Textilindustrie: Die Wiederentdeckung Afrikas
30. September 2014François Traoré pflanzt in Burkina Faso Baumwolle an. Er ist einer von rund 450.000 Bauern in sechs Ländern südlich der Sahara, deren Baumwolle unter dem Gütesiegel "Cotton made in Africa" vermarktet wird - eine Initiative, die Bauern durch Markenbildung und bessere Handelschancen helfen will.
Traoré hat sich verpflichtet, auf gefährliche Chemikalien zu verzichten und seine Kinder zur Schule zu schicken, anstatt sie auf dem Feld arbeiten zu lassen. Im Gegenzug erhält er Training in modernen Anbaumethoden, eine Vorfinanzierung von Dünger und Saatgut, sowie etwas mehr Geld für seine Baumwolle.
Trotzdem macht er sich Sorgen um die Zukunft seiner Kinder. "Es ist doch paradox: Wir schicken unsere Kinder in die Schule, doch die finden später keine Arbeit", sagt Traoré. "Durch die Baumwolle, die wir hier produzieren, haben Menschen in anderen Ländern Arbeit. Und die verkaufen uns dann die Waren, die sie daraus herstellen. So wird Afrika zerstört."
Wenig Wertschöpfung in Afrika
Das Problem: richtig wertvoll wird Traorés Baumwolle erst, wenn sie in China und anderen asiatischen Ländern zu Garnen, Stoffen und Kleidungsstücken verarbeitet wird.
Beispiel Vlisco: Die bunt bedruckten Stoffe des niederländischen Textilkonzerns sind in vielen Ländern West- und Zentralafrikas sehr beliebt. Doch weniger als ein Drittel der Stoffe, die Vlisco verarbeitet, werden in Afrika produziert.
"Es gibt einfach nicht genügend Lieferanten, die in entsprechender Qualität produzieren", sagt Jan van der Horst, Director of Corporate Affairs bei Vlisco. "Wenn es die gäbe, könnten wir 100 Prozent unserer Stoffe aus afrikanischen Ländern beziehen."
Bis in die 1980er Jahre gab es in vielen afrikanischen Ländern noch eine Textilindustrie. Doch gegen die mächtige Konkurrenz aus Asien hatten die Afrikaner keine Chance.
Chancenlos gegen China
"In einer afrikanischen Textilfabrik hat eine Spindel im Durchschnitt 10.000 Umdrehungen pro Minute. In China sind es 20.000 Umdrehungen. Dieselbe Spindel produziert in China also doppelt so viel", erklärt der kenianische Textilunternehmer Jas Bedi, der auch Vorsitzender des afrikanischen Baumwoll- und Textilindustrieverbands (ACTIF) ist.
Hinzu kommen die Energiekosten, die in vielen Ländern Afrikas doppelt so hoch seien wie in China, sagt Bedi. "Für den Produzenten in Afrika bedeutet das einen vierfachen Nachteil: zu doppelten Kosten produziert er nur die Hälfte."
Trotzdem glaubt Bedi, dass die Zukunft der Textilindustrie in Afrika liegt. Denn inzwischen sind die Löhne der Textilarbeiter in China stark gestiegen und liegen weit über dem afrikanischen Niveau.
Chance für Afrika
Außerdem wachse die afrikanische Bevölkerung rasant. "Im Jahr 2040 werden wir 1,2 Milliarden Menschen im arbeitsfähigen Alter haben - mehr als China oder Indien", so Bedi. "Wenn es uns nicht gelingt, dieser riesigen Masse an Menschen Arbeit zu geben, dann wird nicht nur Afrika instabil, sondern die ganze Welt."
Erste große Textilfirmen sind bereits dabei, einen Teil ihrer Produktion nach Afrika zu verlagern. Das schwedische Unternehmen H&M etwa baut eine Fabrik in Äthiopien, der US-Konzern PVH, zu dem Marken wie Calvin Klein und Tommy Hilfiger gehören, lässt bald in Kenia produzieren.
Auch Ayka, ein türkischer Textilhersteller, der unter anderem für die deutsche Handelskette Tchibo produziert, hat sich für Äthiopien entschieden.
160 Millionen US-Dollar hat Ayka dort investiert, die Fabrik beschäftigt zurzeit 7000 Menschen, bald sollen es 10.000 sein. Die Lohnkosten seien deutlich niedriger als in China, sagt Kemal Öznoyan, der bei Ayka für das Auslandsgeschäft zuständig ist.
Offenes Ohr für Investoren
Hinzu komme, dass ein Investor aus der Textilbranche in Äthiopien noch etwas Besonderes sei, in China oder Indien nicht. "In Äthiopien habe ich die Handynummern des Premierministers und aller Minister. Die sind immer ansprechbar", sagt Öznoyan. "Wenn es ein Problem gibt, kann ich das sofort klären."
Das Beispiel zeigt, wie sehr sich einige Regierungen um Investoren bemühen. Allerdings ist das nicht überall der Fall. Die Deutsche Bettina Guemto lebt seit 15 Jahren in Kamerun. Hier hat sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann die kleine Textilfabrik Buetec aufgebaut, in der 180 Beschäftigte T-Shirts mit Werbeaufschriften für lokale Firmen herstellen.
Eigentlich gebe es klare Vorschriften, welche Auflagen Unternehmen zu erfüllen haben, etwa im Umweltschutz oder bei sanitären Anlagen, sagt Guemto."Trotzdem kommen dauernd irgendwelche Leute mit bewaffneten Gendarmen ins Büro und sagen: Wenn wir nicht diese oder jene Rechnung sofort begleiten, wird das Büro geschlossen."
Diese Form der Korruption sei in Kamerun illegal, und es koste jedes Mal viel Zeit und Nerven, die Situation zu klären, so die Unternehmerin. Wenn sich afrikanische Länder als neue Standorte für die Textilindustrie präsentieren wollen, bleibt also noch einiges zu tun.
Die Gespräche für diesen Beitrag wurden im Rahmen der Stakeholder-Konferenz von "Cotton made in Africa" und "Competitive African Cotton Initiative" in Köln geführt.