Streit um Straßennamen
29. Mai 2009Was waren wir stolz, als Schulanfänger endlich die roten Halstücher tragen zu dürfen, die uns zu Titos Pionieren machten. Und mit welcher Begeisterung haben wir bei den Paraden die kleinen rot-weiß-blauen Fahnen Jugoslawiens geschwenkt! Diese Momente aus meiner Kindheit sind mir unglaublich gut in Erinnerung geblieben.
Erinnerung an Volksbefreiung oder autoritäres Regime?
Allerdings zog ich 1972, mit knapp neun Jahren, mit meinen Eltern für einige Jahre nach Deutschland. Aber auch dort war der von Russland unabhängig regierende Staatschef Tito bei jeder Kulturveranstaltung und jedem Fest des slowenischen Heimat-Vereins allgegenwärtig: Titos Porträt zierte die Bühne, Partisanenlieder wurden gesungen. Doch weil ich damals in Deutschland gelebt habe, kann ich vielleicht gerade deshalb die Debatte in Slowenien über die Um- oder Neubenennung von Straßen nach dem einstigen großen Staats- und Militärchef mit etwas mehr Abstand betrachten.
Genau am 25. Mai, Titos Geburtstag, beschlossen die Stadträte von Ljubljana mit 25 zu vier Stimmen, eine neue Einfallstraße - deren Bau noch nicht mal begonnen hatte - nach Tito zu taufen. Der Stadtrat will nach eigenen Worten damit verhindern, dass der für Slowenien so bedeutende Volksbefreiungskampf, an dessen Spitze nun einmal Marschall Tito stand, von Politik und Kirche in Vergessenheit gedrängt wird. Vertreter der Nationalen Partei gehen bei dem Vorschlag auf die Barrikaden: Tito sei das personifizierte autoritäre Regime und eine solche Erinnerung wolle man nicht.
Jugend kämpft für Tito-freie Straßen
Am meisten regen sich über die geplante Namensgebung der neuen Straße aber die auf, die mit der Ostblockzeit unter Tito wohl am wenigsten am Hut haben: die Jugendpartei "Mladi Slovenije". Sie will den Namen Titos ein für alle Mal von den Straßenschildern verbannen. Und die Partei hofft auf Unterstützung vom Europäischen Parlament und der Menschenrechtskommission.
Denn gerade die Menschenrechte seien besonders während Titos Herrschaft kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit Füßen getreten worden. Die Vertreibungen und Massengräber der damals verscharrten Kollaborateure kommen jetzt ans Licht und zeigen, wie geteilt die Meinung der Gesellschaft zu Tito noch heute ist. Unvergesssen ist der Schmerz jener, die unter dem Staats- und Armeechef ihre Angehörigen verloren haben, andererseits git es noch heute Tito- Fanclubs, Homepages und sogar ein Tito-Double.
Meiner Meinung nach sollte man Tito nicht ganz verbannen - immerhin ist er Teil unserer Geschichte. Aber da gehört er auch hin.
Autorin: Tatjana Dolanc
Redaktion: Julia Kuckelkorn