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Turid Knaak: "Zeit, mal offensiv zu reagieren"

18. Mai 2019

Die DFB-Frauen machen drei Wochen vor WM-Beginn mit einem provokanten Werbespot auf sich aufmerksam. Nationalspielerin Turid Knaak spricht im DW-Interview über die Idee dahinter, ihre DFB-Karriere und ihre Doktorarbeit.

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Fußball Turid Knaak SGS Essen
Bild: Imago Images/foto2press/O. Baumgart

DW: Frau Knaak, ein Werbespot eines Sponsors hat zuletzt für Aufsehen gesorgt. Dort präsentieren sich die Spielerinnen der DFB-Elf frech und auch ein wenig zweideutig. Das passt so gar nicht zum eigentlichen konservativen Image des DFB. Wie bewerten sie diese neue Herangehensweise an die Öffentlichkeit?

Turid Knaak: Ich denke, man sieht an den Reaktionen, dass es an der Zeit war, das zu tun, auch mal offensiv zu reagieren. Ich glaube, dass es eher gut als schlecht ankommt. Es ist der richtige Weg, den der DFB da gegangen ist.

Die Spielerinnen wirken in dem Spot frech und offen. Wird die Mannschaft so auch bei der WM auftreten?

Ich glaube, das ist ein Charakterzug unserer Mannschaft. Wir haben eine gute Mischung. Es sind auch einige junge, wilde Spielerinnen dabei. Wir sind vom Charakter her so, dass wir frisch an die Sache herangehen wollen. 

War das früher anders?

Das kann ich nicht beurteilen, weil es meine erste WM sein wird. Aber ich glaube schon, dass es inzwischen starke Charaktere im Frauenfußball gibt. Und das ist super, gerade für die Öffentlichkeit.

Sie erwähnten Ihre erste WM. Sie sind 28 Jahre alt. Warum hat es nicht früher geklappt?

Ich bin mit 24 Jahren schon einmal zur A-Nationalmannschaft eingeladen worden, habe mich dann aber schwer verletzt. Nach dem Schien- und Wadenbein musste ich mich erst wieder ein, zwei Jahre lang herankämpfen. Jetzt habe ich die Chance bekommen. Es freut mich, diesen Schritt so spät in der Karriere noch machen zu können. 

Haben Sie damit gerechnet?

Natürlich habe ich darauf gehofft. Ich war ja vor der Verletzung schon im Dunstkreis des Teams. Und jetzt hat es geklappt.

In Ihrem Bundesliga-Verein, der SGS Essen, sind Sie eine Führungsspielerin. In der Nationalelf mit bislang sieben Einsätzen stehen sie eher am Anfang. Wie sehen Sie ihre Rolle in Frankreich?

Natürlich gehöre ich zu den unerfahrensten Spielerinnen, was den DFB betrifft. Aber aufgrund meiner vielen Bundesliga-Spiele und auch einiger Titel, die ich im Laufe der Jahre gewonnen habe, bringe ich auch eine gewisse Erfahrung mit. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir besonders weit kommen.

Wie realistisch ist es, dass Sie in der ersten Elf stehen?

Die erste Elf wird sich erst in den nächsten Wochen herauskristallisieren. Ich werde alles geben, um möglichst viel Einsatzzeit zu bekommen. Mehr kann ich nicht tun.

Mit Martina Voss-Tecklenburgist  eine neue Trainerin in der Verantwortung. Wo setzt Sie die Schwerpunkte ihrer Arbeit? 

Man merkt, dass sie uns individuell weiterbringen will. Wir haben viel Eins-gegen-Eins trainiert, auch an der Technik gefeilt. Aber sie hat auch an der Taktik der Mannschaft gearbeitet: Wie wollen wir gegen den Ball arbeiten, wie und in welcher Höhe wollen wir angreifen, wie kompakt stehen wir? Sie hat da einen ziemlich genauen Plan, und wir haben ihn zuletzt schon ganz gut umgesetzt.

Setzt die Mannschaft mehr auf Ballbesitz oder eher auf Konter?

Ich denke, wir haben das Selbstbewusstsein, eine Mannschaft zu sein, die das Spiel bestimmt. Wir sind eher kein Team, das sich zurückzieht und auf Konter lauert. Es wird also das Ziel sein, dass wir die beherrschende Mannschaft im Spiel sind.

Wie tritt die Bundestrainerin denn auf – streng, freundlich bestimmt?

Wir lachen viel mit ihr. Sie ist immer für einen guten Spruch zu haben. Und sie kann auch über die Scherze aus der Mannschaft lachen. Aber sie und wir können auch im richtigen Moment den Schalter umlegen. Dann hat sie auch eine gewisse Strenge und Autorität, die eine Trainerin haben muss.

Was unterscheidet denn Martina Voss-Tecklenburg von Horst Hrubesch, der das Team zuvor betreute?

Horst Hrubesch war ganz der väterliche Typ, der aber auch streng sein konnte. Letztendlich haben beide eine sehr gute Mischung aus Nähe zur Mannschaft, aber auch Strenge und Distanz. Martina nimmt auch Spielerinnen zur Seite zum Einzelgespräch. So sehr unterscheiden sie sich also nicht.

Wie groß ist die Anspannung im Team so kurz vor dem Turnier?

Wir haben zuletzt bei allem Spaß auch den Konkurrenzkampf um die Plätze im WM-Kader gespürt. Natürlich wollte jeder dabei sein. Jetzt geht es darum, wer spielt und wer nicht. Ich glaube aber nicht, dass wir ein Team sind, in dem jetzt die Ellenbogen ausgefahren werden. Wir wissen, dass wir an einem Strang ziehen müssen.

Fußball Turid Knaak Frauen-Nationalmannschaft
Turid Knaak: Angehende Doktorandin im DFB-TrikotBild: Imago Images/Aflosport/M. Kawamori

Im Männerfußball gehört es auch dazu, die Ellenbogen auszufahren. Sind Frauen da anders?

Ich denke, so kurz vor dem Turnier muss das Ellenbogen ausfahren vorbei sein. Jetzt sind wir ein Team, das ein Ziel verfolgt. Jetzt muss jeder die Rolle annehmen, die ihm zugeteilt wird.

Überraschend ist, dass sie so kurz vor der WM noch arbeiten gehen. Sie arbeiten an Ihrer Doktorarbeit zum Thema Rechtschreibförderung -  neben dem WM-Vorbereitungsstress. Viele Spielerinnen im WM-Kader machen das sicher nicht. Weshalb haben Sie sich für die Doppelbelastung entschieden?

In der Nationalmannschaft bin ich mit meiner Arbeit natürlich eher die Ausnahme, zusammen mit ein, zwei anderen. Aber in der Bundesliga gehen schon noch einige Spielerinnen nebenher arbeiten. Bei mir funktioniert das ganz gut. Mein Chef unterstützt mich. Die Doktorarbeit muss jetzt halt mal ein paar Wochen ruhen.

Kann man im Frauenfußball Sport und Beruf gut kombinieren?

Ich denke, bei den Mannschaften, die auch in der Champions League spielen, wie der VfL Wolfsburg und der FC Bayern, ist das schwierig. In Essen geht es etwas familiärer zu, wir sind nicht ganz so professionell wie die Topklubs. Wir trainieren nachmittags, sodass ich tagsüber noch an der Universität Köln arbeiten gehen kann. Ich selbst kann es gut miteinander vereinbaren. Als Frauenfußballerin muss man eben auch gucken, dass man sich etwas für nach der Karriere aufbaut. Ich denke, man kann die Zahl der Spielerinnen, die richtig gut verdienen und nahe daran sind, ausgesorgt zu haben, an zwei Händen abzählen. Das sind die absoluten Topspielerinnen, etwa in den USA. Aber in Deutschland können nur sehr wenige Frauen vom Fußball leben und hinterher darauf verzichten, arbeiten zu gehen. Ich mag es aber auch, abseits des Platzes kognitiv gefordert zu werden. Das ist auch ein guter Ausgleich.

Welchen Wunsch haben sie ganz persönlich für dieses Turnier?

Einerseits möchte ich natürlich jede Sekunde des Spiels genießen, weil mir mit 28 Jahren natürlich bewusst ist, dass ich nicht mehr so viele Chancen habe. Ich wünsche mir so viel Einsatzzeit wie möglich und dass wir sehr weit kommen. Wenn diese Faktoren erfüllt sind, wäre ich am Ende sehr zufrieden.

Wie wichtig ist dabei der Titelgewinn?

Das Erlebnis ist das eine, aber man nimmt nie an einem Turnier teil, ohne gewinnen zu wollen. Die Konkurrenz ist natürlich groß. Aber Deutschland ist eine Nation, die immer die Chance hat, so ein Turnier auch zu gewinnen.

Mittelfeldspielerin Turid Knaak steht seit 2017 beim Bundesligisten SGS Essen unter Vertrag. Zuvor spielte sie für den FCR Duisburg 2001 und Bayer 04 Leverkusen und war zwischenzeitlich an den FC Arsenal ausgeliehen. Knaak arbeitet als Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln.

Das Interview führte Jörg Strohschein.