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Politik

Aktuell: BKA verfolgt Hinweise auf Kriegsverbrechen

18. Juni 2022

Sowohl zu Tätern als auch zu Verantwortlichen wird ermittelt, so das Bundeskriminalamt. Die ukrainische Armee berichtet von Einbußen bei der Ausrüstung. Kanzler Scholz will mit Putin im Gespräch bleiben. Ein Überblick.

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Ukraine Mariupol Zivilisten Zerstörte Häuser
Zerstörtes Wohngebäude in Mariupol (Archivbild)Bild: Alexei Alexandrov/AP Photo/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Auch in Deutschland wird zu russischen Kriegsverbrechen ermittelt
  • Selenskyj reist an die Front in der Südukraine
  • Die ukrainische Armee verzeichnet hohe Verluste bei der Ausrüstung 
  • Asot-Chemiewerk in Sjewjerodonezk unter schwerem Bombardement

 

Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) hat mehrere Hundert Hinweise auf Kriegsverbrechen von Soldaten der russischen Armee in der Ukraine. "Bisher haben wir eine dreistellige Zahl von Hinweisen erhalten", sagte BKA-Präsident Holger Münch der Zeitung "Welt am Sonntag". Ermittelt werde nicht nur zu Tätern, sondern auch zu den dafür militärisch und politisch Verantwortlichen. Ziel sei es, die für Gräueltaten Verantwortlichen zu identifizieren, ihnen Taten durch die Ermittlungen nachzuweisen und die Täter vor ein Gericht zu stellen, sagte Münch.

Deutschland, Berlin | Vorstellung Jahresbericht zu politisch motivierter Kriminalität
Vorbereitung auf Anklagen: BKA-Chef Holger Münch (Archivbild)Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Damit bereite man sich auf mögliche Anklagen in Deutschland vor - gegen Personen, die mutmaßlich Verantwortung für Kriegsverbrechen in der Ukraine tragen. Nach dem Weltrechtsprinzip können Kriegsverbrecher auch in Deutschland vor Gericht gestellt werden. Münch hofft auf entsprechende Prozesse. Dafür gehe das BKA allen Spuren nach, suche Hinweisgeber und sammele Beweise.

Man nutze unter anderem Material von Geheimdiensten wie dem Bundesnachrichtendienst, so Münch. Der BND hatte etwa Funksprüche russischer Soldaten mitgeschnitten, in denen über Gräueltaten an der Zivilbevölkerung berichtet wurde. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine im Februar sind laut den Vereinten Nationen mehr als 4000 Zivilisten getötet worden. Mindestens 4900 hätten Verletzungen erlitten.

Der ukrainische Präsident Selenskyj besucht Mykolajiw
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Gang durch die zerstörten Straßen von MykolajiwBild: UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/REUTERS

Selenskyj besucht Front in der Südukraine

Erstmals seit Beginn des Kriegs hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Frontlinie in der Südukraine besucht. Nach Angaben des Präsidialbüros inspizierte er ein schwer beschädigtes Gebäude der Regionalverwaltung in Mykolajiw. Die Stadt ist ein wichtiges militärisches Ziel der russischen Truppen. Ihre Einnahme würde den Weg nach Odessa, der wichtigsten ukrainischen Hafenstadt, freimachen.

Mykolajiw liegt zudem unweit der Region Cherson, die gänzlich unter russischer Kontrolle steht. Außerdem besuchte Selenskyj weitere ukrainische Stellungen in der Region sowie in der benachbarten Region Odessa. "Ich möchte Ihnen im Namen des ukrainischen Volkes, im Namen unseres Staates, für Ihre großartige Arbeit, für Ihren heroischen Dienst danken", sagte er zu Soldaten.

Der ukrainische Präsident Selenskyj besucht Mykolajiw
Besuch Selenskyjs im örtlichen KrankenhausBild: UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/REUTERS

Hohe materielle Verluste bei der ukrainischen Armee

Die ukrainische Armee hat nach Angaben eines ranghohen Generals seit Beginn des russischen Angriffskriegs hohe materielle Verluste erlitten. "Bis heute haben wir infolge aktiver Gefechte schätzungsweise 30 bis 40, manchmal bis zu 50 Prozent Verluste bei der Ausrüstung", sagte Brigadegeneral Wolodymyr Karpenko dem US-Magazin "National Defense". "Schätzungsweise 1300 Infanterie-Kampffahrzeuge, 400 Panzer und 700 Artilleriesysteme gingen verloren."

Die Kämpfe in dem Krieg konzentrieren sich derzeit auf die ostukrainische Donbass-Region. Dramatisch ist die Lage vor allem in der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk in der Region Luhansk, wo die russische Armee am Freitag erneut das Asot-Chemiewerk bombardierte. In Bunkern auf dem Fabrikgelände befinden sich nach ukrainischen Angaben mehr als 560 Zivilisten, darunter 38 Kinder.

 

Teile der umkämpften Chemiefabrik "Asot" in Sjewjerodonezk
In Bunkern der umkämpften Chemiefabrik "Asot" in Sjewjerodonezk harren mehr als 560 Zivilisten aus Bild: Unbekannt/GROUPDF/APA/dpa/picture alliance

Der ukrainische Chefunterhändler David Arachamija will erst Ende August - nach Gegenoffensiven der eigenen Streitkräfte - die Friedensverhandlungen mit Moskau wieder aufnehmen. Bis dahin werde die Ukraine eine bessere Verhandlungsposition haben, sagte er in einem Interview mit dem Sender Voice of America. "Ich denke, wir werden eine Operation mit Gegenangriffen an verschiedenen Orten führen." Details nannte Arachamija nicht. Verhandlungen über eine Friedenslösung hatten kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine begonnen, kamen später jedoch zum Erliegen.

"Die Ukraine ist wertvoll für die EU"

Ein Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union wäre nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Gewinn für die EU. In seiner abendlichen Videoansprache sprach Selenskyj in Kiew vom "größten Beitrag zur Zukunft Europas seit vielen Jahren". Nur mit der Ukraine werde die EU in Zukunft ihre Macht, Selbstständigkeit und Entwicklung sichern können, meinte er weiter.

Boris Johnson und Wolodymyr Selenskyj
Am Freitag war der britische Premier Boris Johnson bei Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew Bild: Ukrainian Presidential Press Office/AP/picture alliance

Die EU-Kommission in Brüssel hatte am Freitag empfohlen, der Ukraine und dem kleinen Nachbarland Republik Moldau den Status von Beitrittskandidaten zu geben.

Scholz: Diktatfrieden wird es nicht geben

Kurz nach seinem Besuch in Kiew richtet Bundeskanzler Olaf Scholz ein weiteres Mal mahnende Worte in Richtung des russischen Staatschefs Wladimir Putin. "Einen Diktatfrieden werden wir nicht akzeptieren", sagte er im oberbayerischen Tutzing. "Die Sanktionen, die wir wegen der Krim verhängt haben, sind noch da. Die Sanktionen, die wir wegen Donbass verhängt haben, sind noch da." Und auch die aktuellen Maßnahmen hätten bis auf Weiteres Bestand, so Scholz. Diesen Punkt müsse Putin lernen. Der Deutschen Presse-Agentur sagte der Kanzler, es sei absolut notwendig, mit Putin im Gespräch zu bleiben. Er werde auch künftig mit Putin reden, ebenso wie der französische Präsident Emmanuel Macron. 

Auch machte Scholz deutlich, dass die humanitäre und wirtschaftliche Unterstützung Deutschlands für die Ukraine nicht abreißen werde. Die Zerstörungen in Irpin und an etlichen anderen Orten hätten gezeigt, mit welcher "unglaublichen Brutalität" Putin diesen Krieg fortsetze.

Ingo Gerhartz
Luftwaffen-General Ingo Gerhartz (Archivbild) Bild: INA FASSBENDER/AFP/Getty Images

Der Inspekteur der Luftwaffe, General Ingo Gerhartz, mahnt nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung die NATO-Staaten, im Ernstfall als Reaktion auf einen nuklearen Angriff auch Atomwaffen einzusetzen. Wie das Blatt weiter schreibt, sprach sich Gerhartz beim Kiel International Seapower Symposium dafür aus, den Einsatz von Nuklearwaffen nicht auszuschließen. Auf die Frage, wie die Nordallianz reagieren würde, wenn Putin Atomwaffen abwerfen würde, sagte Gerhartz: "Für eine glaubhafte Abschreckung brauchen wir sowohl die Mittel als auch den politischen Willen, die nukleare Abschreckung nötigenfalls umzusetzen."

Netzagentur warnt vor Erdgas-Kürzungen in der Wirtschaft

Angesichts der stark gedrosselten Erdgas-Lieferungen aus Russland nach Deutschland warnt die
Bundesnetzagentur laut einem Medienbericht vor möglichen Kürzungen für die deutsche Wirtschaft bereits im Sommer. Nach einem Vorabbericht der "Bild"-Zeitung erklärte Netzagentur-Chef Klaus Müller intern in Gesprächen mit dem Bundeswirtschaftsministerium, die Gasspeicher in Deutschland könnten ihre nötigen Füllstände im Herbst nur dann erreichen, wenn die Lieferungen aus Russland in den nächsten Tagen wieder auf das übliche Niveau stiegen.

Sollte das nicht geschehen, müsse die Bundesregierung das Gespräch mit rund 2000 Großkunden suchen und über Einschränkungen beraten. Diese Einschränkungen müssten bereits im Sommer vorgenommen werden. Wie die Zeitung weiter schreibt, strebt Müller einen Füllstand der Gasspeicher von mindestens 80 Prozent im Oktober und von mehr als 90 Prozent im November an.

se/ack/jj/nob/uh (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.