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25. Gaming für alle – Computerspiele ohne Grenzen

4. August 2021

Für Menschen, die unseren Podcast nicht hören können, stellen wir hier ein Transkript zur Verfügung: Barrierefreiheit in Games ist auf dem Vormarsch, auch wenn längst noch nicht alles großartig ist.

https://p.dw.com/p/3xlyO

Zum Podcast geht es hier.

Jingle: DW. "Echt behindert!" 

Moderator Matthias Klaus: Herzlich willkommen zu "Echt behindert!" Mein Name ist Matthias Klaus. "Computerspiele sind nur was für kontaktscheue Jungs in Kellern. Sie machen aggressiv und süchtig. Und überhaupt rausgehen ist pädagogisch sinnvoller." So wurde lange auf Gamer geschaut. Doch so ganz stimmt das nicht mehr. Denn inzwischen spielt halb Deutschland Computer- oder Konsolenspiele und da sind auch eine Menge Frauen dabei. Und was auch dabei ist: immer mehr davon sind Menschen mit Einschränkungen, Menschen mit Behinderung. In "Echt behindert!" geht es heute um barrierefreies Gaming. Dazu habe ich hier Expertinnen und Experten: Melanie Eilert. Sie musste ihre Gaming-Leidenschaft eine zeitlang unterbrechen, ist aber inzwischen wieder dabei. Dennis Winkens ist auch einer der Gamer, die mit Handicap gamen und Saskia Moes vom Projekt "Gaming ohne Grenzen"

Erst mal schönen guten Tag zusammen. 

Saskia Moes: Hallo! 

Dennis Winkens: Hallöchen! 

Melanie Eilert: Hallo! 

Matthias Klaus: Melanie, du hast welche Gaming Geschichte bis heute? 

Melanie Eilert: Ja. Also wie du gerade schon angekündigt hattest, musste ich meine Gaming Geschichte sozusagen über längere Zeit unterbrechen. Also ich habe in der Kindheit gespielt, da hatte ich vor allem ein Super Nintendo und einen Game Boy Color. Und mit Fortschreiten meiner Behinderung, ich habe eine fortschreitende Muskelschwäche, konnte ich die irgendwann nicht mehr so gut bedienen. Es war immer anstrengender Spiele zu spielen und hat keinen Spaß mehr gemacht. Dann habe ich lange Zeit nicht mehr gespielt und bin jetzt seit ungefähr 2017 wieder dabei und kann jetzt auch, weil es mehr Einstellungsmöglichkeiten und auch individualisierbare Controller gibt, wieder ganz gut spielen. 

Matthias Klaus: Dennis, wie war das bei dir? Warst du schon immer Gamer? 

Dennis Winkens: Also [ich bin] von Kindheit auf eigentlich immer schon Gamer gewesen. Ja, das fing an wirklich mit dem Game Boy - der allererste, der rauskam. Dann über Commodore 64, die erste PlayStation. Dann [habe ich] im Grunde genommen alle Nintendo Konsolen mitgenommen, die dann so nacheinander rauskamen.

Das zog sich komplett durch. Bis dann 2005 mit 17 Jahren der Unfall kam, wo ich dann ungefähr zehn Jahre lang quasi Gaming-Pause hatte, weil einfach gar kein Gerät irgendwie vorhanden war, was ich zum Zocken nutzen konnte, sondern nur einfache Mund-Maus für den PC, wo man den Cursor bewegen konnte und Links- und Rechts-Klick hat. Da ist natürlich jetzt nicht so viel möglich, was Zocken angeht.

Und seit circa 2015 hab ich jetzt endlich wieder einen Controller gefunden. Der kam dann auf den Markt, wo man vernünftig im Rahmen der Möglichkeiten damit zocken kann. 

Matthias Klaus: Über Controller reden wir gleich noch im Einzelnen. Saskia du bist nicht eingeschränkt. Ist das richtig? 

Saskia Moes: Das ist richtig! Genau! 

Matthias Klaus: Und wie kamst du dann zum Projekt "Gaming ohne Grenzen"? Es ist ja jetzt nichts, wo man denkt: "Oh ja, endlich sollen alle gamen." Sondern irgendwie muss man ja dazu kommen. Warum kümmerst du dich gerade um Behinderte? 

Saskia Moes: Also ich bin auch Gamerin von klein auf. Zocken ist schon sehr lange eine große Leidenschaft von mir. Ich bin selber bei der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW, wo auch das Projekt Gaming ohne Grenzen verortet ist. Und da bestand schon sehr lange der Wunsch ein inklusives Projekt zu machen. Und ich habe mich auch schon länger mit dem Thema der Inklusion beschäftigt. Und dann habe ich meine Leidenschaft quasi damit so ein bisschen verbunden und wir haben zusammen das Projekt Gaming ohne Grenzen ins Leben gerufen. 

Matthias Klaus: Kannst du ganz bisschen erklären. Was macht ihr da? 

Saskia Moes: Ja, sehr gerne. Also Gaming ohne Grenzen ist ein Projekt, wo wir mit Jugendlichen in inklusiven Einrichtungen zusammen digitale Spiele auf Barrierefreiheit prüfen. Also das machen wir zusammen in Jugendgruppen mit Jugendlichen, mit und ohne Behinderung. Und wir schauen einfach: "Wie können alle mitspielen?" 

Matthias Klaus: Was heißt "Alle." Ist das wirklich jede Art von Behinderung, die es gibt? Habt ihr sowas schon mal gesehen? Gibt's Spiele, wo wirklich alle mitspielen können? 

Saskia Moes: Ich glaube, ein Spiel, was wirklich komplett barrierefrei ist für jede Art der Behinderung, ist recht utopisch. Also das ist mir jetzt noch nicht untergekommen.

Aber wir schauen natürlich in den Gruppen: Was ist möglich? Welche Spiele können wir zusammen spielen? Wo treffen wir da auf Hürden? Wie können wir diese Barrieren vielleicht gemeinsam überwinden? Oder wo gibt es Einstellungsmöglichkeiten oder assistive Technologien, die wir zusammen nutzen können? 

Matthias Klaus: Es hängt ja immer davon ab, wer in diesen Gruppen ist. Auf welche Barrieren stoßt ihr denn? 

Saskia Moes: Wir gucken uns die Barrieren in den Gruppen in so vier Bereichen an. Das ist zum einen der Bereich "Hören", der Bereich "Verstehen", der Bereich "Sehen" und der Bereich "Steuern", wo wir dann einfach schauen: 

Im Bereich "Hören" können Personen mit einer Höreinschränkung das Spiel trotzdem spielen. Gibt es z.B. Untertitel, die gut lesbar sind oder werden Geräusche auch visuell angezeigt, aus welcher Richtung sie z.B. kommen?

Dann haben wir den Bereich "Verstehen", wo wir schauen, gibt es total schwierige Rätsel, die man lösen muss? Muss man lesen können? Wird eine sehr komplizierte Sprache verwendet oder gibt es gruselige Momente, wo man sich erschrecken kann?

Dann haben wir den Bereich "Sehen", wo wir gucken: Kann man das Spiel auch spielen, wenn man eine Seheinschränkung hat oder bestimmte Farben nicht gut unterscheiden kann. Also gibt es da auch Auditive Hinweise, starke Kontraste und so weiter?

Und dann haben wir noch den Bereich "Steuern", wo wir uns zum einen anschauen: Welche Einstellungsmöglichkeiten gibt es, um die Steuerung zu individualisieren, bestimmte Tastenbelegungen selber einzustellen? Muss man Tasten gedrückt halten oder gibt es, wie gesagt, assistive Technologien, die man gut nutzen kann? 

Matthias Klaus: Gute Gelegenheit mal konkret zu werden. Dennis, welcher Art ist denn dein Controller? Was kann denn der, was du ansonsten nicht könntest? 

Dennis Winkens: Sagen wir mal so: Also ohne den könnte ich so ziemlich gar nichts am PC machen oder an Konsolen. 

Matthias Klaus: Du kannst also auch keine Hände bewegen? 

Dennis Winkens: Genau. Also ich hab nur Bewegung am Kopf, Hals und noch ein bisschen die Schultern. Ansonsten: Ober- oder Unterarme oder Hände sind da gar nicht möglich. Also ich bin da komplett auf den Kopf angewiesen, was Steuerungen generell betrifft.

Und Das ist im Grunde genommen ein Joystick, den man mit dem Mund bedient und der hat halt vorne drauf ein Mundstück mit insgesamt drei Löchern. Die werden dann durch Pusten oder Ziehen quasi betätigt. Das Ganze kann man sowohl einzeln machen als auch in Kombination.

Man kann sich für jedes Spiel, für jede Spielsituation eigene Profile erstellen, so wie man das aus manchen Spielen kennt. Das Grundprinzip dieses sogenannte "Button Mapping" ist, dass man sich die Spiele anguckt und dann sagt: Okay: "jetzt hier springen" lege ich mir auf- in der Mitte rechts dran ziehen. "Schießen" auf - in der Mitte pusten - so weiter, sodass man sich das individuell zusammenstellt, wie man in jedem Spiel dann am besten wo drankommt. 

Matthias Klaus: Ist das ein Controller, den man jetzt einfach so kaufen kann? Oder hast du den bauen lassen? 

Dennis Winkens: Nee, den hab ich tatsächlich gekauft. Der wurde aber durch einen Amerikaner entwickelt, ein hoch-Querschnittsgelähmter bzw. Tetraplegiker. Wenn ich mich nicht vertue, hat der gesagt: "Moment, es muss doch irgendetwas geben, um eine Konsole spielen zu können, auch wenn ich hoch gelähmt bin."

Und dann hat er wohl jemanden gefunden, der Programmierer ist und dann gesagt hat: "Komm! Es gibt nichts, aber dann muss man was zusammenbasteln." Und so fing das ganze Projekt Quadstick überhaupt an. Und es ist dann immer weiter [gegangen und] größer geworden bis jetzt. Ich glaube 2014 oder 2015 war er soweit endgültig fertig. Es wird aber immer noch immer wieder verfeinert, weil es ja immer wieder Neuerungen gibt. 

Matthias Klaus: Ich bin selbst blind und ich kenne das sehr gut, dass man zwar irgendwie sehr viel machen kann, aber die Sachen sind manchmal langsamer. Wie ist das bei dir? Kannst du in der normalen Spielgeschwindigkeit mithalten? Also wenn ihr zu mehreren unterwegs seid oder wenn es gegeneinander geht, kommst du da in der normalen Geschwindigkeit mit oder stellst du das Spiel langsamer? 

Dennis Winkens: Also es kommt natürlich ein bisschen auf das Genre an. Wenn mehr Inputs gleichzeitig benötigt werden ist das natürlich schwieriger, das Ganze zu kompensieren. Und wenn man das jetzt mit der Tastatur vergleicht: Wenn man Tastatur und Maus oder beim Controller beide Sticks gleichzeitig benötigt, dann muss ich natürlich auch ein bisschen drumherum spielen. Aber vom Grundprinzip kann ich schon auf dem, ich sage jetzt mal, normalen Level in Anführungszeichen des durchschnittlichen Gamers, in der Regel mithalten. Das geht auf jeden Fall. 

Matthias Klaus: Melanie, inwieweit bist du eingeschränkt und was kannst du nicht? Wofür brauchst du jetzt eine bestimmte Hardware? 

Melanie Eilert: Bei mir ist es so, dass ich die rechte Hand bewegen und benutzen kann. Allerdings auch stark eingeschränkt. Das heißt, ich kann schon noch ein paar Knöpfe auf einem normalen Controller betätigen, aber soweit es mehrere auf einmal sind oder die in einer schnellen Abfolge gedrückt werden müssen, hab ich ein Problem.

Zum Spielen benutze ich zum Teil den Xbox Adaptive Controller zusätzlich. Das heißt, da kann man einzelne Knöpfe dran anschließen und sich zusätzlich zu einem normalen Controller irgendwo hinlegen und sozusagen das ersetzen, was man auf dem normalen Controller nicht drücken kann.

Ansonsten bin ich sehr stark auch auf Hilfseinstellungen in der Software angewiesen, also sowohl vom Spiel selbst als auch von der Konsole. 

Matthias Klaus: Hilfseinstellungen in der Software. Was gibt es da inzwischen? Was kann man wirklich anpassen? 

Melanie Eilert: Es ist zum Beispiel möglich, wenn es nicht im Spiel selbst angeboten wird, die Tastenbewegung zu ändern. Dann kann vor allem in Spielen oft eingestellt werden, ob Tasten gedrückt gehalten werden müssen oder ob das als Umschalten funktioniert. Und oft kann inzwischen auch das schnelle Drücken von einer Taste hintereinander [erzeugt werden]. Man muss nur für einen Moment gedrückt halten. 

Matthias Klaus: Vielleicht wechseln wir mal die Behinderung, um es mal so zu sagen. Ich habe mit dem blinden Retro Gamer Christian Ohrens gesprochen. Der erzählt gleich mal an dieser Stelle, was er so macht: 

(Musik von Super Mario spielt im Hintergrund) 

Christian Ohrens, du bist Gamer und blind. Das ist an sich schon mal ungewöhnlich. Und dann hast du auch noch ein merkwürdiges Gaming Hobby. Welche Spiele spielst du? 

Christian Ohrens: Also ich sage selber immer, ich bin begeisterter Retrogamer. Das heißt: Mich reizt das alte Nostalgische dort vor allem Konsolen wie Super Nintendo, PlayStation 1, aber auch so Handhelds wie der Sega Game Gear oder der klassische Game Boy. 

Matthias Klaus: Jetzt stelle ich mir vor, ich hätte so einen Game Boy in der Hand. Da wüsste ich ja nicht mal, wo ich draufdrücken soll oder wie das Spiel startet! Wie funktioniert das? 

Christian Ohrens: Ich hatte Eltern, die selber gespielt haben, damals allerdings angefangen mit dem Commodore 64. Und interessanterweise bin ich halt nie so großgezogen worden mit der Blindheit im Fokus. Das heißt, es wurde nie gesagt: "Das kannst du nicht, weil du blind bist."

Sondern man hat halt immer gesagt: "Okay, das ist jetzt, sage ich mal, ein Computerspiel, da fährt jetzt ein Auto und wenn man jetzt diesen Knüppel hier bewegt, dann bewegt sich auch das Auto", mal ganz praktisch gesprochen. Und ich war einfach neugierig genug, es selber auszuprobieren, um dann festzustellen: "Hey Mensch, da lässt sich durchaus das ein oder andere spielen."

Es war nie in dem Umfang wie der Sehende das spielt. Aber so, dass ich für mich gesagt habe: Ich habe Spaß dran. Und vom Commodore 64 war der Weg dann nicht weit zu Spielekonsolen wie Super Nintendo, Game Boy und Konsorten.

Das heißt, Vorbilder waren da eigentlich immer meine Eltern, die irgendwas neu angeschleppt und angefangen haben. Ein bisschen flapsig gesagt: Und ich hab's dann quasi auch mit ausgetestet, ausprobiert und daran Gefallen gefunden. Im Gegensatz zu vielen damaligen Klassenkameraden, für die das absolut ein rotes Tuch war. 

Matthias Klaus: Wie ist das, wenn du so ein Spiel gestartet hast? Woher weißt du dann, was man in diesem Spiel machen muss? Du siehst es ja nicht. 

Christian Ohrens: Also viele Spiele folgen ja immer dem gleichen Prinzip. Das heißt der Spielentwickler, der erfindet seltenst mal das Rad neu. Das heißt: Wenn du weißt: Du möchtest jetzt einen, ich sag mal, Weltraum-Shooter spielen, dann folgen diese Spiele meistens immer dem gleichen Steuer-Muster. Das ist das Tolle bei den alten Konsolen. Das geht meistens dann immer von links nach rechts oder von oben nach unten - vertikal oder horizontal.

Die Geräusche sind auch meistens immer die gleichen: Wenn sich die Musik verändert, dann weißt du, dass du an irgendeiner neuen Welt angekommen bist, bei einem Endgegner oder wie auch immer, so dass man sich da allein aus der Erfahrung heraus schon mal sehr gut an ein neues Spiel herantasten kann.

Die größte Herausforderung ist noch nicht mal das Spiel selber, sondern die Menü-Struktur eines Spiels. Viele Konsolenspiele bieten ja die Möglichkeit, verschiedenste Sachen einzustellen: Ob es der Schwierigkeitsgrad ist, die Tasten Belegungen und irgendwelche Extras. Da bin ich natürlich auf sehende Hilfe angewiesen.

Einiges habe ich mir damals schon gemeinsam mit meinen Eltern erarbeitet. Inzwischen bin ich dabei, mit verschiedenen sehenden Gamern zusammen mir sämtliche Menü-Strukturen all meiner Spiele, die ich habe und spiele, zu erarbeiten.

Das heißt: Es wird dann aufgeschrieben, so dass ich dann quasi noch mehr aus dem Spiel für mich rausholen kann. Und ich plane auch wenn eine gewisse Anzahl an Spielbeschreibungen, nenne ich jetzt mal, hier bei mir abgetippt wurde, das Ganze dann auch ins Netz zu stellen. 

Matthias Klaus: Gut, aber wenn du im Spiel bist, woher weißt du, ob du jetzt, sagen wir mal, gerade ein Sternchen einsammelst oder gerade über die Klippe fällst oder gerade was weiß ich, Sauron den Ring abnimmst? Das muss man ja alles irgendwie wissen in dem Moment. 

Christian Ohrens: Vielleicht sollte ich dazu noch sagen. für mich ist beim Spielen nie wichtig: Was ist das jetzt für eine Story dahinter? Also Spielen ist für mich immer ein kurzweiliger Zeitvertreib und nie, um die Story dahinter aktiv mitzuerleben. Daher ist es erst einmal von den Figuren her nicht ganz so wichtig.

Wenn es ums Einsammeln geht: Auch da hat keiner das Rad neu erfunden. Da macht es meistens immer irgendwelche Klimper-Geräusche oder es wird tatsächlich in manchen Spielen sogar was gesprochen. Viele Sachen hab ich inzwischen auch durch Durchfragen herausgefunden. Es gibt inzwischen zu vielen alten Spielen auch richtig tolle, ja, Tutorials und Anleitungen. Also wenn man wirklich wissen will, was da passiert, kann man sich das tatsächlich auch erlesen. Ansonsten ist es wirklich "try or die". 

Matthias Klaus: Es gibt ja auch Audio Games, die speziell oder nicht nur speziell für Blinde, sondern für Menschen gebaut sind, die nicht hinschauen. Was hältst du denn von denen? 

Christian Ohrens: Ich will deren Existenz nicht absprechen. Ich selber nutze sie nicht. Ich kann dir nicht hundertprozentig sagen, warum nicht. Vielleicht weil es im Sektor der Retrospiele, der Automatenspiele usw. noch so viel zu entdecken und auszuprobieren gibt, das für mich der Reiz nicht da ist.

Natürlich sind es Spiele, die teilweise wirklich für unserem Personenkreis konzipiert wurden und der Trend bei leider sehr vielen blinden Gamern geht ja auch dahin, lieber die Angebote zu nutzen, die perfekt auf uns zugeschnitten sind, anstatt lieber mal zu experimentieren.

Aber das ist ein Zeitgeist Problem. Das hat mich ehrlich gesagt nie... nie geärgert, dass ich jetzt ein Spiel nicht durchspielen konnte, sodass ich, sag ich mal, wie viele andere dann lieber zum Audiogame gegriffen hätte. 

(Musik von Super Mario spielt kurz) 

Matthias Klaus: Das ist ja jetzt ein anderer Ansatz. Also der Christian Ohrens geht ja hier mit unfertigen Sachen zugange. Wie war das bei euch Melanie, z.B. bei dir? Die Zeit, wo du nicht spielen konntest? Hast du es da auch mal versucht oder hast du gewartet, bis die Technik so weit ist? 

Melanie Eilert: Ja, ich habe schon immer wieder mal irgendwie geguckt: Was gibt es? Und was könnte ich vielleicht spielen? Obwohl es noch nicht irgendwie Einstellungsmöglichkeiten hat, die irgendwie auf mich zugeschnitten sind. Ich habe auch teilweise ein bisschen rumgebastelt, dass ich irgendwie das Handy mit dem Computer gekoppelt habe, um davon die Tastatur zu nutzen und sowas. Aber das war mir vom, ich sag mal, Kosten-Nutzen-Faktor also Aufwand gegenüber Spielspaß die Zeit nicht so richtig wert. 

Matthias Klaus: Gibt es Spiele inzwischen, die man auch als einer, der es nicht sieht (wisst ihr das vielleicht?) genauso spielen kann wie als jemand der es sieht, aber vielleicht eine eingeschränkte Controller-Benutzung hat? 

Melanie Eilert: Im letzten Jahr ist “The Last of Us - Part II” rausgekommen und das ist sehr gut blind spielbar, weil es eine riesige Audiobibliothek gibt mit Hinweistönen, die klarmachen, ob gerade etwas eingesammelt werden muss, ob irgendwo ein Gegner kommt.

Man kann auf einen Knopf drücken und die Kamera richtet sich automatisch in die Richtung aus, in der man weiterlaufen muss. Also das ist auch für komplett blinde Menschen sehr gut spielbar. 

Matthias Klaus: Saskia, du hast Erfahrungen mit verschiedensten Behinderungen mit verschiedensten Einschränkungen. Was ist denn dir an Spielen aufgefallen, was wirklich besonders für möglichst viele gut funktioniert bei euren Testungen, die ihr so durchführt? 

Saskia Moes: Also natürlich haben wir in unseren Gruppen super viele Jugendliche, die verschiedene Arten von Behinderung haben. Aber natürlich ist da auch eine sehr große Vielfalt. Wir testen in den Gruppen hauptsächlich Spiele, die für Kinder und Jugendliche sind. Das heißt "The Last of Us 2", den Titel, den Melly genannt hatte. Das ist ein Titel, der sich an Erwachsene richtet. Den haben wir nicht getestet.

Wir hatten jetzt in unseren Gruppen noch nicht das eine Spiel, wo ich sage: Das war sehr barrierefrei. Sondern Spiele sind meistens, wenn barrierefrei, dann in einem oder zwei Bereichen. Aber die wenigsten Spieler decken alle Bereiche gleich gut ab. Vielleicht kann man das so ganz gut sagen.

Aber so grundsätzlich lässt sich natürlich sagen: Ein Spiel, was möglichst viele Einstellungsmöglichkeiten bietet in den unterschiedlichen Bereichen und das Spielerlebnis individualisieren lässt, das bietet natürlich eine größere Barrierefreiheit als Spiele, die wenig Einstellungsmöglichkeiten bieten. 

Matthias Klaus: Ihr seid alle sozusagen Aktivisten, was die Barrierefreiheit für Spiele angeht. Dennis, was tust du denn z.B.? Du hast ja eine Webseite, wo du Sachen veröffentlichst. Was sind deine Aktivitäten zum Thema Barrierefreiheit von Spielen? 

Dennis Winkens: Die Webseite ist auf jeden Fall ein kleiner Punkt davon. Da versuche ich zumindest nach und nach immer mehr Inhalte mit aufzubringen, damit man auch was nachlesen kann in dem Sinne. Unsere Hauptplattform insgesamt, die wir so aufgebaut haben zu dritt als Team ist "WheelyWorld". 

Matthias Klaus: Wer ist wir? 

Dennis Winkens: Das ist dann also Der Gute Meso und Uwe. Das sind jetzt die Gamer Namen also im Gamer-Jargon und wir sind jetzt mittlerweile ein Dreierteam zusammen als "WheelyWorld".

Wir sind in der Woche zwar Social-Media-mäßig aktiv erreichbar, aber dann am Wochenende setzen wir uns zusammen und zocken dann LIVE auf Twitch, sind da also wirklich LIVE ansprechbar. Und ich bin dann auch derjenige, der seinen Bildschirm teilt und auch die Nase in die Kamera hält, sodass man mir dann auch direkt beim Zocken zusehen kann, wie ich das mache, was dann passiert. Und das [steht] dann auch so ein bisschen im Vergleich zu den anderen beiden, die kein Handicap haben.

Und ja, da versuchen wir dann auch sehr viel darüber zu informieren und wenn Leute da sind, Fragen haben, da auszuhelfen, weiterzuleiten. Alles das, was da halt so möglich ist.  

Matthias Klaus: Melanie, was tust du im Netz zum Thema Barrierefreiheit? 

Melanie Eilert: Ich schreibe vor allem. Also zum einen hab ich selber ein Blog, auf dem ich immer mal wieder was veröffentliche und hier und da auch mal Artikel für irgendwelche Gaming Seiten. Und außerdem bin ich auch ab und zu mal in Podcasts unterwegs oder auf anderen Veranstaltungen zum Thema Gaming oder Digitalisierung. Dort erzähle ich dann etwas über Gaming mit Behinderung. 

Matthias Klaus: Und jetzt hätte ich gerne noch eine Antwort von euch allen dreien. Was würdet ihr euch wünschen, was sich in nächster Zeit tun soll zum Thema Barrierefreiheit in Games? Saskia, fangen wir mal bei dir an. 

Saskia Moes: Also ich würde mir auf jeden Fall wünschen, dass es möglich ist, dass alle mitspielen können. Ich denke, dass da in letzter Zeit schon sehr, sehr viel gemacht wurde und gemacht wird und wir da in eine gute Richtung gehen. Aber da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Ich wünsche mir einfach, dass immer mehr Menschen mit Behinderung auch direkt in den Entwicklungsprozess mit einbezogen werden, dass die Barrierefreiheit da mitbedacht wird und Barrierefreiheit in digitalen Spielen irgendwann selbstverständlich ist. 

Matthias Klaus: Melanie, hättest du einen Wunsch an die Entwicklung in nächster Zeit? 

Melanie Eilert: Ja, ich schließe mich da auf jeden Fall Saskia an. Ich wünsche mir einen guten und engen Austausch zwischen der Community der behinderten Spielenden und den Entwickelnden. Und, dass Spielende mit Behinderung in die Entwicklungsprozesse einbezogen werden. Entweder indem welche als Fachpersonen direkt in den Studios eingestellt werden oder auch, indem sie bezahlte Beratungsarbeit leisten. 

Matthias Klaus: Dennis, hast du einen Wunsch an Gaming Hersteller, an die Gamer Community die Welt? 

Dennis Winkens: Ich kann ja nur versuchen noch etwas draufzusetzen. Denn dann habe ich schon genau das gesagt, was man sagen würde, was alles wichtig ist: Ich würde es ein bisschen draufgeben, dass die Konsolen und auch die Controller, die wirklich von den Leuten genutzt werden müssen, die sie brauchen, um zocken zu können, dass die auf jeden Fall auch wirklich Support von der ganzen Hardware her bekommen. Dass man sich da auch keinerlei Gedanken machen muss: "Ist denn jetzt mein Controller mit der und der Konsole oder mit dem Gerät überhaupt kompatibel?" Sodass es da auch einfach wird: Ich hab mein Gerät, ich weiß, das funktioniert. Ich stecke es ein und ich habe halt Spaß. 

Matthias Klaus: Es gibt in der derzeitigen Mediendebatte und im Rahmen der Diversity-Diskussion ja immer die Forderung nach mehr Protagonisten: mehr aktiv sichtbare Menschen verschiedener Hautfarbe, verschiedener Herkunft in Filmen, im Fernsehen. Wie ist das in Games? Gibt es da behinderte Helden? 

Melanie Eilert: Es gibt sehr, sehr, sehr sehr wenige behinderte Protagonisten in Spielen. Und auch wenn es eher Nebencharaktere sind, sind sie oft schlecht dargestellt, also als das absolute Opfer und Leiden bis zum Geht-Nicht-Mehr. Oder aber aufgrund ihrer Behinderung: [als] bösartig geworden. 

Matthias Klaus: Dennis und Melanie - fändet ihr das gut, wenn es mehr behinderte Charaktere in Spielen gäbe? Oder ist euch das egal? 

Melanie Eilert: Es kommt natürlich darauf an: Es muss eben gut gemacht sein. Also es soll jetzt nicht nach Checkliste gehen: "Okay, Behinderte gehören hierhin, abgehakt, fertig: Nächster. Jetzt Person of Color, abgehakt, fertig!" Es sollte schon in die Geschichte passen und Sinn ergeben im Gesamtkontext.

Aber klar ich würde mir schon wünschen, dass es auch einfach ganz normale Charaktere gibt, die zufällig auch noch eine Behinderung haben. 

Matthias Klaus: Ich danke Euch Dreien, dass Ihr Zeit hattet. Hier in unserem Podcast zu sein. Das war "Echt behindert!" Heute ging es um barrierefreies Gaming mit Melanie Eilert, Dennis Winkens und Saskia Moes. Vielen Dank, dass ihr da wart. 

Saskia Moes: Sehr gerne. 

Dennis Winkens: Sehr gerne. Danke. 

Melanie Eilert: Danke für die Einladung. 

Matthias Klaus: Mein Name ist Matthias Klaus. 

Jingle: Mehr Folgen unter dw.com/echtbehindert. 

Hinweis der Redaktion: Dieses Transkript wurde unter Nutzung einer automatisierten Spracherkennungs-Software erstellt. Danach wurde es auf offensichtliche Fehler hin redaktionell bearbeitet. Der Text gibt das gesprochene Wort wieder, erfüllt aber nicht unsere Ansprüche an ein umfassend redigiertes Interview. Wir danken unseren Leserinnen und Lesern für das Verständnis.