Trump und andere "Unannehmlichkeiten"
3. Februar 2017Flüchtlinge
Europa steht unter Druck. Wegen einer Serie von Wahlen, in denen rechtspopulistische Parteien gut abschneiden könnten, heißt die Devise: Flüchtlingszahlen weiter senken. Nach dem Vorbild des Türkei-Abkommens will die EU jetzt dringend die Route über Libyen schließen. Rund 180.000 Menschen kamen darüber 2016 nach Europa, weitere 350.000 sitzen derzeit noch in Libyen fest. Deswegen verhandelte Brüssel schon an Donnerstag trotz der politisch unsicheren Lage im Land mit der anerkannten Einheitsregierung von Fayez al-Sarraj.
Ziel ist, die libysche Küstenwache auszubilden und auszurüsten, damit die Flüchtlinge aus diversen afrikanischen Ländern mit den Gummibooten der Schlepper überhaupt nicht mehr in See stechen können. Bisher wurden Flüchtlinge hinter der Seegrenze von der italienischen Marine und der EU-Mission Sophia gerettet und nach Italien gebracht. Damit soll Schluss sein. Allerdings ist die libysche Küste fast 2000 Kilometer lang und Regierungschef al-Sarraj kontrolliert nur einen Teil. Auch ist offen, wie die EU mit der katastrophalen Menschenrechtslage der Flüchtlinge in Libyen umgehen will, und wie verlässlich die libysche Küstenwache als Partner ist.
Um die Menschen aufzunehmen, sollen Lager in Libyen und in anderen nordafrikanischen Ländern gebaut werden, möglichst unter Beteiligung des UNHCR. Zu diesem Zweck müsste die EU auch das Konzept des "sicheren Drittstaats" ändern und den Flüchtlingen lediglich Aufnahme an einem "sicheren Ort" garantieren. Das bedeutet überwachte Transitlager, von wo aus sie in ihre Heimat zurück geführt werden sollen. Damit verbunden sein soll aber ein Anteil legaler Migration. Darüber wird weiter gestritten: Deutschland fordert umfassende Solidarität - die Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei lehnen dies weiter ab.
Trump
Ratspräsident Donald Tusk hat in seinem Einladungsbrief an die europäischen Kollegen gewaltig vom Leder gezogen: Die EU sei inzwischen von besorgniserregenden Bekanntmachungen der neuen amerikanischen Regierung bedroht, neben der aggressiven Politik Russlands und Chinas. Die Staatengemeinschaft müsse sich auf ihre Einigkeit und Kraft besinnen gegenüber den großen Supermächten. Bei dem Gipfeltreffen wird sich zeigen, zu wie viel Einigkeit gegenüber der Bedrohung durch Präsident Donald Trump die verbleibenden 27 EU-Staaten imstande sind.
Angela Merkel, der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven und der französische Präsident Fraçois Hollande haben das jüngste Einreiseverbot gegenüber Bürgern aus einer Reihe muslimischer Länder scharf kritisiert. Aber werden sich alle dieser Linie anschließen? Zumal klar ist, dass Großbritannien bereits vor seinem Austritt nicht mehr solidarisch mit Europa ist. Theresa May suchte in Washington Händchen haltend die Nähe zu Trump, von dem sie sich einen neuen Handelsvertrag und Vorteile in den politischen Beziehungen erhofft. Trumps offen gezeigten Hass gegen die EU ließ sie dabei unkommentiert, ebenso wie sie auf den Einreisebann erst spät und vorsichtig reagierte. Außenpolitisch hat London seine früheren Freunde und Nachbarn in Europa bereits verlassen.
Brexit
Der Zeitplan für den Brexit von britischer Seite scheint zu stehen. Wenn Ende Februar das Oberhaus das Gesetz über den Ausstieg aus der EU abgesegnet hat, will Theresa May schon zum nächsten regulären Gipfeltreffen am 9. und 10. März das Verfahren nach Artikel 50 in Gang setzen. Bereits am Donnerstag - wiederum rechtzeitig zum Malta-Treffen - legte sie ein Weißbuch zum Brexit vor, das die Hauptverhandlungslinien der Briten andeutet.
Die EU ihrerseits will innerhalb von drei Wochen ein Strategiepapier vorlegen. Anfang April soll es einen weiteren Sondergipfel geben, auf dem die Regierungschefs die gemeinsamen Linien absegnen. Danach beginnen die Gespräche, die für EU Kommission von Michel Barnier geführt werden, dem früheren französischen Minister und Ex-Kommissar. Beim EU-Parlament ist der Liberale Guy Verhofstadt zuständig. Die eigentliche Entscheidungsmacht aber liegt beim Rat der Regierungen: Die verbleibenden 27 müssen den Ausstiegsvertrag einstimmig genehmigen, bei dem es unter anderem um Milliardenforderungen der EU an die Briten gehen wird. Aber die Frist dafür und für den Übergangsvertrag, der das Verhältnis bis zu einer viel späteren Neuregelung des Verhältnisses festlegt, ist erst das Frühjahr 2019. Zeit für viele weitere Brexit-Gipfel.
Russland
Die EU-Sanktionen gegen Russland laufen noch bis zum Sommer 2017. Was danach daraus wird ist ungewiss. Länder wie Ungarn, aber auch Italien und Österreich, die hoffen mit Russland wieder Geschäfte machen zu können, wollen die Sanktionen auslaufen lassen. Dabei zeigt die gegenwärtige erneute Offensive in der Ostukraine, dass Moskaus Spiel noch nicht zu Ende ist und Präsident Putin die Minsker Verträge eher nicht einhalten will.
Hier wird viel davon abhängen, wie sich Trump gegenüber Wladimir Putin positioniert und wie bedroht sich die Osteuropäer von der neuen Achse Moskau-Washington fühlen könnten. Jedenfalls wird die Russland-Politik einer der Prüfsteine für die Einigkeit Europas.
Visionen
Beim Gipfeltreffen von Bratislava, direkt nach dem Brexit-Votum, einigten sich die EU-Regierungschefs auf einen pragmatischen Ansatz für die Zukunft Europas: Keine großen Vertiefungsversuche mehr, stattdessen soll eine konkrete Politik der kleinen Schritte die Bürger überzeugen - etwa bei der Jugendarbeitslosigkeit, der Sicherung der Außengrenzen oder der gemeinsamen Verteidigung. Ende März allerdings feiern die verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten in der italienischen Hauptstadt den 60. Jahrestag der Römischen Verträge. Ob angesichts der politischen Großwetterlage die Zukunft Europas mit so kleiner Münze gesichert werden kann, ist ungewiss. Möglicherweise ist es doch Zeit für die eine oder andere Vision.