Aktuell: Baerbock sichert lange Unterstützung zu
28. August 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Baerbock fordert Ukraine-Hilfe solange wie nötig
- London: Mehr Soldaten bringen Russland nur wenig
- Mehr ukrainische Getreidetransporte über die Donau
- Selenskyj lobt die Piloten seines Landes
- Deutsche Gasspeicher zu rund 82 Prozent gefüllt
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat der Ukraine notfalls jahrelange Unterstützung im Krieg gegen Russland zugesichert. "Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Ukraine auch im nächsten Sommer noch neue schwere Waffen von ihren Freunden braucht", sagte Baerbock der "Bild am Sonntag".
"Die Ukraine verteidigt auch unsere Freiheit, unsere Friedensordnung. Und wir unterstützen sie finanziell und militärisch - und zwar so lange es nötig ist. Punkt", so die Grünen-Politikerin. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert inzwischen seit mehr als einem halben Jahr an. Baerbock äußerte die Erwartung, dass der Krieg "noch Jahre dauern könnte".
Russlands Präsident Wladimir Putin habe eine "Wahnvorstellung" gehabt, die Ukraine binnen kürzester Zeit einzunehmen. Dieses Vorhaben sei aber nicht aufgegangen. Die Außenministerin verteidigte auch den Anspruch der Ukraine auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim. "Auch die Krim gehört zur Ukraine. Die völkerrechtswidrige Annexion von 2014 hat die Welt nie anerkannt."
Baerbock warnte davor, angesichts der monatelangen Kämpfe eine Kriegsmüdigkeit in Deutschland herbeizureden. "Klar spüren inzwischen alle die Folgen von Putins Energiekrieg am eigenen Geldbeutel. Die soziale Spaltung Europas gehört zur Kriegsführung Putins. Dies müssen wir verhindern. Das wird ein steiniger Weg, aber es gehört zur politischen Verantwortung, die sozialen Schieflagen in Folge hoher Energiepreise abzufedern." Forderungen wie von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen zu nutzen, wies sie zurück.
London: Armee-Aufstockung wird Russland wenig bringen
Großbritannien bezweifelt, dass die angekündigte Aufstockung der russischen Armee um knapp 140.000 Kräfte die Kampfkraft der Truppen im Krieg gegen die Ukraine erhöhen wird. "Das liegt daran, dass Russland Zehntausende Soldaten verloren hat", teilte das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Zudem würden derzeit nur sehr wenige neue Vertragssoldaten eingestellt, und Wehrpflichtige seien nicht verpflichtet, außerhalb des russischen Territoriums zu dienen.
Russlands Staatschef hatte am 25. August per Dekret eine Aufstockung im kommenden Jahr um 137.000 Soldaten auf rund 1,15 Millionen befohlen. "Es bleibt unklar, ob Russland versuchen wird, diese Erhöhung durch die Rekrutierung von mehr freiwilligen Vertragssoldaten oder durch die Erhöhung der jährlichen Ziele für die Einziehung Wehrpflichtiger zu decken", hieß es dazu aus London.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
Mehr ukrainische Getreidetransporte über die Donau
Die Ukraine verschifft nach eigenen Angaben zunehmend mehr Getreide über die Donau. Allein diesen Samstag seien elf Schiffe in Richtung der ukrainischen Donauhäfen Ismajil, Reni und Ust-Dunaisk unterwegs gewesen - so viele wie noch nie seit Kriegsbeginn vor einem halben Jahr, teilte das Infrastrukturministerium mit. Sie haben demnach insgesamt 45.000 Tonnen geladen. Seit März wurden laut Ministerium bereits mehr als vier Millionen Tonnen Getreide über die ukrainischen Donauhäfen außer Landes gebracht.
Der Weg über die Donau gilt allerdings als umständlicher als über das Schwarze Meer. Schiffe müssen erst donauaufwärts fahren bis nach Cernavoda und von dort über den Donau-Schwarzmeer-Kanal Richtung Hafen Constanta.
Nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine waren die Schwarzmeer-Häfen des angegriffenen Landes und damit wichtige Exportwege zunächst monatelang blockiert. Am 22. Juli unterzeichneten die Ukraine und Russland unter UN-Vermittlung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen, um von drei Häfen Ausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Es wird geschätzt, dass mehr als 20 Millionen Tonnen Getreideerzeugnisse in der Ukraine lagern. Viele Staaten, etwa in Nordafrika, sind auf diese angewiesen.
Lob für die Luftwaffe der Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Rolle der Luftwaffe seines Landes im Krieg gegen Russland hervorgehoben. "Russland hatte gehofft, unsere Luftwaffe in den ersten Stunden der großen Invasion zu zerstören. Und natürlich war das für den Feind ein völlig verrücktes Ziel - wie viele andere Ziele auch", sagte Selenskyj in einer am Samstagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft.
Die Piloten seien erstklassig und würden auch von anderen Staaten für ihr Können gelobt. Der Staatschef hatte ihnen zuvor schon zum "Tag der Luftstreitkräfte" gratuliert und erklärt: "Die Invasoren werden vergehen wie Tau in der Sonne. Und unsere Verteidigung ist die Sonne."
Selenskyj unterstrich einmal mehr, dass der Kampf um die Freiheit und die Unabhängigkeit des Landes nur gemeinsam gelingen könne. "Es ist eine gemeinsame Arbeit. Und es ist ein Ergebnis, das dank der Stärke und der Solidarität aller erreicht wird, die Freiheit schätzen und die Tyrannei nicht tolerieren", sagte mit Blick auch auf andere Staaten, die die Ukraine unterstützen. "Freiheit gewinnt immer." Selenskyj kündigte an, dass auch Unterstützer der Ukraine im Ausland geehrt werden sollten.
Russland war am 24. Februar in das Nachbarland einmarschiert. Am vergangenen Mittwoch dauerte der Krieg genau ein halbes Jahr. Am selben Tag feierte das Land auch 31 Jahre Unabhängigkeit.
Offenbar keine erhöhte Strahlung bei Atomkraftwerk Saporischschja
Nach dem Beschuss des von Moskaus Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja ist nach Angaben Russlands und der Ukraine keine erhöhte radioaktive Strahlung festgestellt worden. Die Strahlensituation bleibe normal, teilte das russische Verteidigungsministerium heute in Moskau mit. Ähnlich äußerte sich der ukrainische staatliche Betreiber Enerhoatom. Beide Seiten werfen sich gegenseitig immer wieder den Beschuss des AKW vor.
Deutsche Gasspeicher zu rund 82 Prozent gefüllt
Der Füllstand der deutschen Erdgasspeicher nähert sich trotz erheblich gedrosselter Liefermengen aus Russland weiter der 85-Prozent-Marke. Wie am Sonntag aus im Internet veröffentlichten Daten der europäischen Gasspeicher-Betreiber hervorging, lag der Füllstand am vergangenen Donnerstagmorgen bei 81,78 Prozent. Für Freitag war ein weiterer Anstieg auf 82,2 Prozent erwartet worden. "Die Speicher füllen sich schneller als vorgegeben", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dem "Spiegel". Das Oktober-Speicherziel von 85 Prozent dürfte aus Sicht des Ministeriums schon Anfang September erreicht werden, bestätigte eine Sprecherin Habecks.
Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums beträgt der Anteil an russischem Gas beim Verbrauch derzeit nur noch neun Prozent. Dafür wurde deutlich mehr Gas aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien bezogen; auch die Importe von Flüssiggas stiegen. Bis zum 1. November sieht die Verordnung einen Füllstand der deutschen Speicher von 95 Prozent vor.
Keine Einladung für Kretschmer
Der scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat wegen Äußerungen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer über den Ukraine-Krieg eine Einladung des CDU-Politikers in seine Heimat zurückgezogen. "Mit Ihrer absurden Rhetorik über das Einfrieren des Krieges spielen Sie in Putins Hände und befeuern Russlands Aggression", schrieb Melnyk im Onlinedienst Twitter. Daher sei seine Einladung an Kretschmer, die Ukraine zu besuchen, "annulliert". "Sie sind unerwünscht. Punkt", fügte der Botschafter hinzu.
Melnyk reagierte damit auf Äußerungen des sächsischen Regierungschefs in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" vom Mittwoch. Darin hatte Kretschmer gesagt, es sei wichtig, dafür "einzutreten, dass dieser Krieg eingefroren werden muss, dass wir einen Waffenstillstand brauchen, dass wir Verhandlungen brauchen, um diesen Krieg zu beenden". Das erlebe er allerdings "in der öffentlichen Debatte sehr wenig".
haz/wa/ww/qu (dpa, rtr, afp)