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Türkei und Saudi-Arabien: Lukrative Handelsbeziehungen

26. November 2024

Saudi-Arabien ist für türkische Geschäftsleute, deren Heimatland unter einer Wirtschaftskrise leidet, ein beliebtes Investitionsziel. Besonders in den Bereichen Infrastruktur und Bau gibt es große Investitionen.

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Kronprinz Mohammad Bin Salman und Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan
Gemeinsamer Nenner: Pragmatische GeschäftsstrategienBild: Burhan Ozbilici/AP/picture alliance

Im Verhältnis zwischen der Türkei und Saudi-Arabien herrschte über Jahre hinweg Eiszeit. In den sechs Jahren nach der Ermordung des oppositionellen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul waren die geschäftlichen Beziehungen - wie die politischen - nicht im besten Zustand. Im Laufe der Jahre boykottierte Saudi-Arabien inoffiziell türkische Produkte. Die saudische Regierung rief die Bürger auf, nicht in die Türkei zu reisen oder in der Türkei Immobilien zu kaufen.

Die Krise scheint allerdings nun von einem neuen Frühling ersetzt zu werden: Riad und Ankara versuchen die wirtschaftlich nicht lukrativen Jahre hinter sich zu bringen und konzentrieren sich beide auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen: Eine Herangehensweise, die zu den pragmatischen Geschäftsstrategien des Kronprinzen Mohammad Bin Salman und des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan passen.

Annäherungsschritte im Jahr 2024

2024 fanden mehrere Treffen statt, bei denen viele Vertreter der Wirtschaft sowie politische Entscheidungsträger aus den beiden Ländern zusammenkamen und sich über Kooperationsmöglichkeiten austauschen konnten.

Auf dem "Türkei-Saudi-Arabien Investitions- und Geschäftsforum" am 16. Februar sagte der türkische Wirtschaftsminister Mehmet Şimşek: "Sie wenden sich an türkische Geschäftsleute. Sie möchten auch mit türkischen Firmen arbeiten." Einen Monat später fand das 27. Internationale Geschäftsforum der islamisch-konservativen türkischen Wirtschaftsvereinigung MÜSIAD in Riad statt. Nach etwa zweieinhalb Monaten besuchten die Vertreter der größten türkischen Wirtschaftsvereinigung TÜSIAD Saudi-Arabien. Zuletzt trafen sich Erdogan und bin Salman am 11. November in Riad.

Rekord bei türkischen Exporten

Das bilaterale Handelsvolumen stürzte 2021 infolge des Khashoggi-Mords bis auf 265.000 US-Dollar ab - heute ist es wieder auf das Niveau von rund 5 Milliarden US-Dollar zurückgekehrt. 2022 stiegen die türkischen Exporte nach Saudi-Arabien im Vergleich zum vorigen Jahr um 450 Prozent und auf 1,5 Milliarden US-Dollar - und 2023 auf 2,3 Milliarden US-Dollar. Zwischen Januar und September 2024 wurde eine Rekordzahl an Exporten registriert - nämlich mit einem Volumen von 2,9 Milliarden Euro. Die Türkei exportiert vor allem Maschinen, Teppiche und Möbel nach Saudi-Arabien, während Saudi-Arabien vor allem chemische Produkte an die Türkei verkauft.

Der bilaterale Handel werde immer bedeutsamer, bestätigen Vertreter der Wirtschaft. "Wir erhöhen unsere Exporte nach Saudi-Arabien jeden Monat um fast 80 Prozent. Wir organisieren die ganze Zeit Messen und Gespräche. In Saudi-Arabien besteht ein großes Interesse an türkischen Produkten", so Bülent Aymen, stellvertretender Präsident des Verbandes der Exporteure von Möbel-, Papier- und Forstprodukten am Mittelmeer (AKAMIB) gegenüber der DW. Im Möbelbereich ist die Türkei der drittgrößte Produzent nach China und Italien. "Dieser Trend ist ein Beweis für das vielversprechende Potenzial der Türkei", ergänzt er.

Protest nach Mord an saudischem Journalisten Jamal Khashoggi
Jamal Khashoggi wurde am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in der türkischen Großmetropole Istanbul ermordetBild: Emrah Gurel/AP Photo/picture alliance

Türken investieren immer mehr

Laut dem Rat für Außenwirtschaftsbeziehungen der Türkei (DEIK) sind inzwischen etwa 200 türkische Firmen in Saudi-Arabien aktiv - vor allem in Bereichen wie Bau, Energie, Gesundheit, Nahrung, Möbel und Tourismus. Nach der Versöhnung der  beiden Staatschefs erhielten türkische Firmen in Saudi-Arabien diverse Infrastruktur-Aufträge, die insgesamt etwa 10 Milliarden US-Dollar wert sind. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 erhielten türkische Baufirmen im globalen Vergleich die meisten Aufträge aus Saudi-Arabien - im Wert von 2,3 Milliarden US-Dollar.

Investitionen im Bereich Infrastruktur boomen momentan, nachdem das Jahresziel von 100 Millionen Touristen der "Vision 2030"-Strategie in Saudi-Arabien erreicht wurde. In dessen Rahmen werden momentan in zwölf saudischen Städten unterschiedliche Projekte zur Erhöhung der Lebensqualität sowie zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung durchgeführt. Türkische Firmen sollen daran in den kommenden Jahren 20 Milliarden US-Dollar verdienen.

Viele große Projekte in türkischer Hand

Den Auftrag für das größte Brückenbauprojekt des Landes erhielt die türkische IC İçtaş İnşaat. "Mitten auf der Strecke zwischen Hedschas und Damaskus bauen wir in der Nähe von Riad zwei Brücken. Alleine dieses Projekt ist 500 Millionen US-Dollar wert. Danach werden wir die höchste Brücke des Landes, die Wadi-Laban-Brücke, innerhalb von nur 36 Monaten bauen", so Ilker Öksüz, Direktoriumsmitglied bei IC İçtaş İnşaat im Gespräch mit der DW.

Seine Firma baute auch das erste Atomkraftwerk der Türkei, Akkuyu, und die dritte Brücke über den Bosporus. Auch das Terminal des King-Khalid-Flughafens in Riad baute die Firma für 1,5 Milliarden US-Dollar.

Ein Vision 2030-Plakat, ein Bild von Mohammad Bin Salman
Ein wichtiger Teil der "Vision 2030" stellt die Förderung des Tourismus darBild: Amr Nabil/AP Photo/picture alliance

Nächster Halt: Energie?

"Besonders in den Bereichen Infrastruktur und Bau sind türkische Firmen auf dem Vormarsch. Diese Investitionen stärken die Arbeitsmärkte beider Länder", so Haşim Süngü, Präsident des Türkisch-Saudischen Geschäftsrates gegenüber der DW.

Die positiven Handelsbeziehungen befänden sich noch am Anfang und werden weiterentwickelt, so Süngü. Seine Prognose: Die beiden Länder werden in der nahen Zukunft auch im Bereich Energie kooperieren. "Die Erfahrung Saudi-Arabiens in Bezug auf Erdöl und Erdgas und ihr Interesse an den erneuerbaren Energien kommt zusammen mit der Expertise der Türkei in diesen Bereichen. Im Vordergrund sind Projekte in Bereichen Solar- und Windenergie. Mit ihren gemeinsamen Projekten möchten die zwei Länder zur Energieversorgung und Erhöhung der erneuerbaren Energien beitragen", so Süngü.

Ist der Frühling nachhaltig?

Allerdings sind nicht alle Experten so optimistisch. Die "Friede-Freude-Eierkuchen"-Periode in den Handelsbeziehungen werden künftig nicht unbedingt so bleiben, so Eyüp Vural Aydın, Berater beim Nationalen Zentrum für Privatisierung und öffentlich-private Partnerschaft (NCP) Saudi-Arabiens.

Der Türkei fehle ein "strategischer Plan", um ein größeres Stück vom saudischen Markt erhalten zu können. Die allergrößte Konkurrenz auf dem saudischen Markt fände zwischen den USA, China und Frankreich statt, sagt er und ergänzt:

"Ja, es gibt für die Türkei große Möglichkeiten. Aber es wäre für alle Beteiligten besser, wenn die türkischen Firmen und Behörden im Rahmen eines Plans zusammenarbeiten würden. China unterschrieb zum Beispiel vor drei Monaten mit Saudi-Arabien ein Investitionsabkommen im Wert von 50 Milliarden-US-Dollar. Die Türkei braucht auch solche Schritte."

DW Mitarbeiter l Burak Ünveren, DW-Journalist
Burak Ünveren Redakteur. Themenschwerpunkte: Türkische Außenpolitik, Deutsch-Türkische Beziehungen.