Türkisches Parlament erlaubt Intervention
3. Januar 2020Eine Mehrheit von 325 Abgeordneten stimmte in einer Sondersitzung für einen Antrag der Regierung, die Entsendung von Soldaten in den nordafrikanischen Krisenstaat zu ermöglichen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will die international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch in Tripolis in ihrem Kampf gegen den abtrünnigen General Chalifa Haftar unterstützen. Die Truppenentsendung wurde zunächst für ein Jahr gebilligt. Erdogan hatte vergangene Woche gesagt, er handele auf Einladung Al-Sarradschs, dieser habe ihn um eine Entsendung von Truppen gebeten.
Die Zustimmung galt als sicher: Erdogans islamisch-konservative AKP hat in der Regierungsallianz mit der ultranationalistischen MHP eine Mehrheit in der türkischen Nationalversammlung. Die größte Oppositionspartei CHP, die pro-kurdische HDP sowie die nationalkonservative Iyi-Partei hatten zuvor angekündigt, gegen das Vorhaben zu stimmen.
Trump: Einmischung macht alles komplizierter
US-Präsident Donald Trump warnte Erdogan unterdessen vor einem militärischen Eingreifen in Libyen. In einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten sagte er nach Angaben des Weißen Hauses, eine "ausländische Einmischung verkompliziere die Situation in dem nordfrikanischen Staat.
Der Vizepräsident des gewählten libyschen Parlaments, Ehmajed Huma, sagte der Nachrichtenagentur AFP, eine türkische Militärinvasion wäre "Hochverrat". Die UN und die internationale Gemeinschaft müssten ihrer Verantwortung nachkommen und die Türkei davon abhalten. Das Parlament unterstützt General Haftar, der gegen die international anerkannte Einheitsregierung kämpft.
Erdogan will nach eigenen Worten in Libyen die türkischen Interessen in der Region durchsetzen. Noch ist unklar, wie viele Soldaten die Türkei schicken würde. Der türkische Vize-Präsident Fuat Oktay machte aber deutlich, dass es "so viele wie nötig" sein würden. Allerdings werde die Türkei auf eine Truppenentsendung verzichten, wenn sich die rivalisierende Regierung in Libyen zurückziehe.
Eine Rolle spielen wohl auch die Erdgasvorkommen der Region. Im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer fühlt sich die Türkei von anderen Anrainerstaaten wie Griechenland ausgeschlossen und schmiedet deshalb eigene Allianzen. Im November hatten Al-Sarradsch und Erdogan Abkommen unterzeichnet, die neben einer militärischen Kooperation auch Seegrenzen im Mittelmeer festlegen. Damit erhebt die Türkei Anspruch auf Gebiete nahe der griechischen Insel Kreta, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden.
Machtkampf in Libyen
In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 Chaos. Die Türkei unterstützt die von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Al-Sarradsch in Tripolis. Dessen einflussreicher Gegner Haftar kontrolliert mit seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA) Gebiete im Osten des Landes, will aber die Macht über das ganze Land. Im vergangenen Jahr begann er einen Angriff auf Tripolis.
Die Regierung von Al-Sarradsch wird von lokalen Milizen unterstützt, konnte ihre Macht aber bisher kaum über die Hauptstadt hinaus ausbauen. Haftar hingegen wird unter anderem von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt. Zudem gibt es Vorwürfe, Frankreich stehe ebenfalls auf Haftars Seite.
Wie in Syrien unterstützen damit die Türkei und Russland auch in Libyen unterschiedliche Parteien. Kremlchef Wladimir Putin wird am kommenden Donnerstag in Istanbul erwartet - und die Themen Libyen und Syrien werden sicher auf der Agenda weit oben stehen.
lh/jj/sti (dpa, afp)