Tikato – das klingt nach Hoffnung
7. Juni 2014
Vierzig Jahre Partnerschaft
Autorin:Flucht ist ein Menschenrecht. Doch zehntausende Männer, Frauen und Kinder zerschellen an den Grenzen der Festung Europa. Sie nehmen die gefährlichen Wege auf sich wegen Klimakatastrophen, Hunger, Unterdrückung, Krieg und Bürgerkrieg. In Burkina Faso ist es die Armut. Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Seit genau vier Jahrzehnten engagiert sich eine kirchliche Initiative im Rheinland (1) in Burkina Faso, die Arbeitsgruppe „Brot für die Welt – Tikato.“ Ihr wichtigstes Anliegen: Fluchtursachen beseitigen. Heidi Janina Stiewink arbeitetfür Tikato. Sie erzählt von einem Staudamm-Projekt in den 70er Jahren.
Heidi Stiewink: 800 Gärtner hatten sich damals um diesen Staudamm versammelt, sie haben dort gebaut, sie haben ihre Felder angelegt und als vor vier Jahren der Staudamm durch eine Überschwemmung gebrochen ist, sind viele weggegangen (…), um neue Arbeit zu suchen. Und genau das ist die Gefahr, wenn [es] nicht Projekte sind, über die die Menschen sich selber ihr Geld verdienen können, dann haben die Leute natürlich Fluchtgedanken, dann können sie nicht mehr ihre Familie ernähren, sie können ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken. (…) Der Gedanke reift dann vielleicht: Hier kann ich`s nicht mehr aushalten, ich muss woanders hin. Dann fliehen die vielleicht erstmal an die Elfenbeinküste. Seitdem dort ein Krieg war, wollen sie [aber] dort auch nicht mehr hin.
Autorin:Aber wohin dann? An den Rand der Festung Europa:
Heidi Stiewink: Als ich vor zwei Jahren (2012) in Marokko war, an den EU-Außengrenzen der marokkanischen Kirche, gingen wir in ein Flüchtlingslager von so genannten illegalen Migranten und die ersten, die mir entgegenkamen hab ich gefragt: Aus welchem Land kommen Sie denn? (…) und die sagten: Wir sind achtzehn Jahre alt und wir kommen aus Burkina Faso. (…) Da ist mir bewusst geworden, wie sehr wir auch in unserer Partnerschaftsarbeit uns um die Fluchtursachen kümmern müssen und wie sehr wir uns darum kümmern müssen, dass wir dort investieren, um die Menschen dort am Lande zu lassen und gegen die Landflucht zu arbeiten.
Autorin:Und so importiert die Initiative Tikato über eine andere deutsche Hilfs-Initiative Mangofrüchte aus Burkina Faso-, die dort nicht gelagert werden können und verkauft sie in Deutschland für die Partner in Afrika – erntefrisch oder auch getrocknet.
In der Arbeit mit den Ärmsten muss man ganz anders denken
Am liebsten aber besucht Heidi Stiewinkmit ihrer Freundin Bernadette Kabré aus Burkina Faso die Frauen im Steinbruch.
Heidi Stiewink: Als ich das allererste Mal dort war, da haben diese Frauen ohne Augenschutz, ohne Handschutz mit ihren Babys auf dem Rücken oder auch den Kindern an ihrer Seite haben die riesengroße Quadersteine kaputt geschlagen. (…) Man kann sich das gar nicht vorstellen, was das für ne Arbeit ist, was das für ein Nebel ist, Steinnebel, was für ein Dreck, wieviel lagert sich da wohl in der Lunge ab, Augenverletzungen gab es da und so. Und als ich da war hab ich gedacht: Gott, was ist das ein würdeloses Dasein. Und dann sah ich wieder in die diese freundlichen, herzlichen, lachenden Gesichter, die sich freuten, (…) Und da habe ich mal erst wieder gemerkt, dass man ganz anders denken muss. Diese Frauen waren froh, dass sie diese Arbeit hatten. Dadurch konnten sie ihre Kinder in die Schule schicken – das ist für sie mal ganz maßgeblich: Was kann ich tun, um mein Kind in die Schule zu schicken. Da muss ich Geld verdienen.
Autorin:Mittlerweile gibt es einen Kindergarten für die Kleinsten und so wenigstens für sie Arbeitsschutzmaßnahmen. Und HeidiStiewink weiß, was die Frauen brauchen. Sie kommt mit Medizinischen Kästen mit Pflastern zum Beispiel, und auch mit Geld, das ihr Spender in der Heimat extra für die „Steinfrauen“ mit geben. Doch die Frauen im Steinbruch
Heidi Stiewink: …wissen auch, dass ich manchmal mit leeren Händen komme und die Freude ist die gleiche. Da will ich sie einfach nur besuchen. Und das ist so was Großartiges für mich, ja.
Autorin:In eine gute Partnerschaft bringen beide Seiten etwas ein. Dann hält sie auch vierzig Jahre. Das feiert die Initiative „Brot für die Welt – Tikato“. Und viele helfen mit, dass die Bewohner von Burkina Faso im eigenen Land etwas aufbauen und Hoffnung schöpfen können. Damit niemand gezwungen ist, sich auf gefährliche Fluchtwege zu machen.
Zur Autorin:Petra Schulze,Jahrgang 1965, studierte Evangelische Theologie, Publizistik und Sozialpsychologie in Bochum. Sie absolvierte eine Jahreshospitanz beim WDR-Hörfunk sowie ein mehrwöchiges Praktikum beim WDR Fernsehen in Köln und ist seitdem für den WDR und andere Sender als freie Journalistin tätig sowie u.a. für die Wochenzeitung »Unsere Kirche«. Sie war im Ennepe-Ruhrkreis als Pfarrerin für Öffentlichkeitsarbeit und als theologische Referentin in Dortmund tätig. Von 2006-2011 war Schulze die Evangelische Senderbeauftragte für das Deutschlandradio und die Deutsche Welle in Berlin. Ab November 2011 ist sie die Evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR in Düsseldorf.