms", sagte Melnyk.
Später ergänzte der ehemalige ukrainische Botschafter in Berlin in einem Fernsehinterview mit RTL/ntv, die angekündigten Panzerlieferungen sollten "nur ein erster Schritt" sein. Deutschland müsse darüber hinaus Tornado- und Eurofighter-Kampfjets, Kriegsschiffe und U-Boote an die Ukraine liefern, forderte Melnyk.
Die FDP-Militärexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann reagierte dagegen skeptisch auf die Forderungen Melnyks und der ukrainischen Regierung, zusätzlich zu den Leopard-Panzern auch moderne Kampfjets zu liefern. "Ich sehe das nicht mit den Flugzeugen, um das direkt zu sagen", sagte Strack-Zimmermann, die grundsätzlich eine vehemente Unterstützerin von Waffenlieferungen an die Ukraine ist. Die Übergabe von Flugzeugen sei mit ganz anderen Herausforderungen und Risiken als die Lieferung von Panzern verbunden, machte sie deutlich. "Wenn ein Panzer unter Umständen nicht richtig bedient wird, dann bleibt er stehen. Bei einem Flugzeug fällt es runter." Außerdem sei es "unwahrscheinlich", eine Luftüberlegenheit zu bekommen.
Leopard-Lieferungen nicht ohne Folgen für die Bundeswehr
Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wird durch die erwartete Lieferung von Leopard-Kampfpanzern aus Deutschland in die Ukraine nach Ansicht des Vorsitzenden des Bundeswehrverbands, André Wüstner, weiter geschwächt. Die Lieferung sei "gut für die Ukraine einerseits, schlecht für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr andererseits", sagte Wüstner am Mittwoch im Zweiten Deutschen Fernsehen.
Man dürfe nicht glauben, dass der Ukraine-Krieg in zwei, drei Monaten vorbei sei- und es werde nicht bei den bereits von Deutschland gelieferten und zugesagten Panzern bleiben. "Wenn wir nicht nur die Ukraine unterstützen wollen, sondern auch selbst wieder verteidigungsfähig sein wollen", müsse die Politik die Industrie stärken, damit das nötige Gerät in den kommenden Jahren verfügbar sei, forderte Wüstner. "In den letzten Monaten wurde zum Ausdruck gebracht, dass wir nur noch bedingt abwehrbereit sind - wenn überhaupt", sagte Wüstner. Die Politik trage nicht nur Verantwortung bei der Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg, sondern auch bei der Landes- und Bündnisverteidigung, sagte er.
"Entlassungen im Korruptionsskandals sind notwendig"
Die Entlassung hochrangiger ukrainischer Regierungsvertreter im Zuge eines mutmaßlichen Korruptionsskandals in der Armee hat Präsident Wolodymyr Selenskyj als "notwendig" verteidigt. "Wir brauchen einen starken Staat", sagte er in seiner täglichen Videoansprache. Die Entlassungen seien "notwendig für unsere Verteidigung - und es hilft unserer Annäherung an die europäischen Institutionen".
"Alle internen Probleme, welche die Stärkung des Staates verhindern, werden gerade geregelt - und sie werden auch künftig geregelt", sagte der Präsident weiter. Am Dienstag waren infolge eines mutmaßlichen Korruptionsskandals in der ukrainischen Armee mehrere Vize-Minister, Gouverneure und hochrangige Beamte zurückgetreten oder entlassen worden.
An diesem Mittwoch wurde bekannt, dass ein weiterer ranghoher Beamter aus dem Verteidigungsministerium seinen Posten räumen musste. Wie die Chefin des Ausschusses für Korruptionsbekämpfung im ukrainischen Parlament, Anastassija Radina, per Facebook mitteilte, wurde Bohdan Chemlnyzkyj, Direktor der Einkaufsabteilung im Verteidigungsministerium, entlassen. Zuvor war schon Vizeverteidigungsminister Wjatscheslaw Schapowalow wegen der Affäre zurückgetreten.
Ukrainische Armee zieht sich aus Soledar zurück
Die ukrainische Armee hat sich nach eigenen Angaben aus dem heftig umkämpften Ort Soledar im Osten der Ukraine zurückgezogen. Nach "Monaten schwieriger Kämpfe" hätten die ukrainischen Truppen die Kleinstadt verlassen und sich auf andere Positionen zurückgezogen, sagte Militärsprecher Sergij Tscherewaty der Nachrichtenagentur AFP. Ein Datum des Abzugs nannte er nicht.
Moskau hatte bereits am 13. Januar die Einnahme von Soledar verkündet, die Ukraine hatte das jedoch dementiert. Mit der Eroberung von Soledar beanspruchen die russischen Streitkräfte nach mehreren Rückschlägen in den vergangenen Monaten einen ersten nennenswerten Sieg für sich.
Soledar liegt etwa 15 Kilometer nordöstlich der Stadt Bachmut, welche die russische Armee und die Söldnertruppe Wagner seit Monaten einzunehmen versuchen.
Schweizer Abgeordnete wollen Waffenweitergabe an Kiew ermöglichen
Eine Parlamentskommission in Bern will es anderen Ländern künftig ermöglichen, Waffen aus der Schweiz an die Ukraine weiterzugeben. Unter Berufung auf ihre strikte Neutralität hat sich die Schweiz bisher geweigert, Ländern die Lieferung von Schweizer Waffen aus ihrem Besitz an die Ukraine zu erlauben.
Mit 14 zu 11 Stimmen beschloss die Kommission nun eine Initiative, wonach die Schweiz auf die sogenannte Nichtwiederausfuhr-Erklärung verzichten soll, wenn die Wiederausfuhr des Kriegsmaterials in die Ukraine im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erfolgt. Geht es nach der Kommission, soll die Gesetzesänderung rasch in Kraft treten und bis Ende 2025 befristet sein.
Zwei in der Ukraine vermisste Briten sind tot
Bei einem Hilfseinsatz in der Ukraine sind nach Angaben der Familien zwei britische Staatsangehörige ums Leben gekommen. Die beiden Männer im Alter von 28 und 48 Jahren wurden seit mehr als zwei Wochen vermisst. Sie waren als zivile Hilfskräfte ins Kriegsgebiet gereist und wurden beim Versuch einer Evakuierung aus der Stadt Soledar getötet.
Nach Angaben der Eltern wurde das Auto der Männer von Artillerie getroffen, als sie eine ältere Frau in Sicherheit bringen wollten. Vor rund zwei Wochen hatte die russische Söldnergruppe Wagner behauptet, die Leiche eines vermissten Briten samt Ausweis sowie die Dokumente eines zweiten britischen Staatsbürgers gefunden zu haben.
nob/sti/as/mak/rb/cw (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.