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Religionsfreiheit in Ägypten gestärkt

Klaus Krämer17. Januar 2014

Die Ägypter haben für die neue Verfassung ihres Landes votiert. "Das neue Grundgesetz stärkt vor allem die Buchreligionen", sagt der Islam-Experte Jörn Thielmann im DW-Interview.

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Dr. Jörn Thielmann , Islamwissenschaftler
Bild: Privat

DW: Herr Thielmann, die neue ägyptische Verfassung hat das Votum des Wahlvolkes. Es ist eine überarbeitete Version der Verfassung, die der abgesetzte Präsident Mursi vor einem Jahr nach einer Volksabstimmung unterzeichnete. Wie ist das Verhältnis von Religion und Staat jetzt geregelt?

Thielmann: Manches bleibt einfach gleich. Der Islam ist weiter die Staatsreligion. Und die Prinzipien der Scharia - recht unbestimmt - sind weiterhin die Hauptquelle der Gesetzgebung. Die Prinzipien der Scharia, die in der 2012er Verfassung unter Präsident Mursi in einem eigenen Verfassungsartikel präzisiert worden sind, sind jetzt nur in die Präambel gewandert - in Teilen etwas umformuliert. Danach haben Christen und Juden das Recht auf ihr Personalstatut. Also alles, was mit familienrechtlichen Fragen, religiösen Angelegenheiten, etwa der Auswahl ihrer religiösen Führer zu tun hat, können sie auf Basis ihrer eigenen religiösen Gesetze machen. Das ist in dem jetzt abgestimmten Verfassungsentwurf genauso wie in der "2012er-Mursi-Verfassung".

Die Rolle der Al-Azhar Universität als religiöse Autorität wird einen Hauch anders beschrieben, bleibt aber im Prinzip als unabhängige islamische Institution so bestehen. Also auch da gibt es keine Unterschiede.

Hat die Religionsfreiheit gewonnen?

Die Religionsfreiheit ist jetzt ein absolutes Recht, nicht mehr nur ein garantiertes Recht. Da gibt es eine Verbesserung. Die bezieht sich aber vor allem auf Angehörige der sogenannten Buch-Religionen, also auf Juden und Christen. Das heißt: Alle anderen religiösen Minderheiten sind außen vor - auch eine gewisse Dominanz des sunnitischen Islam ist in der Tendenz eingeschrieben.

Der Einfluss der religiösen Seite wurde nicht beschnitten?

Ich sehe in den Verfassungsartikeln selbst nicht so die großen Unterschiede. Wichtiger sind andere Punkte - etwa diese spezielle Stellung des Militärs, die im Prinzip verhindert, dass es eine echte, volle Zivilregierung gibt. Das ist das große Problem dieser Verfassung: Es gibt keine zivile, politische, durch Wahl legitimierte Regierung, die das Militär kontrollieren würde. Das Militär ist nicht nur ein Staat im Staat, sondern das ist einfach der mächtigste und jenseits der zivilen Kontrolle agierende Akteur. Man kann die Verfassung auch so lesen: Die alte Mubarak-Eliten Militär und Justiz sichern sich institutionell erneut ab mit ihren Machtinteressen.

Was heißt das für die Sympathisanten der Muslimbrüder, die ja die aktuelle Volksabstimmung zur Verfassung boykottiert haben?

Die sind - nicht völlig unbegründet - gegen den derzeit laufenden Prozess, seit dem Militär-Coup, seit dem militärisch gestützten Staatsstreich gegen den gewählten Präsidenten Mursi. Sie stecken in der Total-Opposition gegen den Prozess, werden allerdings politisch außen vor gehalten und kriminalisiert. Die Muslimbruderschaft wird zur terroristischen Organisation erklärt.

Die Blockade und dieses Entmenschlichen der Opponenten ist das Schlimme derzeit in Ägypten, verhindert im Prinzip eine Befriedung und verhindert sozusagen auch ein Anknüpfen an das revolutionäre Moment des Sturzes von Mubarak. Die Muslimbruderschaft ist ein gesellschaftlicher und politischer Akteur - ob verboten oder nicht. Das waren sie seit ihrer Gründung durch legale wie illegale Phasen. Es ist einfach politisch und gesellschaftlich nicht nur unklug, sondern auch hoch gefährlich, eine so große Bevölkerungsgruppe so systematisch zu kriminalisieren, zu verteufeln und aus dem gesellschaftlichen und politischen Prozess auszuschließen.

Was, Herr Thielmann, sollte Deutschland tun, um den politischen Prozess in Ägypten zu beeinflussen. Stichworte: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Religionsfreiheit?

Etwas originär Deutsches, was man zu diesem Prozess beisteuern kann, ist die Arbeit ist unserer parteipolitischen Stiftungen, die ja eine lange Tradition in Ägypten haben. Die können versuchen, diese Pluralität an politischen Anschauungen und Ordnungsvorstellungen zu präsentieren und die könnten versuchen, einfach Wissen weiter zu geben, Gesprächsforen organisieren - auch miteinander, dass Ägypter, die bestimmte politische Ordnungsvorstellungen haben, erkennen: Mit den Anderen kann man ja auch reden. Was die Bundesregierung tun könnte, ist, einfach die Arbeit dieser Stiftungen zu sichern und die Stiftungen zu schützen.

Dr. Jörn Thielmann ist Islamwissenschaftler und Geschäftsführer des Erlanger Zentrums Islam und Recht in Europa (EZIRE). Seine Länderschwerpunkte: Deutschland und Ägypten.

Das Gespräch führte Klaus Krämer.