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Politik

Tschechien entsendet Soldaten zur Verteidigung der Slowakei

14. März 2022

650 tschechische Soldaten werden in der Slowakei stationiert. Sie sollen dem Nachbarland helfen, seine Grenze zur Ukraine zu schützen.

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Von tschechischen Soldaten errichtete Militärzelte im Schnee an der Grenze zwischen der Slowakei und der Ukraine
Tschechische Soldaten helfen beim Bau eines Aufnahmelagers für Flüchtlinge in der SlowakeiBild: Generalstab der tschechischen Armee

Dreißig Jahre nach der Auflösung der Tschechoslowakei wird die Tschechische Republik die Slowakei militärisch unterstützen. Sie wird dem Nachbarland nach der russischen Aggression in der Ukraine helfen, seine mehr als 100 Kilometer lange Ostgrenze zu schützen. Dabei werden 650 tschechische Soldaten den 2000 Mann starken multinationalen NATO-Militäreinsatz in der Slowakei anführen. Es ist der größte tschechische Auslandseinsatz seit vielen Jahren.

Neben den Tschechen werden auch 400 Amerikaner, Niederländer, Polen und auch Hunderte Deutsche dabei sein. Die Gruppe wird in der Ostslowakei stationiert und umfasst das Flugabwehrsystem Patriot.

Slowaken setzen auf tschechische Unterstützung

Angefordert wurden die NATO-Soldaten von der slowakischen Regierung. Die meisten Bürgerinnen und Bürger des EU-Landes sind Umfragen zufolge eigentlich seit Jahren gegen die NATO-Militärpräsenz in der Slowakei, insbesondere gegen die Anwesenheit von US-Soldaten. Vor allem die linke Opposition ist stark antiamerikanisch. Die Aggression Russlands gegen die Ukraine hat jedoch bei einem Teil der Bevölkerung zu einem Umdenken geführt. Die Beteiligung tschechischer NATO-Soldaten wird aufgrund der guten nachbarlichen Beziehungen in der Slowakei weitgehend akzeptiert.

Tschechische Soldaten beim Bau einer humanitären Basis für ukrainische Flüchtlinge in der Nähe von Liptovsky Mikulas in der Slowakei.
Tschechische Soldaten in der SlowakeiBild: Generalstab der tschechischen Armee

"Die Beziehungen zwischen der Slowakei und der Tschechischen Republik sind außergewöhnlich", sagte der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad im tschechischen Fernsehen. Er erinnerte daran, dass bereits seit mehreren Jahren ein Vertrag über die gemeinsame Verteidigung des Luftraums zwischen den beiden Ländern bestehe. "Zum Beispiel können unsere Piloten fremde Flugzeuge über dem Gebiet der Tschechischen Republik abschießen und tschechische Piloten können über dem Gebiet der Slowakei das Gleiche tun, wenn es nötig ist. Das ist eine wirklich große Übertragung von Souveränität. Das ist es, was unsere Zusammenarbeit möglich macht", so der Minister.

Die Zusage Prags, tschechische Soldaten in die Slowakei zu entsenden, sei eine Reaktion auf die russische Aggression gegen die Ukraine, erklärt der stellvertretende tschechische Verteidigungsminister Frantisek Sulc im Gespräch mit der DW. "Wir setzen uns seit langem für den Schutz des Baltikums ein. Als die NATO begann, die Entsendung eines Kontingents in die Slowakei vorzubereiten, erschien es uns ganz selbstverständlich, unsere Soldaten dort anzubieten. Und die Slowaken waren daran interessiert, dass wir Tschechen das befehlshabende Land dieser Allianzeinheit sind. Das NATO-Kommando hat dieses Modell genehmigt", so Sulc.

Tschechien: Lange Tradition bei Auslandseinsätzen

In der Tat sind drei Jahrzehnte nach dem Auseinanderbrechen des gemeinsamen Staates die Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei außergewöhnlich gut. Hunderttausende von Slowaken leben, arbeiten oder studieren im Nachbarland, die Slowakei ist nach Deutschland der zweitgrößte Wirtschaftspartner der Tschechischen Republik und das Land, in dem tschechische Unternehmen am meisten investieren. Die erste Reise neuer Präsidenten und Premierminister führt immer in die Slowakei - und umgekehrt.

Stellvertretender Verteidigungsminister der Tschechischen Republik Frantisek Sulc
Der stellvertretende tschechische Außenminister Frantisek Sulc ist stolz auf die gute Zusammenarbeit mit der SlowakeiBild: Verteidigungsministerium der Tschechischen Republik

Schon in den 1990er-Jahren sei das Gefühl erlittenen Unrechts im Zusammenhang mit der Trennung der beiden Landesteile und der ungleichen Aufteilung des Haushalts zwischen Tschechen und Slowaken überwunden worden, so Sulc. Die Beziehungen seien derzeit sogar besser als je zuvor. "Das gilt auch für die Zusammenarbeit unserer Armeen, wir arbeiten innerhalb der NATO gut zusammen", erläutert Sulc. "Es handelt sich dabei um wirklich große Einsätze von Soldaten. Die tschechische Armee hat eine lange Tradition bei Auslandseinsätzen, einschließlich großer Kontingente im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren oder der Beteiligung in Afghanistan."

"Dies ist sicherlich die akzeptabelste Option für die slowakische Gesellschaft. Das ist besser, als wenn Deutsche oder Amerikaner die NATO-Einheit leiten würden", bestätigt Vit Dostal, Geschäftsführer der tschechischen Vereinigung für internationale Angelegenheiten (AMO) . "Auch aus Sicht der tschechischen Gesellschaft ist der Einsatz tschechischer Soldaten in der Slowakei am akzeptabelsten", erklärt er im Gespräch mit der DW. 

Geschäftsführer der Association for International Affairs (AMO) Vit Dostal
Vit Dostal, Geschäftsführer der tschechischen Vereinigung für internationale AngelegenheitenBild: AMO

Die slowakische Armee ist eine der schwächsten in der NATO. Sie verfügt nur über 18.000 Soldaten und weitgehend veraltete Ausrüstung. Nur wenige modernisierte MiG-29-Kampfflugzeuge bilden die Basis ihrer Luftwaffe. Die tschechische Luftwaffe ist etwas besser aufgestellt und hat eine relativ große Flotte von Kampfflugzeugen mit 35 Gripen- und ALCA-Kampfflugzeugen. Die Armee ist mit 35.000 Mann auch stärker als die Truppe des Nachbarlandes und verfügt über 119 Panzer und etwa 500 gepanzerte Kampffahrzeuge. Die Tschechische Republik mit ihren zehn Millionen Einwohnern hat im Jahr 2021 rund 3,6 Milliarden Euro für Verteidigung ausgegeben, 1,46 Prozent des BIP. Die Slowakei mit fünf Millionen Einwohnern dagegen hat zwei Milliarden Euro ausgegeben, etwa 1,75 Prozent des BIP.

Tschechische Hilfe für ukrainische Flüchtlinge in der Slowakei

Während Hunderte von tschechischen Soldaten der NATO-Mission noch ihre Sachen für die Slowakei packen, sind fünfzig tschechische Soldaten bereits seit dem 7. März 2022 im Einsatz an der slowakisch-ukrainischen Grenze. Sie folgten einer Bitte Bratislawas, bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu helfen, erklärt Oberst Magdalena Dvorakova vom Generalstab der tschechischen Armee gegenüber der DW. "Tschechische Soldaten haben in den letzten Tagen in der Nähe von Liptovsky Mikulas einen humanitären Stützpunkt mit einer Kapazität von bis zu 400 Personen errichtet."

Tschechische Soldaten vor einem Zelt im Schnee in der Slowakei installieren eine Heizung.
Tschechische Soldaten errichten in der Slowakei ein Camp für Flüchtlinge aus der UkraineBild: Generalstab der tschechischen Armee

Das Lager, das mit einem Stromgenerator, einer Zeltheizung und anderen notwendigen Einrichtungen ausgestattet ist, wurde am Freitag, den 11. März 2022, fertig gestellt. "Zwanzig tschechische Soldaten bleiben jetzt vor Ort und werden den Betrieb der humanitären Basis sicherstellen. Die anderen sind zurückgekehrt. Die ersten ukrainischen Flüchtlinge kommen bereits in diesen Tagen an", so Dvorakova.

Bis zum 14. März 2022 waren rund 150.000 Flüchtlinge in der Slowakei angekommen, von denen etwa die Hälfte im Lande blieb. Ein großer Teil von ihnen reiste weiter in die Tschechische Republik.

Porträt eines Mannes mit blondem Haar, er trägt ein weißes Hemd und ein blau-schwarz kariertes Sakko
Lubos Palata Korrespondent für Tschechien und die Slowakei, wohnhaft in Prag