Tigres auf dem Weg zur Unsterblichkeit
11. Februar 2021Tigres hat mit dem Sieg (1:0) gegen Palmeiras aus Brasilien für eine Überraschung gesorgt und als erste mexikanische Mannschaft das Finale der oft kritisierten Klub-WM erreicht. Aber es ist nicht nur dieses historische Ereignis, das das Team am Donnerstag gegen Bayern München antreiben wird.
Tigres UANL aus den Vororten von Monterrey will sich als eine von Mexikos Top-Mannschaften etablieren - praktisch, dass das Team von der größten Zementfirma des Landes finanziert wird. Die meisten Fußball-Fans in Mexiko sehen Tigres aber nicht als einen großen Verein an. America, Chivas (Guadalajara), Cruz Azul und Pumas (UNAM) sind für viele Fußball-Interessierte traditionell die großen Vier.
Aber Tigres ist auf dem Weg nach oben. Mit fünf Titeln sind sie die erfolgreichste mexikanische Mannschaft der letzten zehn Jahre, daran ändert auch die Besonderheit nichts, dass in Mexiko jedes Jahr zwei Meisterschaften ausgetragen werden. Und Tigres gilt als einer der am besten unterstützten Vereine des Landes. Selbst die Trainingseinheiten ziehen regelmäßig viele Menschen an - die Tribünen sind häufig gut gefüllt.
Die Klub-WM gibt der Mannschaft nun die Chance, ihr Können einem weltweiten Publikum zu präsentieren. Die Bayern werden sich in Doha einem echten Kampf stellen müssen. "Wir haben in der Vergangenheit dreimal das Finale der CONCACAF Champions League verloren. Dass wir die Klub-WM nicht erreichen konnten, machte das Turnier nun noch begehrenswerter und wichtiger für uns", sagt Jose Ivan Martinez Carreon, ein Tigres-Anhänger aus Nuevo Leon, einer stolzen Region im Norden Mexikos.
Anerkennung von allen Seiten
"Die Möglichkeit zu haben, gegen Vereine wie Bayern zu spielen, ist ein wahr gewordener Traum und etwas Einzigartiges für die Tigres-Fans. Wir haben in Mexiko ein Stigma übergestülpt bekommen, obwohl wir dem Klub leidenschaftliche Unterstützung zukommen lassen. Aber jetzt, mit der Klub-WM, erkennen Presse und die anderen Fans unseren Klub an", sagt Martinez Carreon.
Ihr Torhüter Nahuel Guzman, der im Februar 2020 in einem CONCACAF-Champions-League-Spiel den Siegtreffer in der Nachspielzeit köpfte, sagt, dass es bei der Jagd nach dem Titel vor allem darum geht, dass Tigres seinen Wert unter Beweis stellt. "Das ist eine Klub-WM und wir werden nur Tigres repräsentieren und nicht irgendjemand anderen, der uns unterstützen will", sagt der argentinische Nationalspieler Guzman.
Die Mexikaner sind geteilter Meinung, ob sie Tigres im Finale unterstützen sollen. "Wenn Tigres gewinnt, gehört der Sieg nur ihnen. Das Gleiche gilt, wenn sie scheitern. Man kann sich nicht mit einem anderen Verein identifizieren, gegen den man jede Saison antritt", sagte Milo Assad, Mitbegründer des Fanclubs der mexikanischen Nationalmannschaft, der DW.
Kein anderes mexikanisches Team kam jemals so weit
Aber es ist nicht nur das Land, das zum ersten Mal im Finale steht. Tigres ist auch die erste Mannschaft aus der CONCACAF, dem Verband für Nord- und Mittelamerika und der Karibik, die das Turnier erreicht. Der Verband wurde traditionell als einer der schwächsten angesehen, aber das Weiterkommen von Tigres dürfte diese Ansichten verändern.
"Keine andere mexikanische Mannschaft ist bisher so weit gekommen, aber jetzt wollen wir mehr. Wir sind mit der Hoffnung hierher gekommen, den Pokal zu holen. Und jetzt, wo wir so nah dran sind, sind wir ermutigt und motiviert, dass wir unser Ziel erreichen können", sagt Tigres-Stürmer Carlos Gonzalez.
Der Paraguayer glänzte beim Sieg gegen Palmeiras, Sturmpartner Andre-Pierre Gignac erzielte den Siegtreffer vom Elfmeterpunkt. Der ehemalige französische Nationalstürmer Gignac ist ein seltener Export aus Europa im mexikanischen Fußball. Seit 2015 ist der 35-Jährige dort, ein weiteres Zeichen für den wachsenden Anerkennung von Tigres.
Palmeiras war maßlos enttäuscht von der Niederlage. Die Klub-WM ist in Brasilien eine große Sache. So können sich die Vereinsmannschaften gegen die Crème de la Crème Europas messen. Für brasilianische Mannschaften ist es das größte Spiel überhaupt, und dass Palmeiras nicht einmal das Finale erreichte, machte das Land nahezu fassungslos.
Turnier soll 2022 verändert werden
Im Gegensatz dazu wird das Turnier von den europäischen Mannschaften eher als zweitrangig angesehen. Das Geld und das Prestige der UEFA Champions League stellt den FIFA-Wettbewerb in den Schatten - das ist ein Umstand, den FIFA-Präsident Gianni Infantino mit der Erweiterung des Turniers auf 24 Mannschaften ab 2022 unbedingt ändern will.
Das soll aber nicht heißen, dass die europäischen Mannschaften die Klub-WM nicht ernst nehmen, denn sie haben zuletzt immer das Finale erreicht und seit der Neuauflage 2005 nur dreimal gegen brasilianische Mannschaften verloren.
Die Bayern traten im Halbfinale am vergangenen Montag gegen Al Ahly aus Ägypten (2:0) mit ihrer stärksten Elf an. Sie mussten die beiden Klub-WM-Spiele zwischen einem Bundesligaspiel am vergangenen Freitag und einem weiteren Spitzenspiel in Deutschland am kommenden Montag einschieben. Und das alles inmitten einer globalen Pandemie, die die Kritiker dazu veranlasst, die Klub-WM in diesen schwierigen Zeiten grundsätzlich zu hinterfragen.
Auch in Neuseeland wichtig
In der Tat beraubten die Coronavirus-Beschränkungen die neuseeländische Mannschaft "Auckland City FC" der Chance, in diesem Jahr teilzunehmen - sehr zum Leidwesen der Mannschaft. "Die FIFA Klub-WM ist für unseren Klub sehr wichtig, in gewisser Weise ist sie für uns so wichtig wie die UEFA Champions League für die europäischen Klubs", sagt der Vorsitzende von Auckland City, Ivan Vuksich, der DW. "Das Format ist außerhalb unseres Verbandes auf Kritik gestoßen. Aber für unseren Verein, unser Land und unsere Region hat es eine sehr willkommene Gelegenheit geboten, sich auf der Weltbühne zu messen. Es ist wichtig, die Menschen daran zu erinnern, besonders diejenigen, die der Macht nahe stehen, dass Fußball ein globales Spiel ist."
Auckland wurde bei der Ausgabe 2014 Dritter und überraschte damit die Fußballwelt. Ein Sieg der Tigres gegen die Bayern hätte ähnliche Auswirkungen in Lateinamerika und würde zeigen, dass die Klub-WM fußballerisch von Bedeutung ist - auch wenn Menschenrechtsaktivisten in Europa über Gastgeber Katar entsetzt sind.
Korruption kein Thema
Doch die Bedenken über die Vergabe der prestigeträchtigen Fußballturniere durch die FIFA an Katar und die Behandlung der Wanderarbeiter, die die Stadien und die Infrastruktur gebaut haben, scheinen in Mexiko ein weniger drängendes Thema zu sein.
"Menschenrechtsverletzungen in Katar sind kein Thema, das in den mexikanischen Sportmedien Schlagzeilen macht", sagt Marisol Rojas, Journalistin bei El Economista. "Korruption ist ein Thema, das in anderen Sportarten in Mexiko berührt wird, aber nicht unbedingt im Fußball."
Doch je näher die Weltmeisterschaft 2022 rückt, desto schwieriger wird es, diese Themen abseits des Spielfelds zu ignorieren. Für Katar ist die Klub-WM eine erste Generalprobe. Für Tigres ist es die Chance auf fußballerische Unsterblichkeit.
Adaption: Jörg Strohschein