Kragh Andersen zum Zweiten
18. September 2020Als das Hauptfeld um den Träger des Gelben Trikots über die Zielgerade rollte, hatten zwei Profis vom deutschen Team Sunweb schon ihre ersten Interviews gegeben. Auf dieser 19. Etappe der Tour de France hatten mal nicht der Gesamtführende Primoz Roglic oder sein Herausforderer Tadej Pogacar im Mittelpunkt gestanden, sondern eher die Klassiker-Spezialisten. Denn nach drei Tagen im Hochgebirge ging es durch die Ausläufer des vergleichsweise flachen Juragebirges im Osten Frankreichs über 166 Kilometer von Bourg-en-Bresse nach Champagnole.
Während sich in den ersten drei Stunden des Rennens wenig Spektakuläres tat, ging es gut 40 Kilometer vor der Ankunft richtig zur Sache. Aus einer Zwischensprint-Wertung heraus formierte sich eine hochklassig besetzte Fluchtgruppe um Peter Sagan, Sam Bennett im Grünen Trikot, Matteo Trentin, Greg van Avermaet und Jasper Stuyven. Diese baute ihren Vorsprung schnell auf rund vier Minuten aus.
Sagan und Bennett kurz unentschlossen
20 Kilometer vor dem Ziel fasste sich der Däne Sören Kragh Andersen dann ein Herz und nahm den Rest der Etappe alleine in Angriff. Sagan und Bennett, die hauptsächlich um das Grüne Trikot des punktbesten Fahrers kämpfen, guckten sich nur ratlos an. Niklas Arndt, wie Kragh Andersen vom Team Sunweb, und ebenfalls in der Ausreißerguppe, konnte fortan die Beine hochnehmen und sich das Treiben der Verfolger von hinten ansehen.
Kragh Andersen fuhr letztlich einem ungefährdeten seinem zweiten Tageserfolg bei dieser Frankreichrundfahrt entgegen. Was für Teamkollege Arndt keine Überraschung war: "Wir hatten uns diese Etappe schon vor Wochen auserkoren, schön, dass es geklappt hat. Heute Abend werden auf jeden Fall wieder die Champagner-Flaschen knallen." Arndt landete im Tagesklassement auf Rang sechs.
Ruhe vor dem Zeitfahren
Großes Pech hatte Lukas Pöstlberger. Der Österreicher wurde von einer Biene im Mund gestochen und zeigte eine allergische Reaktion. Zur Sicherheit wurde er Sicherheit ins Krankenhaus gebracht. Dort gab es zwar schnell Entwarnung, doch die Tour ist für Pöstlberger vorzeitig beendet.
In der Gesamtwertung liegt Roglic weiter knapp eine Minute vor seinem slowenischen Landsmann Pogacar in Führung. Der Bergspezialist konnte seine Kräfte mit Blick auf das vorentscheidende Zeitfahren am vorletzten Tour-Tag am Samstag schonen. Dann wird es über 36 Kilometer durch die Vogesen gehen, zunächst flach, dann immer steiler bergan. Roglic kam mit seinen direkten Rivalen siebeneinhalb Minuten nach Tagessieger Kragh Andersen ins Ziel.
So gut wie entschieden ist derweil der Kampf um das Grüne Trikot. Das dürfte sich der Ire Sam Bennett gesichert haben, weil der dreimalige Weltmeister Peter Sagan ihn im Streckenverlauf nicht entscheidend distanzieren konnte. Im Zielsprint ließ Bennett nochmals seine Muskeln spielen und rang den Slowaken auch hier wieder nieder. Beim großen Finale am Sonntag in Paris muss Bennett möglicherweise noch nicht mal mehr punkten, um das Sprintertrikot mit nach Hause nehmen zu dürfen, das in den Jahren seit 2012 bis auf eine Ausnahme (2017) immer Peter Sagan gewonnen hatte.