Aktuell: Putin und Macron telefonieren zum AKW
11. September 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Putin und Macron telefonieren zum AKW von Saporischschja
- Atomkraftwerk Saporischschja komplett vom Netz
- Ukrainische Gegenoffensive sorgt für neuen Frontverlauf
- Russland zieht Truppen aus Region Charkiw zurück
- Kuleba fordert bei Baerbocks Kiew-Besuch mehr schwere Waffen
Russlands Präsident Wladimir Putin und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben zur kritischen Lage am von Russland besetzten ukrainischen AKW Saporischschja telefoniert. Dabei wiesen sich die beiden Politiker gegenseitig die Schuld für das Sicherheitsrisiko zu, wie aus Mitteilungen des Kremls und des Elysee-Palasts hervorgeht.
Putin forderte demnach, dass auf die Ukraine eingewirkt werde, damit diese ihre Angriffe auf die Anlage stoppe. Macron verlangte, das Putin die Waffen von der Anlage abziehe und sich an die Empfehlungen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA halte, um die Sicherheit zu garantieren.
Betrieb des Kernkraftwerks wurde eingestellt
Laut Enerhoatom, dem Betreiber des Kernkraftwerkes, arbeitete die Anlage in den letzten drei Tagen bereits im "Inselbetrieb", das heißt, es produzierte nur noch Strom zur Eigenversorgung, weil alle Verbindungslinien zum ukrainischen Stromnetz durch den Beschuss unterbrochen worden waren. Am Samstagabend sei zunächst eine Leitung zum Stromnetz wieder hergestellt worden. Daraufhin sei entschieden worden, das AKW über diese Leitung zu versorgen und den letzten funktionierenden Reaktorblock abzuschalten und auf den sicheren Kaltzustand herunterzukühlen.
Rings um das größte AKW in Europa kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen ukrainischen und russischen Truppen.
Eine Sondermission der Internationalen Atombehörde IAEA sollte die Sicherheit der Anlage gewährleisten. Die Delegation unter Leitung von IAEA-Chef Rafael Grossi konnte Anfang September das AKW besuchen. Der Großteil der Experten reiste jedoch noch am gleichen Tag wieder ab, nur zwei IAEA-Mitarbeiter verblieben vor Ort. Der Beschuss des Kernkraftwerks setzte sich anschließend fort. Die Atombehörde nannte das Unfallrisiko in seinem Untersuchungsbericht "signifikant" und forderte zuletzt, eine Schutzzone um das Kraftwerk zu errichten.
Selenskyj lobt Gegenoffensive
Im Rahmen ihrer Gegenoffensive im Nordosten des Landes hat die ukrainische Armee laut Präsident Wolodymyr Selenskyj in den vergangenen zehn Tagen rund 3000 Quadratkilometer in bislang von Russland besetzten Gebieten zurückerobert. In seiner abendlichen Videoansprache dankte Selenskyj allen Soldaten, die an Rückeroberungen in der Region Charkiw beteiligt waren.
"In den vergangenen Tagen hat uns die russische Armee ihre beste Seite gezeigt - ihre Rückseite", sagte Selenskyj. Es sei "eine gute Wahl für sie, zu fliehen".
Moskau nennt Rückzug "Umgruppierung"
Der ukrainische Vorstoß hat Russland offenbar überrascht und zwingt die Streitkräfte zum Rückzug. Das Verteidigungsministerium in Moskau gab den Abzug aus strategisch wichtigen Städten bekannt. Soldaten sollten in der Region Charkiw etwa aus Isjum abgezogen werden. Offiziell wurde das mit einer "Umgruppierung" von Einheiten begründet.
Zum Teilrückzug der eigenen Truppen im Osten der Ukraine äußerte sich Russlands Präsident Wladimir Putin, nach dessen Lesart der Ukraineeinsatz kein Krieg, sondern eine "Spezialoperation" ist, bislang nicht - stattdessen weihte er in der Hauptstadt Moskau ein Kampfsportzentrum und ein Riesenrad ein. In einem von Staatsmedien veröffentlichten Video ist zu sehen, wie Putin gemeinsam mit Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin im Sportkomplex Luschniki steht und mit jungen Sportlern scherzt. Zur Eröffnung des Riesenrads ließ er sich per Videoübertragung zuschalten.
Anfang September hatte die ukrainische Armee eine großangelegte Gegenoffensive im Süden des Landes angekündigt, um dann in den vergangenen Tagen überraschend die russischen Linien im Nordosten des Landes in der Region Charkiw zu durchbrechen. Bis Freitag eroberten die ukrainischen Truppen laut Selenskyj rund 30 Städte und Dörfer in der Region zurück. Am Samstag meldete die Ukraine zudem die Rückeroberung der als Nachschubbasis für die russischen Truppen wichtigen Stadt Kupjansk.
Kuleba drängt Deutschland zur Lieferung von Kampfpanzern
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fordert im Kampf gegen Russland mehr Waffen aus dem Westen. Die Gegenoffensive habe gezeigt, dass die Ukraine die Streitkräfte aus Moskau besiegen könne, sagt Kuleba bei einer Pressekonferenz mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Kiew. Die ukrainischen Streitkräfte hätten bewiesen, dass sie in der Lage seien, die russische Armee zu schlagen. Je mehr Waffen die Ukraine erhalte, desto schneller werde sie gewinnen und der Krieg enden.
Konkret drängt Kuleba auf die Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer. Baerbock sicherte der Ukraine weitere militärische Hilfe zu. Konkret nannte sie Mehrfachraketenwerfer, Panzerhaubitzen und Flakpanzer vom Typ Gepard. Auf die von Kuleba angesprochenen Kampfpanzer des Typs Leopard 2 ging Baerbock nicht direkt ein.
Kiew könnte Polen Kraftwerkskohle liefern
Die Ukraine erwägt, Polen 100.000 Tonnen Kraftwerkskohle zu liefern, damit das Nachbarland durch den Winter kommt. Er habe das Kabinett angewiesen, die Möglichkeit eines Exports von Kraftwerkskohle zu prüfen, sagte Präsident Selenskyj. Die Ukraine habe selbst genügend Kohle.
qu/wa/haz/ust (rtr, dpa, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.