Tesla: Ärger auf der Überholspur
3. August 2017Tesla sieht sich inmitten der ersten Auslieferungsphase seines Mittelklassewagens mit wachsenden Beschwerden von Beschäftigten über Löhne und Arbeitsbedingungen konfrontiert. In einem Brief an den Verwaltungsrat des Unternehmens forderten Angestellte Auskunft über die Pläne für ihre Gehaltsentwicklung, die Voraussetzungen für Beförderungen und über Arbeitsschutzmaßnahmen.
Die US-Automobilgewerkschaft UAW plant die Gründung einer Abteilung in der Tesla-Fabrik im kalifornischen Fremont. In ihrem Brief verlangen die Beschäftigten eine Zusage, dass sie nicht Opfer von Repressalien werden, wenn sie versuchen, eine Gewerkschaftsniederlassung zu gründen.
Gefährliche Produktionsbedingungen?
Die Löhne in der Tesla-Fabrik sind vergleichsweise gering. Das Startgehalt liegt bei 18 Dollar (rund 15,20 Euro) pro Stunde. Der landesweite Durchschnittslohn in der Autobranche beträgt 25,58 Dollar. Es gibt außerdem viele Beschwerden über Arbeitsunfälle. Die Beschäftigen seien es leid, dass es ständig vermeidbare Unfälle in der Fabrik gebe, sagte Michael Catura, einer der Unterzeichner des Schreibens. Das senke die Moral, hemme die Produktion und sei "traumatisierend".
Außerdem warfen die Angestellten der Unternehmensspitze in dem Brief Intransparenz bei Beförderungsmöglichkeiten vor. Einige seien seit Jahren beschäftigt und hätten das "vage Versprechen" von Lohnerhöhungen erhalten. Passiert sei nichts. Zudem sei den Beschäftigten unklar, wie Erfolg definiert werde und was zu tun sei, um befördert zu werden.
Ein Unternehmenssprecher verwies als Reaktion auf den Vorstoß auf einen früheren Blog-Beitrag des Unternehmens, in dem davon die Rede ist, dass sich die Sicherheitsbedingungen stetig verbesserten. Zugleich habe Tesla natürlich das Ziel, Arbeitsunfälle gänzlich zu vermeiden. Zu den Beschwerden über das Gehalt äußerte sich der Autobauer bislang nicht.
Mit dem Dreier in die Offensive
Die Anleger zeigen sich von den Querelen im Hause Tesla unbeeindruckt. Mit einem Kursplus von 6,2 Prozent gehörten die Titel von Tesla zu den Favoriten der Wall Street. Anleger ignorierten den Rekordverlust des Elektroauto-Bauers. Sie konzentrierten sich stattdessen auf das überraschend starke Umsatzplus und die 455.000 Vorbestellungen des Hoffnungsträgers "Model 3".
Tesla hatte Ende vergangener Woche die ersten Exemplare seines Mittelklassewagens Model 3 ausgeliefert, mit dem das Unternehmen den Massenmarkt erobern will. Mit einem Startpreis von umgerechnet knapp 30.000 Euro soll das Fahrzeug erschwinglicher sein als die bisherigen Tesla-Modelle, die im Luxussegment angesiedelt sind. Allerdings hat das Unternehmen mit Verzögerungen in der Produktion zu kämpfen.
Tesla produziert derzeit die Modelle S, X und 3 im kalifornischen Fremont. Insgesamt sollen dort in diesem Jahr 100.000 Fahrzeuge gefertigt werden, im kommenden Jahr dann 500.000. Schon 2020 will das Unternehmen eine Million Elektroautos produzieren.
"Vorsprung durch Elektro-Technik"
Das Wettrennen in der Elektromobilität nimmt langsam Fahrt auf: Während Tesla seine Produktion hochfährt, schlagen sich die deutschen Autokonzerne mit den Folgen des Diesel-Desasters herum. Auch die traditionellen Autobauer in Deutschland haben die Zeichen der Zeit erkannt und investieren selbst massiv in die Elektromobilität. Bis zu einem Viertel der Fahrzeuge von Volkswagen und Daimler sollen im nächsten Jahrzehnt Elektroautos sein. VW hat Tesla bereits den Kampf angesagt und will seine Elektroautos günstiger anbieten als der US-Konkurrent. Branchenexperten zufolge ist das Rennen deshalb noch völlig offen.
Im Moment spielt Tesla allerdings die Dieselkrise in die Hände. Denn VW, Daimler & Co haben ein Problem: Wenn die Kunden das Vertrauen in den Diesel verlieren und weniger Selbstzünder kaufen, gehen den deutschen Autobauern wichtige Einnahmen verloren, um Geld in die Erforschung von Zukunftstechnologien zu stecken.
Tesla dagegen kann unbelastet durchstarten. "Tesla kümmert sich intensiv um die Elektromobilität. Das tun die Deutschen auch, aber sie steht bei ihnen nicht im Fokus", sagt Frank Schwope, Autoanalyst der NordLB. "Wenn man sich einer veralteten Technologie wie dem Diesel widmet, fehlt die Konzentration auf die Elektromobilität."
Wegen der vielen Baustellen von der Dieselkrise bis hin zu den Kartellvorwürfen könne sich das Management dem Aufbau batteriebetriebener Mobilität nicht so stark widmen wie eben Tesla. Das sei ein Handikap, meinen auch andere Branchenkenner. Sie warnen: Die Technologieführerschaft der deutschen Konzerne steht auf dem Spiel.
dk/tko (afp,rtr)