Wie die Pandemie Trauerrituale verändert
8. August 2021In Zeiten der Corona-Pandemie verändern sich Beerdigungsrituale in Afrika per Verordnung: "Wegen COVID-19 durften wir keine Kondolenzbücher mehr ausgeben. Als die Kirchen geschlossen wurden, hat uns das sehr getroffen", sagt Sydney Ogwang, Geschäftsführerin von "Executive Funeral Services" - einem Bestattungsunternehmen in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Vieles habe sich seit den Beschränkungen für traditionelle Zusammenkünfte zu Beerdigungen verändert, sagt die Bestatterin im Gespräch mit der DW. Singen war verboten, zu den nächtlichen Totenwachen kamen nur wenige Menschen.
Trauerzeremonien mit vielen Menschen sind tabu
Aus Sorge vor neuen Ansteckungen mit dem Coronavirus unter den Trauernden hat Ugandas Regierung in die Trauerkultur eingegriffen. Die Behörden rieten davon ab, den Toten im Hof vor dem Haus aufzubahren und ihm dort die Ehre zu erweisen. Nur ein Dutzend enger Familienangehöriger begleitete den Sarg zum Grab. Wer an COVID-19 starb, wurde von speziellen medizinischen Teams und nicht der Familie beerdigt - aus Angst vor einer möglichen Ansteckungsgefahr, die vom Leichnam ausgehen könnte.
All das entspricht nicht den Praktiken in vielen afrikanischen Kulturen, in der Beerdigungen mit dutzenden oder gar mehreren hundert Gästen keine Seltenheit sind, die sie von den Verstorbenen verabschieden und den Angehörigen Trost spenden wollen.
In Afrika gibt es verschiedene Bestattungsriten, die seit Jahrzehnten je nach Herkunftsort, Kultur, Religion und Stellung des Verstorbenen in der Gemeinschaft praktiziert werden. Susan Reynolds Whyte beschäftigt sich seit fünfzig Jahren mit gesellschaftlichen Traditionen in Ostafrika: Die Professorin für Anthropologie an der Universität Kopenhagen begann ihre Arbeit 1969 in Kenia, Tansania und Uganda. Whyte sagt, sie habe an vielen Beerdigungen teilgenommen.
"Vor Aids und Corona waren Trauerzeremonien auf dem Land eine große Sache. Beerdigungen wurden um einige Tage verschoben, damit die weit entfernten Verwandten und alle Nachbarn kommen konnten. Sie brachten Essen und Trinken, auch Feuerholz für die nächtlichen Wachen bei den Toten, das war ein teures Unterfangen", sagt Whyte im DW-Interview. "Diese Beiträge wurden in einem Buch festgehalten, in dem oft auch die Beziehung zur toten Person eingetragen." Nach der Beerdigung blieben viele Leute am Haus, leisteten den Hinterbliebenen Gesellschaft und schliefen am Grab.
Aspekt des Lebens: Die Beerdigung in der Gemeinschaft
Schon einmal führte mit HIV/Aids eine Pandemie dazu, dass Trauerrituale sich veränderten. So mussten Beerdigungen unter anderem wegen Armut einfacher ausfallen.
In der Corona-Pandemie wurden Feierlichkeiten in Uganda drastisch eingeschränkt. Vielerorts werden nur die absolut elementaren Rituale durchführt. In einer Richtlinie auf der Webseite des ugandischen Gesundheitsministeriums heißt es, dass die Trauergemeinde maximal 50 Menschen umfassen und eine Zeremonie maximal zwei Stunden dauern dürfe. Speisen und Getränke sind verboten, da dies große Menschengruppen anziehe. Die Trauernden sollten zwei Meter Abstand voneinander halten. Körperkontakt wie Umarmungen, Tätscheln oder Hände schütteln: unerwünscht.
Professorin Whyte glaubt nicht, dass die Vorschriften überall eingehalten wurden und werden: Das Thema Bestattung sei "zu wichtig, zu emotional". Die Beschneidung religiöser Kulturen wirke sich auf die Psyche aus. "Es ist schrecklich für die Menschen, die Toten ohne Wache allein zu lassen. Der Geist der verstorbenen Person muss gut verabschiedet werden, damit alle ihren Frieden finden", sagt Whyte. "Die Beerdigung in der Gemeinschaft ist ein starker Aspekt des Lebens." Gerade jetzt müssten die Menschen mehr denn je füreinander da sein, denn die wirtschaftliche Lage in Uganda sei katastrophal, so Whyte.
Trend in der Stadt: Virtuelle Trauerfeier
Ob sich die Trauerrituale wegen der Pandemie auch langfristig verändern? Die Zeiten seien hart in Uganda, es könnte eine Erleichterung sein, weniger aufwendig zu feiern, sagt Whyte: "Es würde mich nicht überraschen, wenn sich das durchsetzen würde und es eine Tendenz zu kleineren Beerdigungen gäbe, weil das zu der zunehmenden Verarmung in Uganda passt."
Ben Jumbe, Journalist und Kommentator in Kampala, glaubt nicht an diese Entwicklung: "Der soziale Aspekt ist in unserer Kultur verankert und liegt uns im Blut. Sobald das alles vorbei ist, werden wir zu unserer Kultur zurückkehren", sagt Jumbe.
In der Stadt gibt es wegen der Pandemie den Trend zur virtuellen Trauerfeier. Um mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, den Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen, können Trauernde das Geschehen live über einen Videoanruf oder einen Stream im Internet verfolgen Geschehen im Netz live auf einer der Plattformen verfolgen.
Die Buchhalterin Charlotte Kukunda nahm in Kampala an der Trauerfeier für ihre Chefin teil. "An diesem Punkt spürte ich den Wert dieser virtuellen Welt. Menschen, die eine Beziehung zu der Verstorbenen hatten, konnten sich buchstäblich einloggen, hören was andere über sie sagten und erzählen, was die Beziehung zu der Person für die bedeutet", erzählt Kukunda. "Und sie hatten das Gefühl, dass sie das Leben eines geliebten Menschen gefeiert hatten, wie es in Afrika üblich ist."