Chronik eines Skandals
24. Oktober 2013Zwei Tage nach seiner Privataudienz mit dem umstrittenen Limburger Bischof hat Papst Franziskus am 22. Oktober über dessen nahe Zukunft entschieden: Franz-Peter Tebartz-van Elst bleibt zunächst Bischof. Von den Amtsgeschäften im Bistum Limburg musste er sich jedoch mit sofortiger Wirkung und auf unbestimmte Zeit zurückziehen. Tebartz-van Elst steht vor allem wegen seiner Amtsführung und der mindestens 31 Millionen Euro teuren Residenz in der Kritik. Weitere Entscheidungen über seine Zukunft werden folgen, wenn das Ergebnis einer Prüfung durch eine von den Bischöfe eingesetzte Kommission vorliegt. Bis dahin hat der Vatikan den designierten Generalvikar Wolfgang Rösch als Verwalter des Bistums eingesetzt.
Die Entscheidung des Papstes wurde von den deutschen katholischen Bischöfen positiv kommentiert. Dadurch werde "ein Raum eröffnet, um in dieser Situation zur inneren Ruhe zurückzufinden und eine neue Gesprächsbasis zu schaffen", so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch. Ob der umstrittene Bischof an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren darf, ist derzeit noch offen.
Womit erregte Tebartz-van Elst so viel Unmut?
Rückblende: Bereits Anfang 2012 geriet der Limburger Bischof mit einem Flug nach Indien in die Schlagzeilen: Er sei zur Unterstützung sozialer Projekte nach Bangalore gereist, sagte er nach seiner Rückkehr, um Kindern zu helfen, "die in Steinbrüchen tätig sind". Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" fand heraus: Franz-Peter Tebartz-van Elst war erster Klasse geflogen - "First Class in die Slums", titelte denn auch der "Der Spiegel".
Im Sommer 2013 sickerten dann Einzelheiten über den Neubau des Bischofssitzes in Limburg durch: Statt der ursprünglich veranschlagten 5,5 Millionen Euro standen plötzlich Kosten in Höhe von knapp 10 Millionen Euro im Raum. Deutsche Medien bohrten nach - und kamen zu dem Schluss, dass die Kosten noch viel höher liegen müssen.
Die auflagenstärkste deutsche Boulevard-Zeitung "Bild" veröffentlichte eine Preisliste von Sonderwünschen des "Protz-Bischofs": 15.000 Euro für eine frei stehende Badewanne, 100.000 für einen hängenden Adventskranz, 450.000 für Kunstwerke, knapp 800.000 für einen Garten und 2,3 Millionen für einen Lichthof… Einiges davon hatte Tebartz-van Elst erst spät in Auftrag gegeben, sodass bereits fertig gestellte Decken und Böden wieder aufgerissen werden mussten. Mittlerweile hat das Bistum die Ausgaben für den Bischofssitz mit 31 Millionen Euro beziffert - was, so wird spekuliert, auch noch nicht alle Kosten einschließt.
Tebartz-van Elst in Erklärungsnot
Gegen den "Spiegel" ging der Bischof wegen des Berichts über die Indien-Reise juristisch vor. Er behauptete, Business Class geflogen zu sein, was er später zurücknehmen musste. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Hamburg einen Strafbefehl gegen ihn wegen falscher eidesstattlicher Versicherung beantragt.
Mitte Oktober reiste der Bischof nach Rom. Zum Abschied sagte er, die Entscheidung über seinen Dienst liege "in den Händen des Papstes".
Gläubige in großer Sorge
Nach den Medienberichten über die Kostenexplosion beim Neubau des Bischofssitzes schlossen sich führende Katholiken des Bistums im August 2013 in Frankfurt zusammen. Ihr offener Brief wurde im Frankfurter Dom verlesen - unter großem Beifall. "Die Bistumsleitung muss umgehend einen anderen Weg einschlagen", hieß es da. Die Zuspitzung der Vertrauenskrise im Bistum sehe man "mit großer Sorge", es sei Zeit, "Fehlentwicklungen zu benennen und auf Änderung hinzuwirken". Rücktrittsforderungen machten die Runde, zum Beispiel von der größten Laienorganisation, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Dessen Präsident Alois Glück brachte es Anfang Oktober auf den Punkt: "Viele in der Kirche erwarten einen Rückzug."
In der vergangenen Woche stieg auch die Zahl der Kirchenaustritte. Allein in der Stadt Limburg kehrten innerhalb von zwei Tagen 50 Gläubige der katholischen Kirche den Rücken - normalerweise sind es nur eine Handvoll pro Woche.
Und auch die katholischen Hilfswerke bekommen den Ärger der Gläubigen zu spüren, vor allem der Dachverband Caritas: Nach Angaben des Deutschland-Chefs Peter Neher haben zahlreiche Spender unter Hinweis auf das Finanzgebaren des Limburger Bischofs angekündigt, der Hilfsorganisation künftig kein Geld mehr zukommen zu lassen.
Wie verhielt sich die katholische Amtskirche?
Der Vatikan schaltete sich Mitte September 2013 ein: Papst Franziskus entsandte Kardinal Giovanni Lajolo nach Limburg, der sich eine Woche lang ein Bild der Situation machen konnte. Tebartz-van Elst stimmte einer Prüfung der Baukosten zu. Details wurden nach dem Besuch nicht bekannt. Mit der auf Empfehlung von Lajolo berufenen Kommission zur Überprüfung der Baukosten erfüllt die Bischofskonferenz zudem genau die Vorschriften Roms.
Die deutschen Bischöfe stärkten ihrem Limburger Kollegen lange Zeit den Rücken - ging danach allerdings größtenteils zunehmend auf Distanz. Es mehrten sich kritische Stimmen: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einem "gewaltigen Glaubwürdigkeitsproblem", die gesamte Katholische Kirche in Deutschland trage den Schaden.