1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Thailands Premierministerin vor Gericht

Rodion Ebbighausen17. April 2014

Der seit Monaten in Thailand andauernde Machtkampf zwischen Regierung und Opposition geht in eine neue Runde. Übergangs-Premierministerin Yingluck muss sich vor dem Verfassungsgericht verantworten.

https://p.dw.com/p/1BkIz
Thailand Premierministerin Yingluck Shinawatra 28.1.2014
Bild: Reuters

Am Freitag (18.04.2014) muss Übergangs-Premierministerin Yingluck Shinawatra vor dem Verfassungsgericht aussagen. Ihr wird ein Verstoß gegen die Verfassung und Amtsmissbrauch vorgeworfen. 2011 hatte sie den Vorsitzenden des nationalen Sicherheitsrates ausgetauscht. Die Ankläger sind der Ansicht, dass sie damit gegen die Verfassung verstoßen hat. Die Regierung bestreitet das.

Abgesehen von der Beurteilung der komplexen Rechtslage, gehen die meisten Beobachter im Land davon aus, dass das Verfassungsgericht gegen Yingluck entscheiden wird. "Das Verfassungsgericht ist ganz klar auf Seiten der Opposition", sagt ein deutscher Thailandexperte im Gespräch mit der DW. Angesichts der brisanten Lage möchte er nicht namentlich genannt werden. "Es ist fast sicher, dass Yingluck gehen muss." Das Urteil wird noch für diesen Monat erwartet.

Monatelanger Machtkampf

Der Prozess markiert damit einen weiteren Höhepunkt in einem seit November 2013 andauernden Machtkampf. Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem die Regierung um Premierministerin Yingluck ein umstrittenes Amnestiegesetzt verabschiedet hatte, das unter anderen ihrem Bruder, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, die Rückkehr nach Thailand ermöglicht hätte. Er war 2006 durch einen Militärputsch gestürzt worden und wenig später ins Ausland geflohen, um einem Korruptionsverfahren zu entgehen.

Bangkok Proteste 22.01.2014
Die Proteste gegen die Regierung dauern seit Monaten anBild: Reuters

Seither gibt es in Thailand einen erbitterten Machtkampf zwischen der Familie Shinawatra und den alten Eliten des Landes. Thaksin hatte während seiner Amtszeit von 2001 bis 2006 mit Populismus und der Einführung eines bezahlbaren Gesundheitssystems die bevölkerungsreichen Nordprovinzen Thailands für sich gewonnen. Die alten Eliten aus den wohlhabenderen Schichten Bangkoks und den Tourismushochburgen im Süden haben seither keine Wahl mehr für sich entscheiden können. "Thaksin hat das Leben von Millionen Thais spürbar verbessert", so Anja Bodemüller und Gerhard Will in einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zugleich unterwanderte Thaksin "durch breit angelegte Korruption und Vetternwirtschaft" alle Versuche, unabhängige Institutionen aufzubauen.

Als seine Rückkehr im Rahmen des Amnestiegesetzes möglich schien, kam es zu Straßenprotesten. Hunderttausende Anhänger der Opposition besetzten wichtige Verkehrsknotenpunkte und Regierungsgebäude in Bangkok. Sie forderten den Rücktritt der Regierung und insbesondere Yinglucks, die sie als Marionette ihres Bruders bezeichneten. Am 9. Dezember 2013 sah die Premierministerin keine andere Möglichkeit, als das Parlament aufzulösen und vorgezogene Neuwahlen anzusetzen. Diese wurden auch im Februar 2014 abgehalten, aber durch massive Proteste der Opposition behindert. Schließlich erklärte das Oberste Gericht die Wahlen am 21.03.2014 für ungültig. Die thailändische Verfassung legt nämlich fest, dass Wahlen landesweit und an einem einzigen Tag durchgeführt werden müssen, was durch die Proteste unmöglich gemacht worden war.

Proteste und Verfassungsnotstand

Bei den Unruhen starben bis heute 23 Menschen, Hunderte wurden verletzt. Das nun anstehende Urteil des Verfassungsgerichts gegen Yingluck könnte die Straßenproteste wieder entfachen. Die entscheidende Frage ist dabei, wie weite Kreise das Urteil zieht. Drei Varianten sind denkbar: dass allein Yingluck die politische Bühne verlassen muss, dass Yingluck und die 16 Minister, die 2011 der Versetzung des Vorsitzenden des nationalen Sicherheitsrates zugstimmt haben, gehen müssen oder, dass das ganze Kabinett seine Posten räumen muss.

Die dritte Variante fordert seit Monaten die Opposition: den Rücktritt der gesamten Regierung. Sie hoffe auf ein Machtvakuum, so ein weiterer Thailandexperte, der ungenannt bleiben möchte, da er nach einem Interview mit der DW bereits Schwierigkeiten mit den Sicherheitsbehörden hatte. Durch das Vakuum würde ein Verfassungsnotstand herbeigeführt. Verfassungsnotstand deshalb, weil es für das Szenario einer Amtsenthebung der gesamten Regierung keinen verfassungsmäßigen Rahmen gibt.

Die Opposition spekuliert dabei auf einen ungewöhnlichen Ausweg durch Artikel 7 der Verfassung. "Dieser Artikel öffnet Tür und Tor für die Ernennung einer neuen Übergangsregierung durch den König", erklärt der Experte gegenüber der DW. Die königsnahe Opposition wäre dann nach sechsmonatigem Kampf endlich an ihrem Ziel.

Proteste sind zu erwarten

Die Regierung und ihre Anhänger könnten reagieren, indem sie sich weigern, das Urteil anzuerkennen. Etwa mit dem Hinweis darauf, dass die Regierung seit Dezember ohnehin nur eine Übergangsregierung ist und deswegen auch nicht ihres Amtes enthoben werden kann.

Regierungsgegner protestieren gewaltsam gegen Neuwahlen
Das Militär ist auf mögliche Gewaltausbrüche vorbereitet, hält sich vorerst aber zurückBild: Reuters

Sollte es zur Absetzung der gesamten Regierung kommen, haben die Regierungsanhänger bereits angekündigt, bis zum Ende zu kämpfen, betonen aber, auf Gewalt zu verzichten. Das berichten mehrere thailändische Zeitungen. Es gab bereits mehrere Massendemonstrationen der Regierungsanhänger, die sich geographisch wie ein Ring um Bangkok gelegt haben. "Das ist ein deutliches Signal, dass diese Art des Regierungssturzes auf keinen Fall akzeptiert würde", urteilt der Experte.

Der Prozess kann, je nach Urteil, zwei mögliche Folgen haben. Wenn nur Yingluck und Teile der Regierung ihres Amtes enthoben würden, bleibt die Pattsituation zwischen Regierung und Opposition erhalten, die das Land seit Monaten lähmt. Oder aber das Verfassungsgericht verurteilt die gesamte Regierung, was deren Anhänger auf den Plan rufen würde und die Gefahr einer gewaltsamen Eskalation mit sich bringt. Das weiß auch das Militär. Es sind bereits 10.000 Soldaten in Bangkok und mehr als 150 Bunker wurden an zentralen Punkten eingerichtet, besetzt mit noch unbewaffneten Soldaten. "Die Armee bereitet sich auf alle Eventualitäten vor."