Streit um Transaktionssteuer
10. Januar 2012Eine Finanztransaktionssteuer, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy fordern, finden die meisten Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament grundsätzlich gut. Bei Sozialistenchef Martin Schulz etwa rennen Merkel und Sarkozy damit weit offene Türen ein. Sie ist in seinen Augen auch "eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Diejenigen, die einen Gutteil der Krise verursacht haben, sollten auch einen Beitrag zu ihrer Lösung leisten." Doch die Frage ist: In welchem Rahmen soll die Steuer eingeführt werden? In der ganzen EU, nur in der Eurogruppe, also ohne Großbritannien, das mit London den mit Abstand wichtigsten Finanzplatz Europas hat, oder in noch kleinerem Rahmen?
"Wir nehmen das zur Kenntnis"
Sarkozy hatte bei einem Treffen mit Merkel vor rund zwei Wochen in Berlin gesagt, notfalls werde Frankreich auch ganz allein vorangehen. Alejandro Uzurrún, der Sprecher der Kommission, die die Steuer ebenfalls unterstützt, distanzierte sich aber von diesem Vorschlag. "Wir konzentrieren uns natürlich auf eine Einigung auf EU-Ebene, also von allen 27 Mitgliedsstaaten. Die Absichten, die Präsident Sarkozy gestern beschrieben hat, nehmen wir zur Kenntnis. Voilà." Den Ausdruck "zur Kenntnis nehmen" darf man in der diplomatischen Ausdrucksweise der Kommission als deutliche Ablehnung verstehen.
Und genauso sieht es auch Joseph Daul, Fraktionschef der konservativen Volkspartei im Europaparlament, der pikanterweise nicht nur Sarkozys Landsmann, sondern auch dessen Parteifreund ist. "Wir müssen zu einer europäischen, gemeinschaftlichen Regelung bei der Finanztransaktionssteuer kommen. Ein einziges Land kann sie nicht anwenden."
Berliner Koalition gespalten
Merkels Koalitionspartner FDP ist aber auch dagegen, dass nur die Eurozone die Steuer einführt, wenn sie in der EU der 27 nicht durchsetzbar ist. Die Liberalen befürchten, dass sonst das Geschäft nach London abwandert. Und die Briten wollen auf gar keinen Fall mitmachen, das hat Premierminister David Cameron gerade erst beim Weltwirtschaftsforum in Davos einmal mehr klargemacht. Merkel konnte wegen des FDP-Widerstands die Einführung der Steuer allein im Euroraum nur "persönlich" empfehlen und nicht als offizielle Regierungslinie verkaufen. Joseph Daul glaubt aber, dass die FDP doch noch überzeugt werden kann und dass die Transaktionssteuer letztlich für die Länder der Währungsunion kommen wird.
Sparen allein genügt nicht
Doch der Streit um die Steuer ist eigentlich ein Nebenkriegsschauplatz, und der Chef der Christdemokraten im Europaparlament sorgt sich viel mehr um die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten einiger Euro-Länder. Bei der geplanten Fiskalunion warnt Daul davor, einseitig auf Haushaltsdisziplin zu setzen. Ja, es müsse Vertragsänderungen beim Schuldenabbau geben, daher müsse die Schuldenbremse Teil des Textes werden. Aber man müsse auch eine Wachstumslösung finden. "Denn wenn es nur Schuldenabbau gibt, dann sehen wir, was in bestimmten Ländern passiert. Ich nenne Italien, Spanien, Griechenland. Dann wird es für unsere Mitbürger unerträglich." Auch darin sind sich die meisten einig.
Doch ebenso klar ist, dass Wachstum wenig oder gar nichts kosten soll. Mit umfangreichen öffentlichen Konjunkturpaketen, die den Schuldenberg nur weiter vergrößern würden, ist also nicht zu rechnen. Deshalb fehlen auch meist konkrete Vorschläge, wie Wachstum anders erreicht werden kann.
Die Euro-Anleihe ist nicht tot
Guy Verhofstadt, Chef der Liberalenfraktion, wiederholt derweil einen alten Vorschlag zur Krisenbewältigung, der eigentlich längst begraben schien. "Wir müssen schnellstmöglich den einheitlichen Euro-Anleihemarkt organisieren. Für mich ist das ein entscheidender Punkt, um aus der Krise zu kommen."
Auch hier, wie bei Sarkozy und Daul, ein deutlicher Gegensatz zwischen einem Europapolitiker und seinen Parteikollegen aus den Mitgliedsstaaten: Verhofstadt kämpft genauso enthusiastisch für Euro-Bonds wie zum Beispiel die deutsche FDP gegen sie ist. Es ist eine Frage des Blickwinkels: der Europapolitiker sieht das Ganze bedroht, der nationale Politiker blickt eher auf den Steuerzahler – und Wähler – in seinem Staat. So ist es oft in der Europapolitik: Parteipolitische Loyalitäten zählen weniger als die Perspektive.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Tamas Szabo