Transformationsteams für Nordafrika
28. Februar 2012Seit über einem Jahr befinden sich mehrere arabische Länder in einem tief greifenden Umwälzungsprozess. In Tunesien, Ägypten und Libyen kam es zum Sturz der bisherigen Machthaber, in Syrien bekämpft das alte Regime das eigene Volk. Die junge Generation sucht nach demokratischen Perspektiven.
Um sie zu unterstützen, will die Bundesregierung in nächster Zeit sogenannte "Transformationsteams" nach Ägypten und Tunesien entsenden. Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, erläuterten Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel in Berlin.
Aufbau demokratischer Stukturen
Der "Arabische Frühling" sei Ausdruck des Wunsches nach Freiheit und Demokratie gewesen, so Rösler: "Es ist auch einiges gelungen, aber das Ende ist noch offen." Der FDP-Politiker betonte, dass es keine wirtschaftliche Freiheit ohne gesellschaftliche Freiheit geben könne - und auch nicht umgekehrt gesellschaftliche Freiheit ohne wirtschaftliche. Die Bundesregierung engagiere sich daher für den Aufbau demokratischer und wirtschaftlicher Strukturen, um Ägypten und Tunesien auf ihrem schwierigen Weg zu helfen.
Ein zentrales Problem bleibt die hohe Jugendarbeitlosigkeit. In Ägypten liegt sie nach offiziellen Angaben bei 30 Prozent, dürfte tatsächlich jedoch mehr als die Hälfte der jungen Menschen betreffen.
Ausbildung vorantreiben
Rösler verwies darauf, dass Bundesaußenminister Guido Westerwelle erst im Januar ein Ausbildungsabkommen mit Ägypten geschlossen habe. Auch sei die Wirtschaft vor Ort sehr engagiert: Die Außenhandelskammer in Kairo habe von sich aus angeboten, 5000 jungen Ägyptern durch einen Ausbildungsplatz eine berufliche Perspektive zu geben.
Jetzt setzt der Bundeswirtschaftsminister auf komplementäre Maßnahmen: "Wir wollen den Transformationsprozess insgesamt fördern, indem wir den Aufbau einer Wirtschaftsverwaltung unterstützen."
Die neuen Teams bestehen aus etwa acht Experten. Sie sollen dabei helfen, Bürokratie abzubauen und besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen neue Impulse geben. Ihre Einsatzbereiche sieht Rösler im Tourismus, Handel sowie im Bereich der erneuerbaren Energien.
Erfahrungen der deutschen Wiedervereinigung
Bereits unmittelbar nach dem "Arabischen Frühling" habe die deutsche Entwicklungspolitik laufende Transformationsprozesse mit Geld und Expertise unterstützt, erinnerte Dirk Niebel. Sein Ministerium habe im Mai 2011 drei Fonds auf den Weg gebracht: einen Demokratisierungsfonds mit einem Volumen von 6 Millionen Euro, einen Qualifizierungs- und Beschäftigungsfonds insbesondere für junge Menschen in Nordafrika mit 8 Millionen Euro und gemeinsam mit der Entwicklungsbank KfW den SANAD-Fonds mit derzeit 52 Millionen Euro, der für die Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen bestimmt ist.
Von den vielschichtigen Erfahrungen, die Deutschland nach der Wiedervereinigung sammeln konnte, werden nun die neuen Transformationsteams profitieren. Walter Hirche ist einer derjenigen, die die nötige Sensibilität und die wirtschaftliche Kompetenz mitbringen, um ein solches Team zu leiten: "Ich denke, der Aufbau 'von unten' ist der entscheidende Punkt", sagte der aus Westdeutschland stammende Politiker, der früher Wirtschaftsminister im ostdeutschen Brandenburg, später in Niedersachsen war. "Um der ägyptischen Jugend und dem übrigen Volk neue Perspektiven zu geben, sollten wir nicht von oben herab, nicht von Berlin aus, sondern mit den Menschen vor Ort die Dinge betreiben."
Autorin: Sabine Rippberger
Redaktion: Johanna Schmeller