1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
GesellschaftDeutschland

Transkript: 45. Inklusion im Film

12. Mai 2022

Für Menschen, die unseren Podcast nicht hören können, stellen wir hier ein Transkript zur Verfügung: Der Film "Weil wir Champions sind" feiert Inklusion und Vielfalt.

https://p.dw.com/p/4BAXf

Zu dieser Ausgabe des Podcasts "Echt behindert!" geht es hier. 

Jingle DWEcht behindert! 

Moderator, Matthias Klaus: Herzlich willkommen zu "Echt behindert", mein Name ist Matthias Klaus. Behinderung muss mehr in den Medien stattfinden . Diese Forderung wird oft erhoben, und sie ist noch lange nicht eingelöst. Wie im Leben, so sind auch in Film und Fernsehen Menschen mit Behinderung immer noch unsichtbar. Und wenn sie vorkommen, etwa ein Blinder im Film "Der Duft der Frauen" oder der berühmte Rollstuhlfahrer in "Ziemlich beste Freunde", dann werden sie immer noch sehr oft von nicht-behinderten Schauspielern gespielt. Heute sprechen wir über eine deutsche Filmkomödie, bei der das anders ist, wo alle, die Behinderte spielen, auch behindert sind. Der Film heißt: "Weil wir Champions sind". Bei mir im Podcast sind dazu der Regisseur Christoph Schnee und einer der Schauspieler, Jonas Relitzki. 

Matthias Klaus: Schönen guten Tag zusammen und hallo. 

Christoph Schnee: Hallo! Guten Tag. 

Jonas Relitzki: Hallo,  freue mich, dabei sein zu dürfen. 

Matthias Klaus: Jonas, worum geht es in dem Film "Weil wir Champions sind"? 

Jonas Relitzki: In dem Film geht's darum, dass wir im Grunde genommen alle Sieger sind, egal was für Menschen wir sind - ob wir ein Handicap haben oder eben nicht, auch wenn man vielleicht nur den zweiten Platz belegt, denn man hat ja die Chance, im Folgejahr eben wieder Erster zu werden. 

Matthias Klaus: Ich fand es übrigens sehr schön, dass die Mannschaft nicht den ersten Platz gekriegt hat, damit da nicht solche großartigen Heldengeschichten "Die Behinderten erobern jetzt die Welt und sind die Superhelden", erzählt werden. Dann war es der zweite Platz. Das fand ich einen sehr schönen Dreh an der Stelle. Jonas, wen spielst denn du in diesem Film? 

Jonas Relitzki: Ich bin der Rudi Kölle. Ein Hypochonder, hab immer meine Wehwehchen, bin immer am Seufzen und Leiden, obwohl ich gar nicht leiden muss, in dem Fall, weil ich da gar nichts habe. Und ich trag immer meinen Armschoner, meinen Knieschoner, meinen Kopfschutz, dass mir auch ja nix passiert. 

Matthias Klaus: Das ist aber etwas, was praktisch durch die Geschichte erfunden ist. Du bist nicht so! 

Jonas Relitzki: Nein. Im echten Leben bin ich nicht so hyperempfindlich. Nein. Nee, da bin ich schon robuster im Nehmen.  

Matthias Klaus: Was machst du denn im echten Leben? Was arbeitest du? 

Jonas Relitzki: Und zwar bin ich zurzeit bei den Alexianern in den Werkstätten, und da bin ich im Grunde genommen im 'Alex Office'. Das ist der Bürobereich. Zurzeit haben wir aber weniger Aufträge in dieser Richtung und [ich] mache gerade viel in der Montage, was mir motorisch nicht so leichtfällt. Ja, aber ich gehe dennoch ganz gerne dahin. Weil ich dort mit Supermenschen zusammenarbeite, zumindest an meinem Arbeitsplatz, wo ich sitze - wenn ich das so sagen darf. Für mich ist die Werkstatt für Menschen mit Handicap nicht die Wunschsung. 

Matthias Klaus: Was würdest du lieber machen? 

Jonas Relitzki: Wenn ich es mir aussuchen dürfte, meinen  Traum leben könnte, wäre ich gerne Profi-Basketballspieler oder Profi-Basketballspieler mit Handicap. Das Problem ist dabei aber, dass es da keine Mannschaften für  Menschen gibt, die eine Geh-Beeinträchtigung haben, sondern man müsste dafür dann eben direkt in den Rollstuhl. Und das möchte ich nicht so gerne. 

Matthias Klaus: Du bist schon Basketballfan oder -spieler gewesen, bevor es diesen Film gab, oder hast du das gelernt für diesen Film? 

Jonas Relitzki: Also Basketballfan bin ich schon ziemlich lange. Ein Freund von mir hatte lange Zeit hier in der deutschen Liga gespielt, in der BBL, und sein Vater hat schon an der Grundschule die Jungs und Mädels trainiert. Und ja, darüber bin ich zum Basketball gekommen. 

Matthias Klaus: Wir reden gleich weiter. Hier kommt jetzt erst mal ein kleiner Ausschnitt aus dem Film. Und weil wir hier ja Audio sind, haben wir direkt einmal die Audio Description (im Folgenden: AD) dazu geschaltet. 

Filmsound: Ich geb‘ dir jetzt den Ball und los geht's.  

AD: Der Rothaarige dribbelt zum Korb, der andere bleibt stehen. Perplex schaut Andreas ihn an. 

Filmsound: Was wird denn das? Worauf wartest du? Matze hat doch den Ball. 

AD: Andreas schließt kurz die Augen.  

Filmsound: Wie heißt du? Eigentlich heiße ich Ulrich. Aber meine Freunde nennen mich Uli. Ist kürzer. Gut, Uli. Ich möchte, dass du …. Wie heißt du? 

AD: Uli grinst.  

Filmsound: Das habe ich doch schon gesagt. Ich heiße Andreas. Uli. Ach, du heißt auch Uli.  

AD: Katrin lugt durch die Jalousien des Bürofensters in die Halle.  

Filmsound: Du heißt Uli. Hast du nicht vorhin gesagt, du heißt auch Uli? Nein, das habe ich nicht.  

AD: Matze kommt.  

Filmsound: Ich heiße nur Andreas. Verstanden? Ah ja, schon gut. 

Trainer, darf, darf, darf ich dir auch mal etwas sagen? 

AD: Der Schnurbärtige 

Filmsound: Ja, jetzt nicht.  

AD: Andreas senkt den Blick.  

Filmsound: Die Schuhe passen hier nicht rein.  

AD: Alle schauen zu Boden. 

Filmsound: Die passen aber gut zu meinem Kopfschutz. 

Nächstes Mal bringst du Turnschuhe mit, und den Kopfschutz brauchst du hier auch nicht. 

Das sehen wir noch. 

AD: Der Fan mit den Locken trägt Lederstiefel.  

Filmsound: Noch mal von vorn. Ich möchte jetzt, dass ihr beide 

Ich bin Matze 

Uli und Matze, ihr seid jetzt ein Paar, und deswegen werdet ihr zusammen …  

Ich bin doch vergeben …  Das weiß ich doch. Vergiss mal deine Freundin.  

Wieso soll ich die vergessen?  

Mit der kannst du später spielen, du spielst jetzt mit Uli.  

Wir spielen nicht, wir ficken.  

Was hab‘ ich gesagt? Ne Nutte! 

Okay, dann noch mal ganz von vorne: Uli und Matze … und Maria. Langsam habe ich wirklich genug von deiner Freundin.  Nein, so heiße ich: Matthias "Maria" Brauns.  

Ich bin Uli Gericke. Eigentlich heiße ich Ulrich, aber meine Freunde nennen mich Uli, ist kürzer.  

Matthias Klaus: Das ist ein Film, zu dem es eine Vorlage aus Spanien gibt. Frage an den Regisseur Christoph Schnee: Unterscheidet sich die Vorlage [von der deutschen  Fassung]? Oder ist das mehr oder weniger eine eins zu eins Übersetzung? 

Christoph Schnee: Nein, eins zu eins ist die Übersetzung tatsächlich nicht. In dem spanischen Film gibt es eine Geschichte über einen Menschen mit Behinderung, der in einer mixed Mannschaft gespielt hat, also in einer Mannschaft, die aus Menschen mit Behinderung besteht und Menschen, die keine Behinderung haben, und sie haben tatsächlich an einem sehr internationalen Wettbewerb teilgenommen, haben gewonnen, und im Nachhinein wurde, weil ein irrer Maßstab angelegt wurde, dass nicht genug Menschen mit Behinderungen in dieser Mannschaft waren, deshalb wurde ihnen der Titel aberkannt. Und uns war es halt wichtig. Deutschland ist jetzt originär nicht so ein Basketball-affines Land wie zum Beispiel Spanien, die sind da deutlich mehr engagiert. Insofern haben wir da zum Beispiel die Geschichte angepasst und haben uns entschieden, das herauszulösen. So wie wir im privaten Bereich der Geschichte ein etwas moderneres Frauenbild zeichnen wollten. Da hat der spanische Film doch zum Teil auch sehr bizarre Übertreibungen, also dass der Hauptdarsteller zu seiner Mutter ins elterliche, ins kindliche Schlafzimmer zurückkehrt. Das war uns dann doch ein wenig zu skurril und zu albern. Und ebenso im spanischen Original ist seine Frau, nachdem die Beziehung zu Ende geht, doch ständig an seiner Seite, obwohl sie eigentlich einen Konflikt haben, weshalb er nicht bereit ist, mit ihr ein Kind zu bekommen, wegen der möglichen Gefahr, dass das Kind eben eine Behinderung hat. Und diese Frau nimmt trotzdem an vielen Trainingssituationen und an vielen Spielen teil, fährt sogar das Wohnmobil, das gemeinsame Club Mobil. Und dafür haben wir dann die Figur des Sohnes ins Leben gerufen, weil uns wichtiger war, dass der Vater mit dem Sohn, der eigentlich Schauspieler werden möchte, sein Leben auf eine Art und Weise spiegelt, intensiv spiegelt und gespiegelt bekommt. Das war uns ein wichtiger Veränderungsschritt, den wir gegangen sind. Gleichwohl gibt es die Frau, auch die Beziehung, die in die Brüche geht, das haben wir im Kern schon beibehalten, aber eben nicht in einer so ausführlichen Art wie die spanischen Kollegen entschieden haben. Was die "Heldenreise" - wie wir unsere Stars genannt haben, alle Menschen mit Behinderung was die "Heldenreise" angeht, da sind wir sehr treu bei dem geblieben, was der spanische Film entworfen hat. Das wirklich sehr gelungen und so voller Lebensfreude und toller Situationen, die wir dankbar angenommen haben. 

Matthias Klaus: So mal eine ganz kleine Zusammenfassung. "Heldenreise" - hier gibt es einen Basketballtrainer, der Ärger hat, der mit Alkohol am Steuer erwischt wird, der dann Sozialstunden ableisten muss. Die wiederum leistet er in einer Einrichtung ab, die der Lebenshilfe sehr ähnlich ist, würde ich mal sagen. Und dort trainiert er eine Basketballmannschaft, und am Ende werden sie fast deutscher Meister. Kleine Sachfrage zwischendurch, was der Audiodeskription nicht zu entnehmen war. Diese Liga in der hier gespielt wird, das ist keine normale - in Anführungsstrichen - Basketballliga, sondern eine Behindertensport-Basketball-Liga. Oder ist das gar nicht so klar? 

Christoph Schnee: Doch, das ist eine Behindertenbasketball-Liga, über die wir dort erzählen. Also die gibt es in der Form nicht. Es gibt andere Ligen und Klassen, da wird tatsächlich auch sehr genau unterschieden zwischen Special Olympics und den Freizeitligen. Also das war wirklich sehr, sehr kompliziert, und insofern haben wir dort eine Vereinfachung verabredet. Wir nennen das Regionalliga bei uns. Aber im Bild sieht man dann tatsächlich, es ist eine Regionalliga für Menschen mit Behinderung. 

Matthias Klaus: Alles klar. Jonas, wenn du eigentlich in einer Werkstatt arbeitest, wie bist du dazu gekommen, in diesem Film mitzuspielen? Wie hast du davon gehört? Wie ging das mit dem Casting dann weiter? Und wie hat sich das entwickelt, dass du jetzt auf einmal Schauspieler warst? Oder bist du eigentlich Schauspieler? 

Jonas Relitzki: Nein, ich bin Laiendarsteller und das schon seit langem. Seit 2014 mache ich das mit großer Leidenschaft und bin da sehr engagiert, ich bin Teil der "Theaterkönige". Das ist ein inklusives Theaterprojekt. Da sind Profischauspieler ohne Handicap und ja, Laiendarsteller mit Handicap. Und da kam dann eine Anfrage zu dem Casting für "Wir sind Champions". Ja, ich wurde für dieses Casting empfohlen, bin dann dahin gegangen und muss da was richtig gemacht haben. Mit der Schauspielerei ist es im Moment so bei mir, dass ich sehr, sehr viele Anfragen bekomme, von den verschiedensten Theaterprojekten. Und ja, ich muss jetzt mal gucken, was ich davon alles mache oder auch nicht mache. 

Matthias Klaus: Das heißt, da gibt es auch Ergebnisse, wenn man denn einmal in so einem Film mitspielt. Wie war das mit dem Drehen selbst? Wie hast du diese Drehs erlebt? Ist das extrem anstrengend oder sagst du: Ich bin sowieso Laienschauspieler. Ich stecke das hier mal so locker weg. 

Jonas Relitzki: Einfach war es in dem Sinne auf gar keinen Fall. Das war für alle Beteiligten sehr, sehr anstrengend. Es gab so ein inklusives Filmprojekt in Deutschland noch nie, und man wusste auch nicht, ich wusste nicht, was da auf mich zukommt. Ja, es war anstrengend, weil ich einfach noch nicht wusste, was da passiert, was von mir verlangt wird. Manchmal waren Anforderungen an mich oder auch an die anderen gestellt, die sie vielleicht nicht direkt so auf Anhieb umsetzen konnten, weil es nicht direkt verstanden worden ist, aber da mussten dann Lösungen geschaffen werden. Und man hat ja im Grunde genommen auch voneinander gelernt, wie man mit gewissen Dingen umgehen musste, würde ich sagen. Oder? Christoph? 

Christoph Schnee: Jonas, Du hast das sehr toll beschrieben. Wir haben da tatsächlich auch sehr dankbar die Erfahrung der spanischen Kollegen in unsere gesamte Produktionsplanung mit einbezogen, und ich bin Vater eines Sohnes mit Downsyndrom. Insofern ist mir bekannt, wie wichtig für viele gehandicapte Menschen eine Strukturierung, eine nochmal stärkere Strukturierung im Alltag und natürlich für so ein besonderes Projekt ist, um Sicherheit zu geben, um Hilfestellung zu geben, um für wirklich alle Beteiligten. Sicherheit, okay, Verlässlichkeit: Wann bin ich dran? Wann werde ich abgeholt? Worum geht es in dieser Szene? Und da haben wir verabredet, einen ganzen Monat vorher in Probenarbeiten zu gehen, was eine ganz fantastische, wunderbare Zeit war, weil dort natürlich auch ganz viel Eigenes von allen einzelnen Laiendarstellern mit Handicap zu Tage getreten ist, die 'ich' - Schrägstrich 'wir' - also die Autoren und ich - dann gerne in die Szene eingearbeitet haben. Und dennoch ist natürlich dann alles noch mal ganz anders, wenn man am Drehort ist. Dann scheint plötzlich die Sonne heißer als wir uns das alle gedacht haben. Dann ist es plötzlich ein Riesenthema, dass der Verkehr wahnsinnig laut ist und stört, dass vielleicht jemand neben einem steht, mit dem man nicht so gut klarkommt. Und es treten auf einmal belastungsintensive Störungen auf. Und auf einmal möchte jemand natürlich rausgehen aus dieser Situation. Und das führte für mich und für uns alle dann immer wieder an große Grenzerfahrungen, weil einige aus unseren Reihen dann nicht in der Lage waren, den Belastungen standzuhalten und die Pause für sich quasi als sehr notwendig formuliert haben und wo mir als Regisseur natürlich bisweilen das Herz in die Hose gerutscht ist, weil ich gedacht habe: Oh je, wie kriegen wir denn die Person jetzt aus einer Pausensituation? Und auch so Aussagen wie: 'Ich habe jetzt keinen Bock mehr zu spielen, ich will gar nicht mehr Schauspieler werden, das ist mir alles zu anstrengend.' Wie gelingt es uns, ihn wieder positiv zu motivieren, damit er mit Freude dabei ist und wir diese Szene dann auch mit Freude zu Ende drehen können? 

Matthias Klaus: Das heißt, diese Szene mit 'Er hat jetzt gerade seine Auszeit' ist durchaus realistisch. 

Christoph Schnee: Absolut. Das ist wirklich durchaus realistisch. Wir hatten zwei Menschen mit Behinderung, mit autistischen Behinderungen bei uns. Es ist einmal der Nico Michels, und der andere ist der Matthias Sander. Und die beiden waren dann wirklich, auch wenn sie an ihrer Belastungsgrenze warenDas war das Beispiel an der Bushaltestelle, wo die ganze Mannschaft dann im Film auf Krawczyk wartet. Die Sonne schien ihm so in die Augen, dass er so gestresst war und nicht mehr in der Lage, sich zu konzentrieren und ist dann vom Set gegangen und sagte, er kann nicht mehr, er will nicht mehr, hat auch keine Lust mehr, Schauspieler zu sein. Und beim Nico gab es eine Situation, dass ihm blöderweise immer wieder die Beine einschlafen, was weder ich noch sein Betreuer wussten oder auf dem Schirm hatten. Und dann habe ich den Nico gebeten, er möge doch bitte seine Beine einziehen, weil Wotan - er spielt Andreas, den Trainer - so schwer an ihm vorbeikam. Das hat Nico aber so gestresst, dass er mit einem Mal die Halle verlassen hat und dann wirklich auch einen Wutausbruch bekam. Und es hat erst mal ein, zwei Tage für uns alle gebraucht herauszufinden, was Nico denn jetzt wirklich so gestresst hat. 

Matthias Klaus: Jonas, hattest du auch mal den Moment, dass du hinschmeißen wolltest, dass dir das alles zu anstrengend war? 

Jonas Relitzki: Nein, dieses Gefühl des Hinschmeißens kam bei mir nie auf. Ich habe dann sogar bei anderen, wo es aufgetreten ist, eher wieder versucht, sie positiv zu stimmen, ihnen wieder Mut zu machen, ihnen im Rahmen meiner Möglichkeiten auch wieder Energie zu geben. Bei meinem Handicap ist es aber natürlich auch so - ich habe eine körperliche Beeinträchtigung - dass ich da auch meine Pausen brauche. Am Anfang habe ich mich vielleicht nicht so getraut, direkt zu sagen: "Hört mal, ich muss mich jetzt mal zehn Minuten hinsetzen, mich einfach entspannen." Es kam dann aber nach und nach öfter, dass ich auch mal sagen konnte, dass ich jetzt einen Break brauche, und das war dann auch okay. Und wenn ich diese Auszeit dann hatte, konnte ich auch wieder loslegen. Aber wenn zehn Stunden oder vielleicht sogar noch länger am Stück gedreht wurde, kam ich gegen Ende dann auch manchmal an meine Grenzen. 

Matthias Klaus: Jeder in der Basketballmannschaft hat ja so - ich sage mal - seine Macken, die auch ausgespielt werden, was den Humor in diesem Film angeht. Der eine verwendet drastische Sprache, der nächste singt gerne und macht sie alle wahnsinnig damit und so weiter. Sind das eigentlich Sachen, die jetzt ins Drehbuch geschrieben wurden oder sind das auch persönliche Eigenschaften von den Leuten, die da wirklich geschauspielert haben? Jonas, wie war das? Seid ihr teilweise auch so oder ist das alles erfunden? 

Jonas Relitzki: Uff, das ist eine schwere Frage. Also zu meiner Rolle des Rudi Kölle kann ich sagen: Die ist von mir komplett gespielt. So bin ich im wirklichen Leben nicht. Vielleicht bei den anderen Schauspielern, würde ich sagen, ist es so ein Zwischending, [oder] Christoph?  

Christoph Schnee: Ja, da stimme ich dem Jonas vollends zu. Die Rolle, so tatsächlich einen  Hypochonder zu spielen, das war für uns auch wirklich eine große Frage. Wer versteht die Ironie und auch die Schwierigkeit der Rolle? Und die hat der Jonas wirklich brillant verkörpert. Und das haben wir auch so offen mit ihm kommuniziert. Und - so wie er sagt - gab es für alle anderen Rollen dann eben auch gewisse Vorstellungen von uns, wie in den Figuren lebensnah die Eigenschaften mit reinkommen. Und da habe ich, da haben wir, im Casting-Prozess sehr, sehr genau hingeschaut und gehört: Wer macht was eben gerne. Matthias Sander zum Beispiel, der den Waldemar spielt, der singt wahnsinnig gerne, und bis heute möchte er gerne mit mir unter der Dusche schmusen - dieses Schmusen, das er so wunderbar verkörpert hat. Ja, der Simon steht genau wie der Niko auch auf sehr drastische Filmformulierungen. Also ja, ich kann dem Jonas da vollumfänglich zustimmen. Das ist die Hälfte der Idee des Drehbuchs, und war die Vision des Films. Und es kam dann einfach auch Persönlichkeit dazu, wie zum Beispiel der Christian Forst, der halt nicht flüssig sprechen kann oder dem es sehr schwerfällt, der sehr viel stottert. Und das haben wir dann auch hundert Prozent in das Drehbuch eingearbeitet. 

Filmsound: Was macht er denn? 

AD: Uli steigt mit Helm auf ein Mofa.  

Filmsound: Darf er das denn überhaupt? 

AD:  Uli fährt davon  

Filmsound: Der bringt sich doch um oder noch schlimmer, andere. Uli hatte noch nie einen Unfall und du? Das kann man doch gar nicht vergleichen. Dieser Uli packt sein Leben vollkommen selbstständig.  

AD: Ein Wecker auf 5:30 Uhr.  

Filmsound: Er hat sogar eine Ausbildung als Zweiradmechaniker   

AD: Uli mit Latzhosen in einer Werkstatt. 

Filmsound: Darin ist er echt gut. Trotz Asperg er oder gerade deswegen. Uli kann Motoren nicht nur auseinandernehmen, sondern auch wieder zusammenbauen, ohne dass Teile übrigbleiben.  

AD: Uli mit Steckschlüssel an einem Motor. 

Filmsound: Tschüss, Katrin. Tschüss, Michael. Michael ist nicht ganz so fit. Deshalb wohnt er in einer WG. Aber auch er hat einen Job, als Gärtner. Er hat ein ganz spezielles Verhältnis zu seinen Pflanzen. Halt die Klappe! Du bist die Schlimmste.  

AD: Michael besprüht eine Chili Pflanze  

Filmsound: Tschüss. Tschüss, Tino. Tino arbeitet in den Bonner Werkstätten. Er näht alles Mögliche, aber hauptsächlich Taschen. Ich bekomme jedes Jahr eine. Und tschüss. Tschüss. Gregor arbeitet im Restaurant seines Bruders. Der hat ihn nach dem Tod ihrer Eltern bei sich aufgenommen. Beide Krebs. Kurz hintereinander. So was schweißt zusammen. Superfarbe, Matze. Danke, Katrin, tschüss. Matze legt sehr viel Wert auf sein Styling. Deshalb arbeitet er als Aushilfe in einem Friseursalon. Da ist noch was drin. Darf ich den Rest haben? 

AD: Matzes Chefin nickt.  

Filmsound: Danke.  

AD: Der Stirnbandträger.  

Filmsound: Tschüss, Trainer. Wäscht er sich überhaupt nicht? Als Waldemar klein war, ist er fast ertrunken. Seitdem meidet er das Wasser wie die Pest. 

Matthias Klaus: Wie schwierig war das, die Geldgeber zu überzeugen? Ich nehme mal an, nach dem, was ihr erzählt habt, wie die Proben und schon wie die Castings, wie dann auch das Drehen gelaufen ist. Das dauert ja vermutlich länger. Hat da jemand gesagt: Um Gottes Willen, das schaffen wir nie, das ist viel zu viel Geld, das haben wir nicht. RTL-Produktionen sind kleiner, bitte lasst das. Wie habt ihr die überzeugt? 

Christoph Schnee: Ja, das war tatsächlich auch ein großer Glücksmoment, denn wir haben dann überlegt, an wen treten wir ran? Wer könnte geeignet sein? Und erfreulicherweise - der damalige RTL-Fiction Leiter, Bernd Reichert, ist mit einer spanischen Frau verheiratet, und er kannte diesen Film aus Spanien. Er wollte von sich aus den Film in seinem Programm haben und hat dann gesehen: Oh, da ist ein Sperrvermerk, daran hat schon jemand die Rechte erworben. Und das war dann eben die Firma Constantin, und wir hatten die [Rechte]. Und dann kam er auf uns zu und hat gesagt, er möchte diesen Film unbedingt haben. Bis zu einer gewissen Summe konnte er dann auch als Chef sagen: "Kann ich loslegen?" Dann fehlte uns noch ein Betrag. Und wir sind dann an die Filmstiftung herangetreten und haben Fördermittel beantragt und sind dort auch mit Kusshand gefördert worden. Und insofern war die Finanzierung erstaunlicherweise erfreulich unkompliziert. Das haben wir uns auch deutlich schwieriger vorgestellt. Und ich weiß auch nicht, wenn diese wunderbare Begegnung und dieser Zufall uns nicht in die Karten gespielt hätten, wie viele Jahre wir vielleicht doch hätten hausieren gehen müssen und sagen: "Ja, bitte, gebt uns Geld, um diesen Film machen zu können."

Matthias Klaus: Jonas, die letzte Frage an dich: Wenn du diesen Film heute schaust, was gefällt dir da, wenn du dich selbst siehst und euch sozusagen als Filmcrew siehst, was gefällt dir da am besten? 

Jonas Relitzki: Was ich besonders stark finde oder was mir besonders gut an dem Rudi Kölle gefällt, ist wie ich ihn gespielt habe. Dass ich den Jonas, wie er so im Alltag normal lebt, wirklich ausblenden konnte und ich es wirklich geschafft habe, in die Rolle dieses Rudi Kölle zu schlüpfen und auch mir dann vorstellen konnte - sogar bildlich im Kopf - wie dieser Rudi Kölle -wenn es ihn wirklich gäbe - wie er eben wäre. Und das fand ich besonders stark. 

Matthias Klaus: Christoph, an dich die letzte Frage: Gibt es Projekte für etwas Ähnliches? Möchtest du an diesem Thema dranbleiben oder war das jetzt Zufall oder eine einmalige Aktion? 

Christoph Schnee: Nein, ich möchte an dem Thema wirklich dranbleiben. Und so viel kann ich verraten: die Produzentin und ich, wir sind an diesem Thema dran, auch in dieser Konstellation weitere Projekte, Filme, Serien zu machen. Und wir hoffen sehr, dass unser Film diesbezüglich ein großer Türöffner deutschlandweit ist, damit so was möglich ist. Und wir bleiben voller Energie und Freude an dem Thema dran.  

Matthias Klaus: Wir haben heute gesprochen über den Film "Weil wir Champions sind", der bei RTL plus im Streaming derzeit läuft und am 26. Mai im Free TV auch bei Vox zu sehen ist. Dann gibt es auch eine Audiodeskription über die App 'Greta' dazu. Details zu Ausstrahlungsterminen und wie man die Audiodeskription anschaltet, gibt es bei uns in den Shownotes. Das war "Echt behindert" für heute, mit Jonas Relitzki, einem Schauspieler aus dem Film "Weil wir Champions sind" und dem Regisseur des Films, Christoph Schnee. Ich danke euch beiden, dass ihr Zeit für uns hattet. 

Jonas Relitzki: Gerne. Vielen Dank an dich. 

Christoph Schnee: Vielen Dank an dich. 

Matthias Klaus: Das war "Echt behindert" für heute, mein Name ist Matthias Klaus. 

Jingle: Mehr Folgen unter dw.com/echtbehindert  

 

Dieses Transkript wurde zum Zwecke der Barrierefreiheit unter Nutzung einer Spracherkennungs-Software erstellt und danach auf offensichtliche Fehler hin korrigiert. Es erfüllt nicht unsere Ansprüche an ein vollständig redigiertes Interview. Wir danken für das Verständnis.