Tunesiens unbequemer Rapper
3. Januar 2011Wenn der 30-jährige tunesische Rapper Mohamed Salah alias Balti auftritt, dann kommen regelmäßig tausende Fans; selbst im konservativen Süden Tunesiens füllen sie ganze Fußballstadien. Der zwei Meter große, durchtrainierte Hobby-Basketballer mit der außergewöhnlich sonoren Stimme und dem sympathischen Lachen spricht in seinen Songs das aus, was viele junge Tunesier denken, aber nicht öffentlich zu sagen wagen. So rappt er in dem Hit "Rayah Wayne" gemeinsam mit der Sängerin Ameni Souissi: "Wo soll ich hin, wo soll ich hin mit meiner Wut/Ich will meine Würde und ich werde meinen Kaffee in Europa trinken/Ich gehe, um mein Glück zu machen, das ich hier nicht finde/Ich hole mir, was mir zusteht, und alles, was man mir hier geraubt hat."
Kindheit in der Banlieue
Geboren und aufgewachsen ist Balti in Sidi Hsine, einem wenig betuchten Vorort von Tunis. Hier hörte er schon mit neun Jahren zum ersten Mal HipHop und Rap. "Mein Bruder war einer der ersten Breakdancer im Viertel", erzählt Balti. "Er brachte immer Videos mit nach Hause, um die Choreographien anzusehen und nachzuahmen. Ich hatte keine Ahnung, worum es bei den Texten ging, aber der Stil und der Rhythmus gefielen mir", sagt Balti.
Dank seines Erfolges könnte Balti sich längst eine bessere Bleibe leisten, aber er wohnt immer noch in seinem alten Viertel. Hier findet er die Themen, die ihn zum Rappen inspirieren: Frust über soziale Ungerechtigkeiten, die allgegenwärtige Korruption, Perspektivlosigkeit, Kriminalität, Familiendramen, Spießertum, religiös verbrämte Doppelmoral. Die Jungs in der Nachbarschaft sehen in Balti einen großen Bruder. "Wenn man in einem Unterschichtsviertel wie diesem hier geboren ist, inmitten von Gewalt, Arbeitslosigkeit, Drogen und Alkohol, dann hat man eigentlich nur zwei Möglichkeiten", erklärt Balti. "Entweder man macht mit und wird kriminell, oder man findet einen Ausweg - und der heißt entweder Musik oder Sport". Balti entschied sich mit siebzehn für die Musik. Das Texten und Komponieren brachte er sich nach und nach selbst bei.
"Saubere" Sprache
Baltis engagierte Texte, die er selbst als "bewussten Rap" bezeichnet, haben ihm Respekt und viele Fans verschafft - nicht nur in Tunesien, sondern auch bei viele jungen tunesischstämmigen Migranten in Europa. Baltis Texte sind klar, aber er polarisiert nicht. Gewaltverherrlichung oder Provokation um der Provokation willen lehnt er ab. "Ich singe schließlich hundertprozentig in tunesischem Dialekt. Sogar meine Oma kann verstehen, was ich rappe. Deshalb ist meine Sprache vergleichsweise clean. Wir leben in einer arabisch-muslimische Gesellschaft", sagt Balti. Man könne eine Menge Dinge beim Namen nennen, aber man solle es nicht übertreiben. "Bei Kraftausdrücken halte ich mich zurück, schließlich könnte meine Mutter zuhören."
Verboten
Trotz aller Zurückhaltung fühlte sich das tunesische Regime anfangs von Balti provoziert. Er bekam wegen eines sozialkritischen Textes Ärger mit der Zensur. Doch der junge Rapper trat einfach weiter öffentlich mit seinem Stück auf. Auch die Tatsache, dass die tunesische Regierung die Mobilfunk- und Internetkommunikation immer wieder sperrt und damit viele seiner Videos im Internet schwer zugänglich macht, kann Balti nicht entmutigen. Im Zeitalter von Web 2.0 sind die Möglichkeiten, Sperren zu umgehen, durchaus vorhanden, und irgendwie finden die Fans ihn schon. Baltis Fangemeinde wächst jedenfalls stetig.
Autorin: Martina Sabra
Redaktion: Christine Harjes