Die Angst fährt wieder mit
21. Oktober 2013"Die Russen fühlen sich nun sicherer bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln". Das staatliche Meinungsforschungsinstitut WZIOM in Moskau meldete Ende August 2013, dass zwei Drittel der Befragten mit Sicherheitsmaßnahmen in Bussen, Bahnen und anderen Verkehrsmitteln zufrieden seien. Die Angst vor Terroranschlägen sei in den letzten zwei Jahren "spürbar geringer geworden", so das Meinungsforschungsinstitut.
"Schwarze Witwe" aus Nordkaukasus
Seit diesem Montag (21.10.2013) ist die Angst wieder da. In einem Linienbus der südrussischen Stadt Wolgograd sprengte sich eine Frau in die Luft. Mindestens sechs weitere Menschen starben. Russische Sicherheitsbehörden gehen von einem Terroranschlag aus. Einige Verletzte schweben in Lebensgefahr, so dass die Opferzahl noch steigen könnte.
Verdächtigt wird eine sogenannte "schwarze Witwe". So werden Ehefrauen oder Verwandte von islamistischen Kämpfern genannt, die Terroranschläge verüben. In diesem Fall soll es sich laut Ermittlern um eine 30-jährige Frau aus Machatschkala handeln, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Dagestan im Nordkaukasus.
Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen
Dass die Russen sich bis zuletzt sicherer gefühlt haben, mag an den verschärften Sicherheitsmaßnahmen liegen. Wer in eine Bahn oder einen städtischen Bus steigt, wird über Lautsprecher und Anzeigen vor möglichen Terroranschlägen gewarnt. Man wird gebeten, über verdächtiges Gepäck sofort den Zug- oder Busfahrer zu informieren.
Seit Juli 2013 werden in Russland Personendaten von allen Reisenden in einer zentralen Datei erfasst, zu der auch der Inlandsgeheimdienst FSB Zugang hat. Auch das soll die Sicherheit im öffentlichen Verkehr erhöhen. Das Parlament will die Sicherheitsmaßnahmen weiter ausbauen. Ein Gesetzentwurf sieht den verstärken Gebrauch von Waffen durch Sicherheitskräfte vor.
Dagestan: gefährlichste Terrorprovinz
Seit dem Ausbruch des Krieges in Tschetschenien 1994 hat es in Russland mehrere spektakuläre Anschläge gegeben. Auch wenn Moskau den Krieg längst für beendet erklärt hatte, führen islamistische Rebellengruppen aus dem Untergrund ihren Feldzug gegen den russischen Staat weiter.
Allerdings hat sich nicht Tschetschenien, sondern Dagestan zu der gefährlichsten Terrorprovinz entwickelt. 60 Prozent der 316 Terroranschläge, die das russische Nationale Antiterrorkomitee 2012 gezählt hatte, passierten in Dagestan. In diesem Jahr dürfte die Prozentzahl ähnlich hoch sein. Fast täglich gibt es Anschläge, bei denen meist Polizisten oder Vertreter der Justiz sterben. So wurde Ende September 2013 der Oberste Richter Dagestans in seinem Auto zusammen mit seinem Sohn erschossen.
Anschläge verhindert
Moskau und andere russische Großstädte dagegen blieben seit rund drei Jahren von Terroranschlägen verschont. Zuletzt explodierte im Januar 2011 am Moskauer Flughafen Domodedowo eine Bombe. Bei dem Terroranschlag, dessen Spuren in den Nordkaukasus führen, starben 37 Menschen.
Alexej Muchin vom Moskauer Zentrum für politische Information glaubt, die "Pause" bei Terroranschlägen in russischen Großstädten habe mit der Lage in Nordafrika und dem Nahen Osten zu tun. Internationale Terrororganisationen hätten dorthin ihren Schwerpunkt verlagert, sagt Muchin im Gespräch mit der Deutschen Welle. Doch Russlands jüngste Initiative in Syrien habe für "Unzufriedenheit" bei den Islamisten gesorgt, die gegen den syrischen Präsidenten al-Assad kämpfen, so Muchin. Der Experte schloss damit einen Zusammenhang zwischen der Explosion in Wolgograd und der russischen Haltung im Syrien-Konflikt nicht aus.
Außerdem weist Muchin auf die erfolgreiche Präventionsarbeit russischer Sicherheitsbehörden hin. In der Tat wurden einige Anschläge verhindert. So wurden am 15. Oktober in der Provinz Kirow zwei Männer aus dem Nordkaukasus festgenommen. Sie sollen einen Terroranschlag auf eine Chemiefabrik geplant haben. Im Mai sorgte der Fall in Orechowo-Sujewo, einer Kleinstadt rund 90 Kilometer östlich vor Moskau, für Aufsehen. Spezialeinheiten der Polizei zerschlugen dort eine Terrorzelle, die einen Anschlag in der Hauptstadt geplant haben soll. Einige der Verdächtigen sollen in Terrorcamps in Afghanistan und Pakistan ausgebildet worden sein.
Sorge vor Anschlägen in Sotschi
Die Explosion in Wolgograd wirft einen Schatten auf die Olympischen Winterspiele, die im Februar 2014 stattfinden. "Die Gründe für den Anschlag liegen eher bei den nahenden Olympischen Spielen in Sotschi", schrieb Alexej Filatow, Vize-Präsident des Veteranenvereins der russischen Antiterroreinheit "Alfa", in seinem Blog. Man wolle Russlands Stärke testen, so der ehemalige Kämpfer der Eliteeinheit.
Sotschi liegt nicht weit entfernt vom Nordkaukasus. Seit Jahren gibt es Warnungen, dass Aufständische Anschläge bei den Olympischen Spielen verüben könnten.