Türkei verlässt EU-Kulturprogramm
9. Oktober 2016Ankara habe einseitig beschlossen, das Programm "Kreatives Europa" zu verlassen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission der "Bild am Sonntag". Auslöser der Aufkündigung ist nach Informationen der Zeitung das von der EU unterstützte Musikprojekt "Aghet". In dem Stück der Dresdner Sinfoniker wird der Völkermord an den Armeniern durch das Osmanische Reich vor gut 100 Jahren thematisiert. Damals waren Schätzungen zufolge mindestens 800.000, möglicherweise sogar bis 1,5 Millionen Angehörige der christlichen Minderheit im Osmanischen Reich ums Leben gekommen. Die Türkei als dessen Nachfolger hält den Begriff Völkermord für eine eine ungerechtfertigte Anschuldigung.
Unverständnis bei den Sinfonikern
Der türkische EU-Botschafter hatte schon vor Monaten verlangt, dass die Europäische Union die finanzielle Förderung des internationalen Musikprojekts einstellt. Da die zuständige EU-Kommission sich den Forderungen aus Ankara nicht beugte, zog die Türkei jetzt die Konsequenzen. Erst 2014 hatte die Türkei das Kulturabkommen, das Künstler mit einem Budget von rund 1,46 Milliarden Euro fördert, unterzeichnet.
Die Dresdner Sinfoniker hingegen sehen ihr Stück als Versöhnungsprojekt, Bei "Aghet" spielen deutsche, türkische und armenische Musiker Seite an Seite. Intendant Markus Rindt und Komponist Marc Sinan äußerten sich entsetzt über den Ausstieg der Türkei: "Es ist perfide, 'Aghet' zu missbrauchen, um türkische Künstler zu bestrafen. Erdogan verwandelt die Türkei immer mehr in einen geschlossenen Staat." Im November soll das Stück in Istanbul aufgeführt werden.
suc/stu (kna/dw)