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Türkisch-syrischer Konflikt

Beklan Kulaksizoglu4. Oktober 2012

Das Parlament in Ankara hat eine grenzüberschreitende Militärmission der türkischen Armee in Syrien erlaubt. Türkei-Experte Michael Thumann glaubt, dass eine Intervention in beschränktem Rahmen durchaus realistisch ist.

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Michael Thumann (Foto: picture-alliance)
Bild: picture-alliance/Frank May

Deutsche Welle: Nach dem tödlichen Angriff am Mittwoch auf ein türkisches Grenzdorf spitzt sich die Lage zu. In Ankara gab das Parlament grünes Licht für eine militärische Intervention im Nachbarstaat Syrien. Wie wahrscheinlich ist eine militärische Operation der Türkei gegen Syrien?

Michael Thumann: Ich halte das durchaus für möglich, in dem begrenzten und beschränkten Rahmen, wie die Türkei das ja im Irak auch schon in der Vergangenheit getan hat. Nur mit dem Unterschied, dass ich nicht von einer permanenten Präsenz der türkischen Armee dort ausgehe. Ich glaube, es wird sich eher um nadelstichartige und ganz gezielte Operationen handeln, wenn es denn dazu kommt, und nicht etwa um lang anhaltende. Und schon gar nicht wird das eine umfassende Besetzung von Territorium sein.

In der Türkei wird heftig diskutiert, ob der Angriff absichtlich erfolgte oder eher ein Versehen war. Die syrische Regierung sprach den Familien der türkischen Opfer ihr Beileid aus und kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an. Wäre es im syrischen Interesse, mitten im Bürgerkrieg noch eine neue Front - eine schwierige Front - zu eröffnen?

Türkische Soldaten an der Grenze zu Syrien (Foto: GettyImages)
Türkische Soldaten an der Grenze zu SyrienBild: Bulent Kilic/AFP/GettyImages

Das ist für das Assad-Regime außerordentlich schwierig, weshalb ich auch nicht annehme, dass es hier zu einem größeren Krieg zwischen Syrien und der Türkei kommt. Die syrische Regierung hat alle Hände voll zu tun. Alle Armeeteile sind damit beschäftigt, die Rebellen zu bekämpfen. Die werden sich jetzt nicht noch eine weitere Front aufladen wollen. Überdies muss man auch fragen, mit welcher Sicherheit die Angriffe auf das türkische Dorf Akcakale von der syrischen Regierungsarmee kamen. Oder waren es vielleicht doch die Rebellen? Das ist bisher nicht endgültig geklärt. Beide Seiten könnten möglicherweise ein Interesse daran haben. Aber die Reaktion der syrischen Regierung zeigt, dass sie es wohl nicht weiter eskalieren lassen will.

Außenminister Guido Westerwelle verlangte von der Regierung in Damaskus eine Entschuldigung. Die "erneute Verletzung der territorialen Integrität der Türkei aus Syrien" sei "ein schwerwiegender Vorgang", sagte er am Mittwochabend in Paris. Gleichzeitig bat er seinen türkischen Kollegen Ahmed Davutoglu um "besonnene Reaktionen". Wie könnte eine deutsche Reaktion auf eine militärische Auseinandersetzung aussehen, wenn es dazu kommen würde? Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass der Artikel 5 des NATO Vertrags zum Tragen kommt und es zum sogenannten "Bündnisfall" kommt?

Ich glaube, davon sind wir noch weit entfernt. Ich glaube nicht, dass diese grenzüberschreitenden Angriffe eskalieren werden. Falls es aber dazu kommen sollte, haben wir es mit einem Angriff auf die Türkei zu tun. Und dann tritt selbstverständlich dieser Beistandspflicht-Artikel des NATO-Vertrages in Kraft. Und dann muss auch Deutschland entsprechend handeln. Ich hoffe sehr, dass es niemals wieder zu einer Wiederholung der Ereignisse vom Anfang der 90er Jahre kommt, als es schon einmal - damals im Zusammenhang mit dem Irakkrieg - eine Diskussion in Deutschland gab, ob man die Türkei nun unterstützen müsse, falls sie von Saddam Hussein angegriffen würde. Das war eine absurde und unwürdige Diskussion. Natürlich gibt es in diesem Fall eine Beistandspflicht Deutschlands zugunsten der Türkei.

Michael Thumann ist Türkei- und Nahostexperte, lebt in Istanbul und arbeitet für die Wochenzeitung "DIE ZEIT".