Tibeter protestieren nach Selbstverbrennungen
9. November 2012Bereits zu Beginn des 18. Parteitags der chinesischen Kommunisten in Peking wurde die Überwachung in Tibet und den angrenzenden Provinzen Sichuan und Qinghai, in denen viele Tibeter leben, verschärft. In Tongren patrouillierten Polizisten mit gesicherten Fahrzeugen derzeit 24 Stunden täglich, teilte die Organisation Free Tibet mit. Immer wieder machten Tibeter in den vergangenen Jahren mit Selbstverbrennungen auf die Lage ihrer unter chinesischer Herrschaft stehenden Heimat aufmerksam. Nach Angaben der tibetischen Exilregierung im indischen Dharamsala zündeten sich zuletzt binnen zweier Tage sechs Tibeter selbst an oder versuchten, dies zu tun.
Seit Februar 2009 setzten sich mehr als 60 Tibeter aus Protest selbst in Brand, die meisten davon Mönche und Nonnen. Die Tibeter werfen der Führung in Peking vor, sie sozial und wirtschaftlich zu benachteiligen sowie die Kultur und die Traditionen in ihrer Heimat zu zerstören.
Der Führung in Peking kommen die öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Tibeter alles andere als gelegen. Unruhe in Teilen des Riesenreichs soll den Parteitag nicht stören. Rund 2300 Delegierte haben sich in Peking versammelt, um einen Generationswechsel in der Führung der Kommunistischen Partei einzuleiten. Der 69 Jahre alte Staats- und Parteichef Hu Jintao wird zum Ende des Parteitags am 15. November von dem zehn Jahre jüngeren heutigen Vizepräsidenten Xi Jinping abgelöst.
Kritik aus Peking
So erhoben denn auch ranghohe chinesische KP-Parteifunktionäre aus der Region Tibet bei der Großveranstaltung in Peking schwere Vorwürfe gegen den Dalai Lama. Das religiöse Oberhaupt der Tibeter stecke hinter den Selbstverbrennungen, hieß es. Wer dazu anstifte, stehe nach chinesischem Gesetz unter "Mordverdacht", sagte der Vizegouverneur Tibets, Losang Gyaltsen, vor Journalisten in Peking. Er kritisierte, dass die Tibeter, die auf diese Weise Selbstmord begingen, von tibetischen Unabhängigkeitsgruppen zu "Helden" hochstilisiert würden. Anders sehen dies Tibetaktivisten: Sie sehen in den Selbstverbrennungen vor allem einen Ausdruck von Verzweiflung über die Lage der Tibeter.
Journalisten nicht willkommen
Auf dem Parteitag verteidigten offizielle Vertreter auch das seit 2008 geltende Reiseverbot für ausländische Journalisten in dem größten Hochland der Erde. "Wir heißen niemanden willkommen, der ständig denkt, dass es alle möglichen Probleme, einschließlich Menschenrechtsprobleme, in Tibet gebe und Ermittlungen anstellen will, sagte Qiangba Puncog, der Parlamentsvorsitzende und Vizeparteichef von Tibet.
An den Protesten am Freitag in Tongren hätten sich viele tibetische Schüler beteiligt, berichtete die exiltibetische Regierung. Die Jugendlichen hätten Freiheit für die Tibeter und die Rückkehr des im indischen Exil lebenden Dalai Lama gefordert. Schüler hätten chinesische Nationalflaggen von Schulen und Ämtern geholt. Später hätten sie die Demonstranten am Rongwu Kloster versammelt, wo sich am Vortag ein Tibeter angezündet hatte. Einige tibetische Aktivisten schätzen, dass die Zahl der Demonstranten bei rund zehntausend gelegen habe. Proteste gegen die chinesische Fremdherrschaft gab es in Tongren bereits am Donnerstag.
qu/hp (dpa, ape, rtre, afp)