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Transatlantische Kontinuität und "eine Reihe von Problemen"

Das Interview führte Sabina Casagrande10. Januar 2006

Bundeskanzlerin Merkel reist am Freitag zu ihrem Antrittsbesuch ins Weiße Haus. Ihr Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt, erklärt im Gespräch mit DW-WORLD, worum es dort gehen wird.

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Karsten VoigtBild: DW-TV

DW-WORLD: Unter dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder haben die transatlantischen Beziehungen etwas gelitten, sagen Kritiker. Angela Merkels Besuch in Washington am Freitag könnte eine wichtige Gelegenheit zur Verbesserung der diplomatischen Beziehungen sein. Welche Veränderungen können wir erwarten?

Das weiße Haus
Zentrum der Weltmacht USA: das Weiße Haus in WashingtonBild: AP

Karsten Voigt: Tatsächlich gab es einen Tiefpunkt der Beziehungen unmittelbar im Kontext des Irak-Kriegs. Aber danach haben sich die Beziehungen auch zur vorhergehenden Bundesregierung bereits verbessert, wie man am Besuch von Präsident Bush in Mainz sehen konnte. Aber jetzt, nach den Bundestagswahlen, sollen - das ist die Absicht beider Seiten, sowohl der Amerikaner als auch der Deutschen - die Beziehungen sich weiter vertiefen und verbessern. Und das wird ganz sicherlich im Protokollarischen sichtbar, das wird ganz sicherlich in der Tonlage sichtbar. Aber darüber hinaus gilt es natürlich auch neue Felder der Gemeinsamkeiten auszuloten. Gemeinsamkeiten gibt es in der Zielsetzung beim Iran: Man will, dass der Iran auf keinen Fall über Atomwaffen verfügt. Es gibt auch ein deutsches Interesse, dass die Lage im Irak sich stabilisiert und dort demokratische Traditionen Fuß fassen können. Und es gibt letzten Endes auch ein deutsches Interesse, Demokratien in anderen Teilen der Welt ebenfalls zu fördern.

Sie sprachen von einem neuen Ton in den transatlantischen Beziehungen. Also werden wir jetzt eher diesen neuen Ton hören, statt eine neue Politik der Bundesregierung zu beobachten?

In der Politik gibt es sehr viel Kontinuität. Auch die alte Bundesregierung war ja dafür, Europa stark zu machen und gleichzeitig gute transatlantische Beziehungen anzustreben. Das ist auch das Ziel der neuen Bundesregierung. Aber es ist ja überhaupt keine Frage, dass man in Washington nach den Konflikten, die man mit Bundeskanzler Schröder gehabt hat, mit einem positiven Vorurteil auf Angela Merkel zugeht. Das heißt, man erwartet, dass sie nicht nur ideologisch, von ihrer Überzeugung her, pro-atlantisch ist, sondern auch, dass sie aufgrund ihrer Sozialisation im ehemaligen Ostdeutschland das Engagement der Amerikaner für die Wiedervereinigung und für die Freiheit besonders schätzt. Das wird ja auch wohl so sein.

Meinen Sie, dass Frau Merkel die Erwartungen von Washington an ihren Besuch auch erfüllen kann?

Ich glaube im Weißen Haus und im State Department kennt man die Situation in Deutschland. Man kennt die handelnden Politiker und Parteien, man kennt Frau Merkel. Dort sind die Erwartungen realistisch. Aber eine Reihe von Problemen bleibt. Es bleibt der Tatbestand, dass Deutschland aufgrund seiner geringen militärischen Fähigkeiten schon so stark engagiert ist - auf dem Balkan, in Afghanistan, in anderen Teilen der Welt - dass selbst, wenn man politisch wollte, und auch das ist ja nicht der Fall, schon aus Ressourcengründen gar keine relevanten Einheiten von Soldaten oder Truppen in den Irak verlegen könnte. Deshalb will man diese Frage in Washington auch gar nicht als Forderung an Frau Merkel richten.

Lesen Sie im zweiten Teil: Ob Merkel ein roter Teppich zu Füßen gelegt wird und warum es bei der Terrorbekämpfung Gesprächsbedarf gibt.

Was für ein Willkommen erwartet die Kanzlerin?

Ich glaube, man wird in jeder protokollarischen Hinsicht zeigen, dass sie willkommen ist, dass man sie als Kanzlerin persönlich willkommen heißt, dass man mit ihr die Beziehungen verbessern will, dass man in ihr einen wichtigen Repräsentanten von Europa sieht. Und man ist sicherlich auch neugierig auf sie. Der eine oder andere kennt sie ja noch nicht - und umso neugieriger ist man. Und dann ist sie ja auch noch Vertreterin der neuen Generation der 89er, das heißt diejenigen, die Politik erst aktiv gestalten konnten, weil die Mauer fiel; oder die aus Altersgründen erst zu dem Zeitpunkt neu in die Politik gekommen sind. Und das ist die neue künftige Generation, die die nächsten Jahre der deutschen Politik prägen wird.

Angela Merkel auf dem Weg zum Weißen Haus
Angela Merkel am 24 Februar 2003 bei Ihrer Reise nach WashingtonBild: AP

In der Vergangenheit wurde Frau Merkel vorgeworfen, dass sie gegenüber den USA zu unkritisch war. Sie hat jedoch am vergangenen Wochenende viele überrascht mit ihrer scharfen Kritik am US-Gefangenenlager in Guantanamo; sie kündigte an, sie werde das Thema auch bei Präsident Bush ansprechen. Es scheint, als ob die Kanzlerin kein Blatt vor den Mund nehmen wird bei bestimmten Themen, die die amerikanische Regierung vielleicht lieber herunterspielen würde wie zum Beispiel auch UN-Reformen oder CIA-Geheimflüge. Sollte Präsident Bush auf eine Auseinandersetzung vorbereitet sein?

Ich glaube, der Begriff Auseinandersetzung ist falsch. Es geht einfach hier darum, dass es einen deutschen Konsens gibt in Bezug auf die Einstellung zum Lager und zu bestimmten anderen Methoden bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Aber solche Diskussionen sind in demokratischen Gesellschaften legitim. Wir haben in den 1970er Jahren ähnliche Diskussionen kontroverser Art gehabt, als wir einen deutschen Terrorismus hatten.

Was wird im Mittelpunkt der Gespräche in Washington stehen?

Ich glaube, dass man die gesamte Palette der bilateralen und multilateralen Themen ansprechen wird. Zeit genug wird dafür auch sein, sowohl im lockeren Gespräch wie auch im Delegationsgespräch. Bilateral haben wir wenige Probleme. Meistens geht es darum, wie Deutschland und Amerika zusammenwirken, um Probleme entweder am Rande Europas wie auch auf dem Balkan zu lösen. Oder darum, wie die Regierungen über Russland, die Ukraine denken, wie sie den Nahen und Mittleren Osten sehen, wie sie das Problem des Irans und die skandalösen Äußerungen der iranischen Führung in Bezug auf Israel, aber auch das Streben des Irans nach Nuklearwaffen beurteilen und wie man gemeinsam dagegen - wenn man das gleich beurteilt, und davon gehe ich aus - wie man gemeinsam gegen solche Absichten des Irans effektiv vorgehen kann.

Sie sagten, Sie gehen davon aus, dass Washington jetzt keine konkreten Forderungen stellen wird bezüglich des Iraks. Meinen Sie, dass auf einem anderen Gebiet konkrete Forderungen oder Wünsche zu erwarten sind?

Zuerst einmal: Es ist ja gut, wenn Amerikaner von Deutschen Positives erwarten. Und wenn man schon nicht Truppen in den Irak schickt, was diese Regierung ja genau wie die Vorhergehende ausgeschlossen hat, dann wird man bestimmt interessiert sein, dass die Deutschen in anderer Weise bei der Stabilisierung der Demokratie und der Lage im Irak helfen; und dazu sind die Deutschen sicherlich auch bereit. Und dann geht es natürlich immer auch darum, wie man weiter und noch effektiver zusammenarbeitet, nicht nur beim Kampf gegen den internationalen Terrorismus generell, sondern auch bei der Stabilisierung der Lage in Afghanistan. Und die Lage in Afghanistan war ja ursprünglich mal eine der Ursachen für das Entstehen und die Stärkung des El-Kaida-Netzwerkes.