Theresa May und der Brexit-Deal wanken
16. November 2018Die konservative nordirische Democratic Unionist Party (DUP) drängt offenbar auf eine Ablösung von Theresa May als Regierungschefin. Andernfalls wollen die DUP-Abgeordneten im Parlament gegen den Vertragsentwurf für den EU-Austritt votieren. Dies berichtet die Zeitung "Daily Telegraph" unter Berufung auf das Umfeld von Parteichefin Arlene Foster. May hat keine eigene Mehrheit und ist daher auf die Stimmen der DUP angewiesen. Die Partei hatte bereits wegen der Sonderregelungen für Nordirland mit einem Bruch des Bündnisses gedroht. Auch Mitglieder von Mays Tory-Fraktion kündigten bereits Widerstand an. Labour-Chef Jeremy Corbyn will den Entwurf ebenfalls nicht mittragen.
Die Brexit-Vereinbarung mit Brüssel hat Mays Regierung in eine schwere Krise gestürzt. Aus Protest gegen die Vereinbarung reichten am Donnerstag zwei Minister und zwei Staatssekretäre ihren Rücktritt ein. Trotzdem verteidigte May den Deal energisch als das bestmögliche Abkommen für ihr Land. "Ich glaube mit jeder Faser meines Körpers daran, dass der von mir verfolgte Kurs der richtige für mein Land ist", sagte May bei einer Pressekonferenz im Regierungssitz 10 Downing Street in London. Der geplante Brexit-Deal sei "im nationalen Interesse".
Weitere Rücktritte drohen
Mit Spannung wird erwartet, wen May als Nachfolger für den am Donnerstag zurückgetretenen Brexit-Minister Dominic Raab präsentieren wird. Nach Angaben des Senders BBC habe Umweltminister Michael Gove ein Angebot abgelehnt, da May seine Bedingung zu Änderungen des Brexit-Vertragsentwurfs zurückgewiesen habe. Der ausgewiesene Brexit-Anhänger Gove gilt auch als Wackelkandidat für einen möglichen weiteren Rücktritt, neben Handelsminister Liam Fox und Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt. Neben Raab hatte am Donnerstag auch schon Arbeitsministerin Esther McVey ihr Amt niedergelegt.
Für May sind die Rücktritte ein gewaltiger Rückschlag. Erst am Mittwochabend hatte sie ihrem Kabinett nach fünfstündiger Debatte die Zustimmung zu dem Brexit-Entwurf abgerungen. Die Einigkeit war allerdings nur von kurzer Dauer. Bei der Vorstellung des Abkommens im Parlament schlug May von allen Seiten heftiger Widerstand entgegen. In einer emotionsgeladenen Debatte verteidigte May den Entwurf für das Abkommen. "Wir können uns entscheiden, ohne Abkommen auszuscheiden. Wir können riskieren, dass es keinen Brexit gibt. Oder wir können uns entscheiden, zusammenzustehen und das bestmögliche Abkommen zu unterstützen. Dieses Abkommen", rief May den Abgeordneten zu.
Regierungschefin droht Misstrauensvotum
May warnte, den Deal abzulehnen. Das bedeute, "einen Weg tiefer und schwerwiegender Unsicherheit einzuschlagen". Sollte das Abkommen scheitern, seien die Folgen nicht abzusehen. Ein von EU-Befürwortern gefordertes zweites Brexit-Referendum schloss May aus.
Das Unterhaus wird wohl erst im Dezember über das Abkommen abstimmen. Zuvor könnte May noch eine Misstrauensabstimmung in ihrer konservativen Fraktion drohen. Der einflussreiche Tory-Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg sprach der Premierministerin sein Misstrauen aus. Damit die Abstimmung stattfindet, sind 48 entsprechende Briefe von Parlamentariern aus Mays Partei notwendig. Diese Zahl war Medien zufolge bereits seit Monaten beinahe erreicht. Allerdings gilt als unwahrscheinlich, dass am Ende eine Mehrheit der 315 konservativen Abgeordneten gegen May stimmen würde.
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte unterdessen die Einigung der Brexit-Unterhändler zwischen EU und Großbritannien. Sie sei erst einmal froh, "dass es gelungen ist, in langen und ja auch nicht ganz einfachen Verhandlungen einen Vorschlag zu unterbreiten", sagte Merkel in Potsdam nach einer Klausur des Bundeskabinetts.
EU-Sondergipfel einberufen
Aus Sicht der EU-Kommission haben die Rücktritte in London keine unmittelbaren Folgen für den Abschluss der Brexit-Verhandlungen. May sei selbst Verhandlungsführerin ihrer Regierung, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas in Brüssel. "Unsere Verhandlungspartnerin sind May und die britische Regierung."
EU-Ratspräsident Donald Tusk berief einen Sondergipfel ein, um den Austrittsvertrag unter Dach und Fach zu bringen. Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs soll am 25. November in Brüssel stattfinden. "So traurig ich auch bin, euch gehen zu sehen, werde ich alles tun, um diesen Abschied so schmerzlos wie möglich zu machen, sowohl für euch als auch für uns", sagte Tusk in Richtung der Briten.
sti/stu/uh (dpa, rtr, afp)