1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Thailands Schwarzenegger

Patrick Tippelt7. Februar 2005

Den Sümpfen der Sexindustrie entkommen, versteht sich Chuwit Kamolvisit als die asiatische Version Arnold Schwarzeneggers. Kamolvisit hat zwar keine Chance auf einen Regierungsposten, aber das stört ihn nur wenig.

https://p.dw.com/p/6DDa

Seit Wochen starrt ein finsteres Gesicht den Menschen auf den Straßen Bangkoks entgegen. Selbst Touristen fragen sich, wer der böse dreinblickende Mann ist, der mit hochgekrempelten Ärmeln einen roten Hammer schwingt und dessen Blick Verärgerung und Entschlossenheit signalisiert.

Dieser Mann, Chuwit Kamolvisit, hat jahrelang sein Imperium mit Sexklubs in Bangkok aufgebaut. In seinen Häusern gingen all diejenigen ein und aus, die sich teure Schäferstündchen mit leichten Mädchen leisten konnten, und es war allen – vor allem Chuwit – egal, ob seine Kunden Polizei- und Armeegeneräle waren. Im Jahr 2003 wurde in einem nächtlichen Angriff mit Bulldozern ein Straßenblock voller Kleinstbordelle dem Erdboden gleichgemacht. So attackiert man hier die Konkurrenz. Der Hauptverdächtige: der Mann mit dem Hammer.

Theater

Deswegen angeklagt, entrüstete Chuwit sich über die Doppelmoral der Polizei. Schließlich habe er brav über die Lüste der Politiker und Polizeioberen hinweggeblickt, als sie sich – zum größten Teil gratis – in seinen Etablissements hatten bedienen lassen. Dann wurde Chuwit gekidnappt, und es war ihm auch nicht peinlich, als herauskam, dass er die Entführung fingiert hatte. Er wurde nicht mehr belächelt, als er zu diesem Zeitpunkt beschloss, in die Legalität überzutreten. Er verkaufte mit großem Gewinn seine Bordellpaläste und petzte die Namen seiner Kunden auf Kundgebungen, deren slapstickhafte Theatralität ihn direkt in die Herzen der kleinen Leute trug. So ehrlich war in Thailand noch nie jemand gewesen, der viel Geld und Einfluss besaß.

Chuwit wurde eine Karriere in der Politik vorausgesagt, und die Thailänder mussten nicht lange warten: rasch gründete er eine Partei, die sich dem Kampf der Korruption verschrieb. Im Wahlkampf zum Gouverneur Bangkoks verglich sich der Doppel-Selfmade-Man gern mit Arnold Schwarzenegger; mit Vorliebe nannte er sich auch "den wilden Hund, der jeden beisst, der ihm zu nahe kommt". Damit erreichte er prompt Platz 3. Weil Chuwit aber auf landesweiten Erfolg aus ist, wechselte er zur größeren Chart Thai-Partei. Für die stand Chuwit am Sonntag (6.2.2005) auf den Wahllisten und wird für sie wohl auch ins Parlament einziehen.

Mittel zum Zweck

Wenn Parteien nichts halten können von dem, was sie versprechen, dann glauben die Menschen nur noch an charismatische Persönlichkeiten. Der jetzige Premier Thaksin Shinawatra ist eine solche Figur - mit seiner erfolgreichen Shin Corporation, seinem Satelliten, seinen Fernsehsendern, den Milliarden seines Familienunternehmens und mit dem Glauben daran, dass Demokratie nur ein Mittel ist, aber kein Ziel. Der Geschäftsmann und der Politiker Thaksin sind voneinander nicht zu unterschieden; für ihn ist Thailand ein gigantisches, schlingerndes Unternehmen, das es mit allen Mitteln zu heilen gilt. Und weil viele im Land das für gesund halten, wählten sie Thaksin weitere vier Jahre ins Amt – das gelang vor ihm keinem anderen thailändischen Premier. Politische Kommentatoren nennen die Wahl ein bloßes Referendum für Thaksin Shinawatra. Die circa 400 Millionen Euro, die landesweit ausgegeben wurden für Beeinflussungen der Wähler, dürften da selbstverständlich so einiges ausgemacht haben.

Chuwit Kamolvisit hat dagegen keine Chance. Er wird zwar im Parlament sitzen und sicherlich aufmaulen, aber das wird die politische Elite nicht weiter stören; für sie ist Chuwit bloß ein andauernder Störfaktor. Für viele andere aber ist er ein Hoffnungsträger, wenn auch ein utopischer. Er steht für den illusorischen Glauben an Ehrlichkeit, und er ist ein Sprecher für die große Klasse der arbeitenden Armen – selbst wenn er (auch weiterhin) ein harter Geschäftsmann ist, der mit Sex reich geworden ist. Denn Gegensätze sind nichts Ungewöhnliches für ein Land, dessen Tourismusbehörde einen neuen Slogan kreierte, „Freude auf Erden“, just als die Unruhen im muslimischen Süden ihren Höhepunkt erreicht hatten.