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Politik

"Trump-Skandale sind keine große Sache mehr"

29. September 2020

In normalen Zeiten würde ein US-Präsident wohl über solche Enthüllungen stolpern. Doch Donald Trump könnte von seinen Steuertricks sogar profitieren, glauben Experten vor der ersten TV-Debatte. Aus Washington Ines Pohl.

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Donald Trump
Bild: Reuters/J. Ernst

Das politische Washington schien am Sonntagabend für einige Minuten die Luft anzuhalten: In einem Exklusivbericht legte die "New York Times" offen, dass US-Präsident Donald Trump in zehn von 15 Jahren überhaupt keine Einkommensteuern auf Bundesebene bezahlt hatte, im Jahr 2016 sowie in seinem ersten Jahr als Präsident gerade mal 750 Dollar.

Der Bericht belegt, dass Trump entweder sehr skrupellos im Vermeiden von Steuern war oder ein sehr schlechter Geschäftsmann - oder, was wahrscheinlich ist, beides. Zur Einordnung: Der durchschnittliche US-Bürger zahlt 12.200 Dollar an den Fiskus, 16 Mal so viel wie Donald Trump. Der Präsident selbst bezeichnete die Informationen sofort nach Erscheinen als Lügen, die die liberale Presse verbreite, um ihm zu schaden.

Kurz vor dem ersten TV-Duell

Es dürfte kein Zufall sein, dass die liberale "New York Times", die seit Monaten mit allen publizistischen Mitteln gegen eine Wiederwahl Trumps kämpft, diese Nachrichtenbombe so knapp vor dem ersten TV-Duell platzen ließ, in der offensichtlichen Hoffnung, dass diese Informationen dem demokratischen Herausforderer Joe Biden helfen könnten, in der 90-minütigen Debatte an diesem Dienstag (Ortszeit) Punkte zu sammeln. Es ist das erste von drei TV-Duellen, denen in diesem Corona-Jahr eine besondere Bedeutung zukommt, da die Kandidaten und ihre Teams kaum öffentliche Wahlkampfveranstaltungen bestreiten können und erwartet wird, dass Dutzende Millionen Wählerinnen und Wähler einschalten.

USA | Wisconsin | Joe Biden spricht in der 4. und letzten Nacht des Demokratischen Nationalkonvents 2020 mit Gewerkschaftsarbeitern
Kann Joe Biden beim TV-Duell eigene Akzente setzen oder fokussiert er sich auf Trumps Schwächen?Bild: Reuters/Democratic National Convention

Je 15 Minuten lang soll es um insgesamt sechs Themenkomplexe gehen: um den Supreme Court, also konkret um die Nachfolge der vor anderthalb Wochen verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg, um COVID-19, die Wirtschaft, Rassismus und Gewalt in den Städten, Trumps und Bidens bisherige politische Bilanz sowie die Integrität der Wahl an sich. US-Geheimdienste befürchten wie 2016 eine Einflussnahme anderer Länder. Trump behauptet seit Wochen, eine Wahl per Post sei unsicher und manipulierbar - und ebnet damit Weg, eine Niederlage anzufechten. Ein Faktencheck während der Sendung ist übrigens nicht vorgesehen.

"Vermutlich wird diese Geschichte allerdings kaum etwas am Wahlverhalten der Trump-Unterstützer ändern", sagt Sheri Berman, Politikwissenschaftlerin am Barnard College der Columbia University. In der sehr polarisierten Medienlandschaft gebe es viele, die davon nur am Rande etwas mitbekämen. Außerdem habe man sich in den vergangenen Jahren an all die vielen Lügengeschichten und Skandale gewöhnt. "Das ist einfach keine große Sache mehr hier in den Vereinigten Staaten", meint Berman.

Ein Beleg für Trumps Cleverness

Und damit nicht genug: Die Wissenschaftlerin hält es durchaus für möglich, dass Trump durch die Steuervermeidung bei einigen seiner Anhänger sogar noch punkten kann, weil sie sein Handeln als Beleg dafür sehen, wie clever der Präsident ist und wie genau er weiß, mit welchen Tricks man die größtmöglichen Vorteile für sich herausholt.

Welche Möglichkeit hat Joe Biden dann überhaupt, in dieser so wichtigen ersten TV-Debatte, die innerhalb und außerhalb der USA von Millionen von Menschen verfolgt werden wird, zu punkten?

Um einen wirklichen Einfluss auf die Wählerinnen und Wähler zu haben, die noch unentschieden sind, müsste sich Biden auf seine Stärken konzentrieren, darüber sprechen, warum er besser geeignet ist, mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation während und nach der Corona-Krise umzugehen. Auch sollte er darauf abzielen, dass er sehr erfahrenes Personal in die Regierung mitbringen würde, das vom ersten Tag an handlungsfähig sei, sagt Berman: "Wir haben 2016 bei Hillary Clintons Wahlkampf gelernt, dass das Fokussieren auf das Negative am Gegner nicht ausreicht."

Florida Donald Trump begrüßt Anhänger
Trumps Anhängern könnten seine Tricks sogar gefallenBild: Reuters/A. Drago

Der Bericht über Trumps mögliche Steuertricks ruft bei den meisten nur noch ein Achselzucken hervor, ist Berman überzeugt. "Alle wissen mittlerweile, was für eine Person Donald Trump ist. Sie wählen ihn wegen seiner Politik - oder auch einfach nur, weil sie die Demokraten nicht mögen."

Die Deutsche Welle überträgt die Debatte live ab 2.45 MESZ auf ihrem englischen News-Kanal. Das zweite Aufeinandertreffen von Trump und Biden ist für den 15. Oktober in Miami/Florida geplant. Die dritte Debatte wird am 22. Oktober in Nashville/Tennessee stattfinden. Außerdem steht noch eine Debatte zwischen den Kandidaten für die Vizepräsidentschaft auf dem Programm. Vizepräsident Mike Pence und die kalifornische Senatorin Kamala Harris treffen am 7. Oktober in Salt Lake City/Utah aufeinander.

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl