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Politik

Thailand am absoluten Nullpunkt

14. Oktober 2016

Der Tod des Königs stürzt die thailändische Gesellschaft in eine tiefe Krise. Militär und Monarchie muss ein grundlegender Neustart gelingen. Doch die Voraussetzungen dafür sind nicht gut.

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Weinende und ergriffene Menschen in Thailand trauern um König Bhumibol
Bild: Reuters/J. Silva

 

Thailand ist in Trauer. Nach langer Krankheit ist Seine Majestät König Bhumibol Adulyadej am Donnerstag im Siriraj-Krankenhaus verstorben. Noch heute wird der Leichnam des Monarchen in den Königspalast überführt werden. Zehntausende schwarzgekleideter Thais säumen den Weg, um ihrem König die letzte Ehre zu erweisen. Dem Sarg folgen Kronprinz Maha Vajiralongkorn und andere Mitglieder der Königsfamilie. Im Großen Palast wird dann nach buddhistischen Ritus eine Waschung des Leichnams vorgenommen. 100 Tage lang werden die Klagegesänge der Mönche erklingen. Die Regierung hat Staatstrauer angeordnet und die Beamten müssen für ein Jahr Trauerkleidung tragen.

70 Jahre hat der beliebte und tief verehrte König das Land regiert. Er hinterlässt ein Vakuum, dass die Stabilität des ohnehin von politischen Lagerkämpfen, endlosen Verfassungsreformen und Militärputschen gebeutelte Land zusätzlich gefährdet.

Recht und Ordnung

Premierminister Prayuth Chan-ocha bei der Zeremonie zum 70. Thronjubiläum von König Bhumibol Adulyadej im Juni 2016
Beim 70. Thronjubiläum im Sommer 2016 erwies Premierminister Prayuth (Mitte) dem König die EhreBild: Getty Images/AFP/L. Suwanrumpha

Wie groß die Befürchtungen sind, lässt sich auch daran ablesen, dass der 2014 durch einen Militärputsch an die Macht gekommene Premierminister und ehemalige General Prayuth Chan-ocha in seiner Fernsehansprache nach dem Tod des Königs der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung oberste Priorität eingeräumt hat. Im ganzen Land sichern seither zusätzliche Militärverbände Schlüsselposition. Prayuth warnte vor jedem Versuch, aus der derzeitigen Lage politisches Kapital zu schlagen. Nicht zuletzt forderte er die Wirtschaft dazu auf, so gut wie eben möglich ihren Geschäften nachzugehen. An der Börse hatte es nach Bekanntwerden der Todesnachricht kurzzeitig Kurseinbrüche gegeben, die Lage hat sich aber am nächsten Tag bereits wieder beruhigt.

Die politische und wirtschaftliche Krise, die im Grunde seit Jahren andauert, kann nicht vom eigentlichen Schock für viele Thais ablenken. Tatsächlich ist der König seit vielen Jahren kaum noch in der Öffentlichkeit aufgetreten, und sein Einfluss auf das politische Geschehen war verglichen mit früheren Jahren eher klein.

Spirituelle Krise

Anhänger von König Bhumibol Adulyadej in Bangkok
Bhumipol war für die Menschen in Thailand allgegenwärtig: Die Trauer um ihn ist überwältigendBild: Reuters/A. Perawongmetha

Viel schwerer wiegt die spirituelle Krise, die der Tod Bhumibols auslöst. Thailand ist ein buddhistisches Land, und ein Großteil der Bevölkerung ist tief religiös. Der König symbolisiert und garantiert die kosmische Ordnung. In der Vorstellung vieler Thais ist der König im besten Fall der ideale buddhistische Herrscher: Er bringt durch moralische Autorität und Charisma Ordnung in das Chaos des Irdischen. König Bhumibol hat diese Rolle in den Augen seiner Untertanen vollkommen erfüllt.

Was viele Menschen in Thailand nun befürchten, ist also nicht nur die politische und wirtschaftliche Krise, mit der sie sich seit vielen Jahren herumschlagen, sondern eine viel tiefergehende geistige Erschütterung. Jetzt, da der König nicht mehr lebt, drohen buddhistische Tugenden wie Güte, Weisheit, Entsagung und Sittlichkeit auch und insbesondere in der Politik gänzlich verloren zu gehen.

Es ist vollkommen offen, ob es dem Militär und der Monarchie gelingt, diese alle Ebenen der Gesellschaft betreffende Krise zu meistern.

Militärdiktatur und Kronprinz

Die zwei Jahre seit dem letzten Putsch haben gezeigt, dass das Militär zwar in der Lage ist, Stabilität und Ordnung aufrecht zu erhalten.  An einem tiefergehenden Reformprogramm, dass die tiefe politische Spaltung der Gesellschaft überwinden könnte, ist sie aber im Grunde gescheitert. Auch die Wirtschaft ist trotz mehrfacher Anläufe der Militärs bisher nicht richtig in Schwung gekommen. Das Verfassungsreferendum vom August 2016 konnte das Militär zwar für sich entscheiden, aber alle Parteien haben die in der Verfassung gewährten demokratischen Spielräume als zu eng bemessen bewertet. Es ist keineswegs sicher, dass die für 2017 in Aussicht gestellten Wahlen tatsächlich stattfinden werden.

Kronprinz Maha Vajiralongkorn
Ein unmögliches Erbe: Kronprinz Maha Vajiralongkorn tritt wahrscheinlich in übergroße FußstapfenBild: Getty Images/AFP/P. Kittiwongsakul

Die Frage der Thronfolge, die durch die Verfassung und die Palastgesetzgebung geregelt wird, ist noch nicht entschieden. Zwar hat gestern Premierminister Prayuth angekündigt, dass der 64-jährige Kronprinz Maha Vajiralongkorn auf seinen Vater folgen solle, um - so wörtlich - "Chaos zu verhindern". 1972 hatte König seinen Sohn zum Nachfolger ernannt. Dieser allerdings erbat sich noch einen Aufschub, um gemeinsam mit der thailändischen Bevölkerung den Tod seines Vaters zu betrauern. Vielleicht ein erster Versuch, um sein ramponiertes Image in der Bevölkerung aufzubessern. Der Kronprinz, der viel Zeit in seiner Villa am Starnberger See verbringt, war dreimal verheiratet. Seine Mutter verglich ihn einmal mit Don Juan. Im Gegensatz zu seinem Vater, der Opferbereitschaft, Bescheidenheit und Disziplin vorgelebt hat, gilt der Kronprinz als launisch, unberechenbar und exzentrisch. Alles Eigenschaften, die ihn in den Augen vieler Thais als idealen Herrscher diskreditieren.

Durch seinen vorläufigen Verzicht übernimmt jetzt erst einmal der Vorsitzende des Kronrats, Prem Tinsulanonda, die Regentschaft.So sieht es die thailändische Verfassung vor. Der ehemalige Ministerpräsident Prem ist heute 96 Jahre alt und galt während seiner Amtszeit in den 80er Jahren als Mann der Mitte, der sich für die Demokratisierung des Landes einsetzte.